Viele Menschen wissen, dass der ökologische Umbau unter kapitalistischen Vorzeichen weitere Opfer erfordert. Eine große Mehrheit befürwortet ihn dennoch. Warum das kippen könnte.

Umwelt- und Klimaschutz: Viel Zustimmung – wenig Vertrauen

Es wäre Aufgabe einer gesellschaftlichen Linken, hier Alternativen für einen sozialökologischen Wandel im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung zu benennen und aufzuzeigen. Dafür gibt es viele Beispiele, manche werden bereits erprobt. Da wäre beispielsweise der Kampf um den Erhalt und die Ausweitung des Öffentlichen Nahverkehrs oder die Produktion von Bahnen statt Volkswagen, wie es eine Initiative in Wolfsburg fordert.

Der ökologische Umbau muss sozialverträglich erfolgen, damit die Mehrheit der Bevölkerung diese Maßnahmen auch unterstützt. Dies ergab wenig überraschend die aktuelle Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland“, die das Umweltbundesamtalle zwei Jahre erstellt. Seit 1996 erfragt die Behörde das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung. Die aktuellen Ergebnisse unterstreichen, …

dass die Menschen Angst davor haben, dass ihr Lebensstandard durch die Umstellung der Wirtschaft in der Klimakrise sinkt.

Obwohl sich 91 Prozent der Befragten für einen umwelt- und klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft aussprechen, fürchten drei Viertel von ihnen, dass sich durch diese ökologische Transformation die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. 40 Prozent haben Angst, aufgrund dieses Umbaus selbst sozial abzusteigen.

Dabei muss der gesellschaftliche Kontext benannt werden, in dem die Umfrage erfolgte: Mittlerweile gehört die Anpassung der Wirtschaft an die Klimaveränderungen zur täglichen Rhetorik der Staatsapparate, gerade im letzten Jahr hat die Inflation verstärkt durch den Ukraine-Krieg Fahrt aufgenommen – wodurch viele Menschen Reallohnverluste hinnehmen mussten. Daher sind die von vielen Menschen formulierten Abstiegsängste auch durch die Klimaanpassung durchaus realistische Einschätzungen.

Sie machen tagtäglich die Erfahrung, dass alle Krisenlasten auf die Lohnabhängigen abgewälzt werden. Sie haben auch schon in anderen Kontexten erlebt, wie mit Adjektiven wie „nachhaltig“ oder „umweltverträglich“ die Gewinne der Konzerne erhöht werden.

Man kann da beispielsweise die energetischen Sanierungen von Wohnhäusern nennen, die in vielen Fällen mit hohen Mietsteigerungen verbunden waren. Das haben viele Menschen eben als zusätzliche Möglichkeit erlebt, mit der Eigentümer ihre Profite steigern. Dies sind inzwischen bekannte Mechanismen einer kapitalistischen Wirtschaft, aber keine Naturgesetze.

Linke Alternativen für einen sozialökologischen Wandel

Es wäre Aufgabe einer gesellschaftlichen Linken, hier Alternativen für einen sozialökologischen Wandel im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung zu benennen und aufzuzeigen. Dafür gibt es viele Beispiele, manche werden bereits erprobt. Da wäre beispielsweise der Kampf um den Erhalt und die Ausweitung des Öffentlichen Nahverkehrs oder die Produktion von Bahnen statt Volkswagen, wie es eine Initiative in Wolfsburg fordert.

Dabei müsste die Mehrheit der Bevölkerung eben nicht auf irgendwelche Annehmlichkeiten verzichten. Vielmehr würde auch ihre Lebensqualität steigen, wenn beispielsweise die Zahl der Autos auf unseren Straßen spürbar abnehmen würde. Es geht also nicht darum, dass wir über unsere Verhältnisse, sondern darum, dass wir unter unseren Möglichkeiten leben, wie es die Autoren der Gruppe Krisis in dem Buch „Shutdown“ gut auf den Punkt bringen. Sie betonen auch richtigerweise, dass nicht der individuelle Verzicht gepredigt, sondern die Wirtschaft umgebaut werden muss, wenn der Klimawandel wirklich bekämpft werden soll.

