Die Polizei hat die Räume des Alternativradios RDL durchsucht. Schon seit seinen Anfängen steht der Sender im Visier der Polizei

Linke Geschichte

Geht man allerdings weiter in die Geschichte des Senders zurück, stößt man auf zwei weitere polizeili­che Razzien. Damals handelte es sich allerdings noch um einen Piraten­sender ohne offizielle Frequenz, der sich Radio Fessenheim nannte.1988 sendete RDL mit einer legalen Frequenz und wurde zum Pionier der Bewegung der Freien Radios

Der 17. Januar 2023 wird für die Mitarbeiter*innen des linken Freiburger Senders Radio Dreyeckland (RDL) wohl noch länger im Gedächtnis bleiben. Am frühen Morgen gegen 6.30 Uhr stand die Polizei mit einem Staats­ anwalt vor den Wohnungstüren der beiden RDL­Redakteure Andreas Rei­mann und Fabian Kienert. Sie präsentierte einen Durchsuchungsbe­fehl und beschlagnahmte Computer, Handy und andere Datenträger. We­nig später standen Polizei und Staats­anwaltschaft auch in den Räumen …

… des Senders RDL. Dort verzichteten sie allerdings auf die Beschlagnahme von Computer und Datenträgern, nach­ dem sich Fabian Kienert als Autor des inkriminierten Artikels vom 30. Juli 2022 zu erkennen gab, der Anlass für die Durchsuchung war. In diesem Ar­tikel wurde über die Einstellung des Verfahrens gegen die linke Internet­plattform Indymedia­Linksunten be­ richtet. Sie war im August 2017 we­ nige Wochen nach den teilweise mili­tanten Protesten gegen das G8­Treffen in Hamburg vom Bundesinnenminis­terium wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen verboten worden. Im Sommer letzten Jahres wurden alle Ermittlungsverfahren gegen die fünf Personen eingestellt, die von der Jus­tiz beschuldigt wurden, Indymedia­ Linksunten betrieben zu haben. Doch die linke Plattform blieb verboten. Da­ für hatten Unbekannte auf der Do­main ein Archiv eingerichtet, in dem Texte der inkriminierten Webseite do­kumentiert sind. Der Link auf dieses Archiv im RDL­ Artikel war der Anlass für den Durch­suchungsbeschluss, der bereits Mitte Dezember 2022 vom Amtsgericht Karlsruhe ausgestellt wurde. Nach de­ren Lesart hat sich der Autor des Arti­kels zum Sprachrohr der „verbotenen Vereinigung Indymedia­Linksunten“ und damit eines Verstoßes gegen das Vereinsverbot schuldig gemacht. Fa­bian Kienert erklärte gegenüber der taz, dass er im letzten Jahr eine Vor­ladung der Polizei erhalten hatte, um zum Vorwurf des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz Stellung zu nehmen. Er habe den Termin nach Rücksprache mit Jurist*innen nicht wahrgenommen. „Ich verspürte kein Bedürfnis, mich über meine redaktionelle Ar­beit mit dem Staatsschutz auszutau­schen“, erklärte Kienert.

Weder er noch sein Kollege And­reas Reimann haben in ihrer lang­ jährigen Arbeit seit den 1990er Jah­ren für den Sender eine solche Polizeimaßnahme erlebt, versicherten sie der taz. In Erinnerung geblie­ben ist beiden Journalisten aber ein Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129a – Bildung terroristischer Ver­einigungen – Mitte der 1990er Jahre. Dieses war gegen den Sender eingelei­tet worden, weil dieser damals den in der linken Szene beliebten Song „Hey, Rote Zora“ gespielt hatte. Der Name erinnerte nicht nur an eine beliebte weibliche Märchenfigur sondern auch an eine damals noch aktive militante feministische Gruppe. Das Verfahren wurde aber eingestellt, ohne dass es zu einer Durchsuchung gekommen war.

Geht man allerdings weiter in die Geschichte des Senders zurück, stößt man auf zwei weitere polizeili­che Razzien. Damals handelte es sich allerdings noch um einen Piraten­sender ohne offizielle Frequenz, der sich Radio Fessenheim nannte. Da­mals wollte der rechtskonservative Ministerpräsident mit NS­-Vergan­genheit Hans Filbinger bei Freiburg das Atomkraftwerk Wyhl errich­ten. Es bildete sich eine Opposition aus Winzer*innen und Landwirt*in­ nen aus der Region und der linksal­ternativen Szene Freiburgs. Der Sen­der wurde zu deren Sprachrohr. Bald gab es in Freiburg auch zahlreiche Hausbesetzungen, über die die Sen­der häufig berichtete. Ab 1988 sendete RDL mit einer legalen Frequenz und wurde zum Pionier der Bewegung der Freien Radios.

Innerlinke Konflikte wurden in den letzten Jahrzehnten auch schon mal mit Besetzungen der Senderäume aus­ getragen, so während des Golfkriegs 1991, als israelsolidarische Linke gegen Interviews protestierten, die mit an­ tisemitischen Stereotypen argumen­tierten. Bis heute hat der Sender in Freiburg und Umgebung eine stabile Unterstützung. Das zeigte sich in den letzten Tagen nach der Durchsuchung. Es kam zu zahlreichen Solidaritätser­klärungen. Menschen kamen direkt beim Sender vorbei, um den Mitar­ beiter*innen ihre Unterstützung aus­ zusprechen. Auf mehreren Kundge­bungen wurde in Freiburg gegen die Polizeimaßnahme protestiert.