Warum ist die Linke schwach? Eine Konferenz der Linken wirft viele Fragen auf

Wie kämpfen gegen die extreme Rechte?

Warum nutzen die Parteien der Linken in Europa nicht die Gelegenheit und kämpfen für eine Welt der Solidarität für alle Menschen, die nach Europa kommen wollen. Warum drucken sie nicht Plakate und Flyer mit diesen Motto? Warum organisieren sie nicht Schiffe und Fahrzeuge, in denen Geflüchteten von den EU-Grenzen aus Syrien und wo auch immer sie herkommen, so gut empfangen werden wie die Menschen aus der Ukraine? Würde das nicht die Linke wieder populär machen und wäre das nicht die beste Aktion gegen die Rechten, also genau das Thema der Konferenz? Dann müssten aber die dort Anwesenden mit einem Teil ihrer eigenen Basis und auch mit manchen ihrer Funktionäre in Konfrontation gehen, die in der Migration und nicht im Sterben an den EU-Grenzen das eigentliche Problem sehen.

„No Pasaran“ lautete die trotzige Parole einer Konferenz, die am vergangenen Wochenende in Berlin stattfand. Über viele Stunden diskutierten Linke auf Einladung der Links-Partei, gemeinsam mit der European Left und der Organisation transform Europe, über den …

… Aufstieg der extremen Rechten in Europa und die Methoden, wie sie gestoppt werden können.

In Griechenland konnte eine Nazipartei gestoppt werden

Beim Abschlusspanel berichtete die Abgeordnete der griechischen Linkspartei Syriza, Vasiliki Katrivanou, einen Erfolg gegen die extreme Rechte in ihrem Land, der in vielen anderen Ländern gar nicht so richtig wahrgenommen wurde.

Es geht um den Aufstieg und Fall der Neonazipartei Goldene Morgenröte. Sie war lange akzeptiert und viele Polizisten und Soldaten gehörten zu ihren Unterstützern. Doch nach dem Mord an dem linken Rapper Fyssas gab es eine Massenmobilisierung, die von Reformlinken bis zu den Anarchisten reichte. Sie erreichte es, dass die Führung der Neonazipartei angeklagt wurde. Die Partei wurde als kriminelle Organisation verboten und zahlreiche ihrer Funktionäre erhielten Haftstrafen.

Katrivanou betonte, dass ohne die Mobilisierung der Bevölkerung dieses Gerichtsurteil nicht möglich gewesen wäre. Schon am vergangenen Donnerstag wurde bei einer Vorführung des Films „Goldene Morgenröte – Unser aller Angelegenheit“ der große Erfolg betont, der das Ende der Neonazipartei Goldene Morgenröte für die antifaschistische Bewegung hat. Katrivanou wies aber auch daraufhin, dass in der gegenwärtigen griechischen konservativen Regierungspartei mindestens drei Minister sitzen, die Thesen der extremen Rechten vertreten.

Symbolische Friedenskonferenz in Guernica oder praktische Anti-Kriegsaktionen?

Das Abschlusspanel blieb dann doch sehr allgemein. Da wurden vor allem vom ehemaligen Laborvorsitzenden Jeremy Corbin, aber auch vom Präsidenten der Europäischen Linken, Heinz Bierbaum noch einmal vieles Richtige zur Kritik an der Austeritäts- und Corona-Politik gesagt.

Natürlich spielte auch der russische Einmarsch in der Ukraine eine Rolle auf der Konferenz. Allerdings setzten auch die Redner unterschiedliche Akzente. Während die Parteivorsitzende der Linken, Janine Wissler, am Eröffnungspanel den Einmarsch klar verurteilte und Russland als einzigen Verantwortlichen benannte, stellte der langjährige Friedensaktivist Reiner Braun die Vorgeschichte und dabei vor allem die Rolle der Nato in den Mittelpunkt seines kurzen Inputs.

Die beiden unterschiedlichen Positionen zusammengefasst hat dann Bierbaum, der sich positiv auf den Vorschlag aus der baskischen Linken bezog, die für die nächsten Monate eine Friedenskonferenz in Guernica plant. Nun ist die Stadt durch die Bombardierung durch die Legion Condor, mit der Nazideutschland in den Krieg gegen die spanische Revolution eingriff und das folgende Bild von Picasso, zu einem Symbol geworden.

