Viele müssen 60 Euro Strafe zahlen, obwohl sie ein Sozialticket haben

BVG-Kontrollen: Das Berliner Schikaneticket

»Wenn jemand mit einem Sozialticket vergessen hat, die Kundenummer einzutragen, soll das ausdrücklich kein Anlass für eine Strafgebühr von 60 Euro sein«, erklärte Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) schon am vergangenen Dienstag während der Senatspressekonferenz und verwies auf Berichte von Nutzer*innen, die 60 Euro zahlen sollten, weil auf ihren Tickets die Kundennummer fehlte. Kipping verkündete auf der Konferenz nicht nur die Verlängerung des Neun-Euro-Sozialtickets bis Ende des Jahres, sondern auch die Verlängerung der Übergangsregel bis Ende April, nach der eine Kopie des Leistungsnachweises beim Sozialticket reicht. Zudem habe die BVG in Gesprächen zugesagt, dass Ticket-Kontrolleur*innen kulant vorgehen sollen, so die Sozialsenatorin.

»60 Euro Strafe für Nichts« – das steht auf den Schildern der Aktivist*innen, die sich am vergangenen Donnerstag vor dem BVG-Kundenzentrum in Friedrichshain versammelt haben. Sie wollen Aufmerksamkeit schaffen für ein Problem, das nun schon einige Berliner*innen betroffen hat: Obwohl sie bei Kontrollen im öffentlichen Nahverkehr ihr Sozialticket vorzeigten, müssen sie die Strafe für Fahren ohne gültigen Fahrschein bezahlen. Grund dafür ist das …

… bürokratische Chaos als Folge der Umstellung von Sozialticket und Berechtigungsnachweis. Denn das Sozialticket ist nur gültig mit VBB-Kundenkarte und eingetragener Kundennummer. Für die Kundenkarte brauchen Nutzer*innen aber den neuen Berechtigungsausweis, der oft erst nach Monaten von der Jobcenter-Zentrale in Nürnberg verschickt werde, so teilten die Aktivist*innen auf einem Flugblatt mit, welches über die ungerechten Strafen informiert.

Wenn man stattdessen das Aktenzeichen des letzten Bewilligungsbescheides eintrage und diesen in Kopie mitnehme, sei man auf die Kulanz der Kontrolleur*innen angewiesen. Habe man nur den Bewilligungsbescheid mit, aber das Aktenzeichen nicht eingetragen, dann drohen 60 Euro Strafe trotz Ticket, heißt es dort weiter. »Reine Verarsche – das neue Sozialticket ist ein bürokratisches Scheiß-Monster!«, das ist das Fazit des Flyers.

»Wenn jemand mit einem Sozialticket vergessen hat, die Kundenummer einzutragen, soll das ausdrücklich kein Anlass für eine Strafgebühr von 60 Euro sein«, erklärte Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) schon am vergangenen Dienstag während der Senatspressekonferenz und verwies auf Berichte von Nutzer*innen, die 60 Euro zahlen sollten, weil auf ihren Tickets die Kundennummer fehlte. Kipping verkündete auf der Konferenz nicht nur die Verlängerung des Neun-Euro-Sozialtickets bis Ende des Jahres, sondern auch die Verlängerung der Übergangsregel bis Ende April, nach der eine Kopie des Leistungsnachweises beim Sozialticket reicht. Zudem habe die BVG in Gesprächen zugesagt, dass Ticket-Kontrolleur*innen kulant vorgehen sollen, so die Sozialsenatorin.

Bei der BVG scheint das allerdings noch nicht angekommen zu sein. »Schon nach 15 Minuten haben wir Menschen getroffen, die auch trotz Sozialticket Strafe zahlen mussten. Auch weil sie nicht wussten, welche Nummer sie eintragen sollten«, erklärte einer der Sozialaktivist*innen zu »nd«.

