Warum die in Spanien ansässige Plattform der Hypothekenbetroffenen bis heute ein internationales Vorbild für den Kampf um Wohnraum ist

Inspiration für viele Mietrebellen

Für die PAH war es eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung, ihre außer­par­la­men­ta­ri­schen Akti­vi­tä­ten fort­zu­set­zen und gleich­zei­tig die Stadt­re­gie­rung, die von einer ehe­ma­li­gen Akti­vis­tin ange­führt wird, von unten zu kon­trol­lie­ren. Dabei hat es die Orga­ni­sa­ti­on geschafft, wei­ter­hin ihre Stär­ke auch auf der Stra­ße zu behal­ten und sich nicht in admi­nis­tra­ti­ve Arbeit ein­bin­den zu las­sen.

Vie­le Mieter*innen, die sich gegen Ver­drän­gung weh­ren, bli­cken seit vie­len Jah­ren hoff­nungs­voll nach Spa­ni­en. Auch deut­sche Initia­ti­ven wie das Bünd­nis »Zwangs­räu­mung ver­hin­dern« und die Stadt­teil­in­itia­ti­ve »Hän­de weg vom Wed­ding« schau­en auf die dort ansäs­si­ge Platt­form der Hypo­the­ken­be­trof­fe­nen (PAH), die zu einer Inspi­ra­ti­on für vie­le Mietrebell*innen in ande­ren Städ­ten gewor­den ist. Auf der inter­na­tio­na­len Ent­eig­nungs­kon­fe­renz, die von Frei­tag bis Sonn­tag an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät in Ber­lin statt­fand, tausch­ten die­se Grup­pen ihre Erfah­run­gen aus. Doch was macht die PAH so erfolg­reich, wie sieht ihr Kon­zept aus? …

… Die Platt­form ent­stand wäh­rend der gro­ßen Pro­tes­te im Zuge der Finanz­kri­se vor mehr als zehn Jah­ren, als in den Län­dern der euro­päi­schen Peri­phe­rie, auch in Spa­ni­en, Zehn­tau­sen­de Men­schen auf die Stra­ße gegan­gen waren und Plät­ze besetzt hat­ten. Die­se spek­ta­ku­lä­ren Aktio­nen waren nach kur­zer Zeit wie­der abge­ebbt, gleich­wohl hat die PAH auch nach über zehn Jah­ren nicht an Anzie­hungs­kraft verloren.

Über die­se Platt­form tra­fen sich die Mieter*innen von meist klei­nen Eigen­tums­woh­nun­gen, was in Spa­ni­en die ver­brei­tets­te Wohn­form ist. Sie hat­ten für den Kauf ihrer Woh­nun­gen Kre­di­te auf­ge­nom­men, die sie wäh­rend der Wirt­schafts­kri­se nicht mehr zurück­zah­len konn­ten. Die Ban­ken bestan­den aber auf der ver­trags­mä­ßi­gen Beglei­chung der Raten und lie­ßen die Bewohner*innen räu­men, wenn sie in Ver­zug gera­ten waren. Die Mieter*innen ver­lo­ren dann nicht nur ihre Woh­nung, son­dern waren wei­ter­hin mit einem Schul­den­berg kon­fron­tiert. Denn die Kre­di­te muss­ten wei­ter abbe­zahlt wer­den, auch wenn die Woh­nung weg war.

Für vie­le Men­schen waren die­se trau­ma­ti­sie­ren­den Erfah­run­gen der Aus­gangs­punkt einer Poli­ti­sie­rung und prak­ti­schen Auf­klä­rung über den kapi­ta­lis­ti­schen Woh­nungs­markt. Dafür gab die PAH ihnen den Raum, in dem sie sich aus­tau­schen konn­ten und über­haupt erst ein­mal die Angst und die Scham ver­lo­ren, über den Ver­lust ihrer Woh­nun­gen zu berich­ten. »Das Herz der PAH ist die zen­tra­le Bera­tung, der Ort, an dem wir die Men­schen emp­fan­gen«, berich­te­te ein Spre­cher der PAH auf der Kon­fe­renz in Berlin.

Die Men­schen merk­ten, dass nicht sie die Schuld dafür tra­gen, dass sie ihre Woh­nun­gen ver­lo­ren hat­ten. Und dass nicht indi­vi­du­el­le, son­dern kol­lek­ti­ve Lösun­gen nötig sind, um ihre Situa­ti­on zu ver­bes­sern. Dabei ging die PAH zwei­glei­sig vor: Sie orga­ni­sier­te Pro­tes­te gegen Zwangs­räu­mun­gen und unter­stütz­te Beset­zun­gen von leer­ste­hen­den Gebäu­den für Men­schen, die bereits ihre Woh­nun­gen ver­lo­ren hat­ten. Neben die­ser außer­par­la­men­ta­ri­schen Arbeit mach­te die PAH aber auch mit Geset­zes­in­itia­ti­ven zuguns­ten der Mieter*innen Druck auf die Poli­tik. Dabei ver­ließ sie sich nicht auf die eta­blier­ten Par­tei­en, die im Zuge der Kri­se in Spa­ni­en stark an Ver­trau­en ein­ge­büßt hat­ten. Mit­glie­der der PAH betei­lig­ten sich an der Grün­dung von Bürger*innenlisten, die kon­kre­te For­de­run­gen der sozia­len Bewe­gun­gen vor allem in die Rat­häu­ser der Städ­te tra­gen woll­ten. In Bar­ce­lo­na gewann die Lis­te »Bar­ce­lo­na en comun« die Wah­len, und mit Ada Colau wur­de eine der Grün­de­rin­nen der PAH Bür­ger­meis­te­rin der kata­la­ni­schen Metropole.

Für die PAH war es eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung, ihre außer­par­la­men­ta­ri­schen Akti­vi­tä­ten fort­zu­set­zen und gleich­zei­tig die Stadt­re­gie­rung, die von einer ehe­ma­li­gen Akti­vis­tin ange­führt wird, von unten zu kon­trol­lie­ren. Dabei hat es die Orga­ni­sa­ti­on geschafft, wei­ter­hin ihre Stär­ke auch auf der Stra­ße zu behal­ten und sich nicht in admi­nis­tra­ti­ve Arbeit ein­bin­den zu las­sen. So ist die PAH auch heu­te noch ein leuch­ten­des Bei­spiel: nicht nur dafür, wie man Pro­tes­te von Mieter*innen lang­fris­tig orga­ni­siert, son­dern auch dafür, wie man sich von einer lin­ken Regie­rung nicht ver­ein­nah­men lässt, sie viel­mehr von unten kon­trol­liert und dabei wei­ter an Anse­hen in der Bevöl­ke­rung gewinnt. Die Rosa-Luxem­burg-Stif­tung hat ein Hand­buch über Geschich­te und Pra­xis der PAH erstellt, das hier kos­ten­los her­un­ter­ge­la­den wer­den kann.

https://www.rosalux.eu/de/article/2125.die-pah-ein-handbuch.html

Peter Nowak