Ein Zusammenschluss diverser Gruppen kritisiert aus ökologischen und sozialen Gründen die Berliner Baupolitik

BÜNDNIS GEGEN ABRISS

Bei einer Bustour zu abrissbedrohten Häusern im April spielte die soziale Frage an mehreren Stationen eine wichtige Rolle. So berichtete eine langjährige Mieterin der Jagowstraße 35 in Moabit, wie in dem Haus bezahlbarer Wohnraum vernichtet werden soll. Der Eigentümer hat beim Bauamt einen Antrag auf Abriss des Vorderhauses und den Bau einer Tiefgarage gestellt. Der Seitenflügel soll teuer saniert werden.

Bauen, bauen, bauen, lautet noch immer das Motto der PolitikerInnen fast aller Parteien. In den letzten fünf Jahren sind in Berlin etwa 10.000 Wohnungen abgerissen worden. Dagegen regt sich Widerstand. „Wir haben das Bündnis gegen Abriss gegründet, um die große Zahl an bedrohten Gebäuden und BewohnerInnen in ganz Berlin deutlich zu machen und den Austausch untereinander zu ermöglichen. Wir wollen so die einzelnen lokalen Kämpfe um den Erhalt der Häuser stärken sowie eine generelle Kritik an der gegenwärtigen Praxis von Abriss und anschließendem Neubau üben“, betont Sebastian Díaz de León, einer der Mitbegründer des Bündnisses. Er geht ausführlich auf die ökologischen Argumente gegen den Häuserabriss ein. „Der Gebäudesektor verursacht …

… 40 Prozent des gesamten CO₂-Ausstoßes in Deutschland.“ Beim Abriss werde die beim Bau aufgewendete und seitdem im Gebäude gespeicherte „graue Energie“ freigesetzt (Rabe Ralf Dezember 2022, S. 12). Dazu komme, dass die Errichtung von Neubauten wieder Energie sowie wertvolle und schwindende Ressourcen verbrauche. „55 Prozent des gesamten deutschen Abfalls sind Bauabfälle und Abbruch-Abfälle“, betont Díaz. „Die Klimakrise verlangt nach einem radikalen Wandel im Umgang mit Bestandsgebäuden.“

Abriss bedeutet oft Verdrängung

Der Anti-Abriss-Aktivist stellt klar, dass er auch gegen den Neubau von Sozialwohnungen ist. Aber auch soziale Gründe sprechen für ihn gegen die Abrisspolitik. „Da bestehende Gebäude in der Regel durch sehr viel höherpreisigen Neubau ersetzt werden, bedeutet Abriss meist Verdrängung von Menschen mit geringeren Einkommen“, erklärt er. Er verweist auf einen Kiez in Berlin-Schöneberg. In den letzten Jahren seien beispielsweise die Mieten in der Kurfürstenstraße um rund 25 Prozent gestiegen.

Das Bündnis gegen Abriss fordert die Erhaltung beziehungsweise den Umbau von fünf Gebäuden entlang der Kurfürstenstraße. Im Februar organisierten im Bündnis organisierte Gruppen eine Demonstration, die unter dem Motto „Rettet die West-Platte“ vom U-Bahnhof Kurfürstenstraße zur Urania in der Nähe des Wittenbergplatzes zog. Die Parole soll ausdrücken, dass es Häuser in Plattenbauweise nicht nur in Ostberlin, sondern auch in Westberlin gibt und dass sie erhalten werden sollten.

Bei einer Bustour zu abrissbedrohten Häusern im April spielte die soziale Frage an mehreren Stationen eine wichtige Rolle. So berichtete eine langjährige Mieterin der Jagowstraße 35 in Moabit, wie in dem Haus bezahlbarer Wohnraum vernichtet werden soll. Der Eigentümer hat beim Bauamt einen Antrag auf Abriss des Vorderhauses und den Bau einer Tiefgarage gestellt. Der Seitenflügel soll teuer saniert werden. „Wir protestieren seit Jahren gegen die Entmietung“, sagt die Mieterin. „Oft werden wir gar nicht gehört, sodass ich manchmal Zweifel bekommen habe, ob wir noch in einem Rechtsstaat leben.“

Peter Nowak 

Weitere Informationen und Kontakt: www.sdiazdeleon.eu