Klimadiskurs zwischen Aufklärung und Apokalypse

Wenn man den Studienergebnissen zum Umweltbewusstsein gerecht werden will, gilt es auch, die aktuellen Klimadialoge zu beobachten. Nun hat sich in den letzten Jahren der öffentliche Umweltdiskurs rasant verändert. Die Klimaveränderung und ihre tatsächlichen oder mutmaßlichen Folgen bestimmten die Nachrichten, die Kunst und auch die Werbung greift sie auf. Dabei wird die notwendige Aufklärung über die auch weltweiten Folgen des Klimawandels manchmal auch mit apokalyptischen Szenarien vermischt, die eher zur Resignation als zu einem erfolgversprechenden Aktivismus im Sinne von Umwelt- und Klimaschutz führen.

Dazu gehörten auch die jüngsten Äußerungen des UN-Generalsekretärs, der angesichts der Rekordhitze in Teilen der Welt erklärte, die Ära der Erderwärmung sei beendet und die Ära des globalen Brodelns habe begonnen, Das ist nun nicht die Analyse eines Klimaexperten, sondern die bewusste Dramatisierung der aktuellen Klimasituation. Was Bewusstsein schaffen soll, kann aber auch zu Panik und irrationalen Verhandeln führen.

Schließlich lassen Begriffe wie Brodeln mindestens an apokalyptische Zustände aber auch an Beschreibungen der biblischen Hölle denken. Das ist eben gerade keine Grundlage für eine rationale Klimadebatte. Die sollte überhaupt auf Schreckensprophezeiungen verzichten, die gerade das Gegenteil bewirken können, wenn sie sich zumindest partiell als falsch herausstellen.

Wo blieb der Dürresommer in Deutschland?

So wurde auch in Deutschland angesichts von heißen Tagen im Frühsommer von einem Dürre- und Hitzesommer gesprochen, mit dem wir zu rechnen hätten. Stand Anfang August können wir sagen, dass der Sommer in Deutschland im Durchschnitt weder übermäßig heiß noch übermäßig trocken war und ist. Im Gegenteil, sorgt aktuell in vielen Teilen Deutschlands Regen für Ernteausfälle. Schon fragen manche angesichts des Dauerregen sarkastisch, wo denn der Dürresommer bleibt.

Das sollte doch dazu führen, dass in der öffentlichen Berichterstattung zwischen Klima und Wetter unterschieden wird und man nicht einzelne Wetterereignisse zum Gradmesser der generellen Klimaentwicklung macht. Zudem sollten die Ungleichzeitigkeiten im Wetter- und Klimageschehen stärker herausgestellt werden. So kann es durchaus zum Klimawandel gehören, dass es in einigen Regionen mehr regnet und es sogar in Mittel- und Westeuropa kälter werden könnte, wenn der Golfstrom sich grundlegend verändern sollte, wie es erst kürzlich wieder eine Studie prognostizierte.

Es wäre auf jeden Fall zielführender, wenn solche Unwägbarkeiten und Ungleichzeitigkeiten mehr in den Klimadiskurs Einzug hielten und die apokalyptischen Prophezeihungen verdrängen würden. Im Grunde ist es eher erstaunlich, dass eine großer Teil der Bevölkerung noch den sozialökologischen Umbau unterstützt, trotz des oft schlechten Stils, mit dem er beworben wurde. Insgesamt dokumentiert die Studie eine erstaunliche Aufgeklärtheit der Bevölkerung, die mit Recht befürchtet, dass auch dieser kapitalistische Umbau wieder auf ihren Schultern ausgetragen wird.

Da hilft nur eine kämpferische Interessenvertretung der Beschäftigten, die sich aber nicht gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung stellt, sondern gemeinsam gegen diejenigen agiert, die zurück zum fossilen Kapitalismus wollen. Es bräuchte eine gesellschaftliche Linke, die sich dieser Herausforderung stellt und den wirtschaftlichen Umbau mit der Frage der Klimagerechtigkeit verbindet. Gelingt das nicht, wird die Zahl derer stiegen, die den sozialökologischen Umbau als Bedrohung sehen. Die Parteien des fossilen Kapitals, zu denen auch die AfD gehört, stehen schon bereit. (Peter Nowak)