Als ernüchternd beschreibt Max die Reaktion der BVG-Mitarbeiter*innen auf den Videoausschnitt mit Kippings Klarstellung aus der Senatspressekonferenz, den Max ihnen zeigen wollte. Ein Abteilungsleiter habe ihm erklärt, es gäbe keine Dienstanweisung, nach der Kontrolleur*innen Kulanz bei einer fehlenden Kundennummer zeigen sollen. Das Video mit der Stellungnahme der Sozialsenatorin reiche nicht als Beweis. Solange es keine schriftliche Anweisung gibt, sei nichts geklärt. Maximal wollte er Max eine Fristverlängerung geben, sodass er zunächst keine Post von einem Inkassobüro bekommt, wenn er die 60 Euro nicht fristgerecht zahlt.

»Eine der betroffenen Personen ist 74 Jahre und musste aus Spandau zum BVG-Kundenzentrum nach Berlin-Friedrichshain fahren. Das bedeutet Stress«, erklärt Pia von der Stadtteilgruppe gegenüber »nd«. Sie ist frustriert, dass nur die Fristen für die Zahlung der 60 Euro verlängert wurden, aber sich die BVG nicht darauf einlassen wollte, die Nachgebühr aus Kulanzgründen zu erlassen. Peter Nowak

Auf Grund der Artikel gab es diese Erklärung:

ehr geehrte Damen und Herren,

beendet die Schikanen mit dem Sozialticket! Mobilität muss für Anspruchsberechtigte möglich sein, sonst entsteht existenzielle Bedrängnis! 

Aufgrund unklarer Dienstanweisungen der Senatsverwaltung für Soziales gegenüber der BVG und S-Bahn kommt es derzeit zu vielen Strafen trotz vorhandenem Sozialticket. Es ist unklar welche Nummern auf dem Ticket eingetragen werden können. 
–    Einige tragen noch keine Nummer ein, weil sie noch keine VBB-Kundenkarte S haben und das ganze Antragschaos nicht verstehen und werden dann mit einem erhöhtem Beförderungsentgeld in Höhe von 60 € belangt. Was besonders in diesen Zeiten extrem heftig ist. 
–    Auch wird in einigen Fällen die eingetragene Nummer nicht akzeptiert oder der mitgeführte Leistungsbescheid nicht anerkannt. 
Wir fordern klare Dienstanweisungen der Senatsverwaltung an BVG und S-Bahn und eine erklärende Pressemitteilungen der Sachlage an alle Berliner*innen. 

Da ja viele Anspruchsberechtigte ihren Berechtigungsnachweis Berlin-Ticket S von den zuständigen Leistungsträgern noch immer nicht erhalten haben, fragen wir uns, ob es angedacht ist, die geltende Übergangsregelung über den 30.04.23 hinaus zu verlängern?
–    Wenn es keine Verlängerung der Übergangsregelung gibt, welche Möglichkeiten haben Anspruchsberechtigte dann um zeitnah an den Berechtigungsnachweis Berlin-Ticket S zu kommen? Es ist bekannt, dass gerade bei den Jobcentern, Sozialämtern und Wohngeldämtern mit langen Wartezeiten zu rechnen ist. 
–    Was ist, wenn man die digitale Anforderungen für die VBB Kundenkarte S nicht erfüllen kann?
–    Ab welchem Datum gibt es ein schriftliches Antragsverfahren?
Wir fordern, dass die bisherige Übergangslösung mindestens um drei Monate verlängert wird, damit definitiv alle anspruchsberechtigten den Berechtigungsnachweis erhalten haben und eine schriftliche Beantragung mit genügend Vorlauf möglich ist.

Unabhängig davon: Was ist eigentlich mit dem Datenschutz? Die online-Beantragung wurde erstmalig an eine externe Agentur ausgelagert. Ist der Datenschutz bei der von der BVG beauftragten Agentur überhaupt gewährleistet? Eine komplette digitale Identität muss übermittelt werden, inklusive Personalausweis, Foto und Berechtigungsnachweis.

Zum weiteren Hintergrund siehe:
https://twitter.com/nk_12049/status/1638826515197743108?cxt=HHwWiMDS7YuCpL4tAAAA
https://taz.de/!5921451/
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172171.sozialpolitik-strafen-trotz-sozialticket-bei-der-bvg.html