Doch der Vorschlag macht auch das Dilemma der parlamentarischen Linken deutlich. Weit weg vom aktuellen Konflikt in der Ukraine stellt man sich eine Konferenz einige Monate später als symbolische Aktion vor. Da ist wenig vom Geist der Zimmerwalder Linken zu spüren, die sich 1915 auch an einem neutralen Ort, in der Schweiz, getroffen hat, die aber dazu aufriefen, den Krieg auf allen Seiten sofort zu beenden.

Das hätte aktuell bedeutet, die Soldaten beider Seiten zum Desertieren aufzurufen und an die Arbeiter aller Länder den Aufruf zu starten, keine Hand zu rühren für Rüstung und Krieg. Dass eine solche Forderung auch heute längst nicht so utopisch ist, wie sie sich anhört, zeigt sich in Italien.

Dort hat die Basisgewerkschaft Union Sindicale di Base aufgerufen als humanitäre Hilfe deklarierte Waffentransporte vom Flughafen Pisa in die Ukraine nicht durchzulassen.

Dass eine solche konkrete Antikriegsaktion auf der Konferenz der europäischen Linken mit keinen Wort erwähnt wurde, zeigt, dass die dortigen Kräfte wenig Kontakt zu den proletarischen Kräften auf der Straße haben, die den Krieg jetzt stoppen wollen und damit objektiv die Linke der Zimmerwalder Linken fortsetzen.

Kampf gegen die Rechte, weil die Linke keine Antworten mehr hat

Nur stellt sich diese Frage auch beim Kampf gegen die verschiedenen Spielarten der Rechten, die auf der Konferenz von vielen Referentinnen und Referenten gut analysiert wurden. Es wurde auch immer wieder von den verschiedenen Referentinnen betont, dass der beste Kampf gegen rechts eine zeitgemäße Klassenpolitik ist, die den Kampf der unterschiedlichen Minderheiten miteinschließt.

Die Rechte ist erstarkt, weil die Linke schwach ist. Das wurde von verschiedenen Referentinnen und Referenten aus allen Ländern betont. Doch warum ist die Linke schwach? Weil sie allzuoft zum Feigenblatt eines linksliberalen Kapitalismus wurde und es nicht mehr wagt, klare Positionen nicht nur gegen die Rechten, sondern auch die aktuell regierenden Parteien in der Europäischen Union zu finden. Daher war es erfrischend, die verschiedenen Rednerinnen und Redner zu hören, die in den zivilgesellschaftlichen und außerparlamentarischen Gruppen aktiv sind.

Es darf keine Geflüchtete erster und zweiter Klasse geben

Dabei waren aber auch wie die EU-Abgeordnete wie Cornelia Ernst, die unmissverständlich erklärte, es dürfe keine Flüchtlinge erster und zweiter Klasse geben.

Sie berichtete über ihre eigenen Erlebnisse als Abgeordnete, als sie die Außengrenzen der Festung Europas besuchte. „Vermummte Schlägertrupps in Kroatien zwingen Flüchtlinge nach Bosnien zurück.“ Ernst erinnerte auch daran, dass täglich an den EU-Grenzen Pushbacks stattfinden. Geflüchtete wurden, ohne Überprüfung ihrer Fluchtgründe in die Länder, aus denen sie fliehen, zurückgezwungen. Obwohl diese Methoden nach EU-Recht illegal sind, finden sie real täglich statt und werden auch immer weniger verheimlicht.

Ernst rechnet es der europäischen Linken als Erfolg an, dass ihre Fraktion eine Kommission zur Rolle der Grenzagentur Frontex bei diesen Pushbacks durchgesetzt hat.

Ergänzt wurde ihre aufrüttelnde Rede durch die Ausführungen des Migrationsforschers Muhammad Al Kashef und des Seenotretters Dariush Beigui. Er begann seine Rede mit der Erinnerung an einen vierjährigen Jungen aus Syrien, der im Grenzfluss zwischen Türkei und Griechenland ertrunken ist. Er gehörte zu einer Gruppe von Geflüchteten, die aus dem falschen Land kamen.

Sie kamen aus Syrien und sind, anders als die ukrainischen Flüchtlinge, im EU-Raum nicht willkommen. Eine Gruppe von syrischen Geflüchteten saß mehrere Tage auf einer Insel im Fluss fest. Deswegen beginnt demnächst der Strafprozess gegen Beigui, weil er als Kapitän des Seenotretterschiffs Juventus geholfen hat, Menschen zu retten.

„Wären Nachrichten denkbar, dass Flüchtlinge aus der Ukraine auf einer Insel festsitzen und sich nur von Gras ernähren?“, fragte Begui. Er erinnerte daran, dass Monate lang Menschen an der belorussisch-polnischen Grenze festsaßen. „Europa hat ihnen beim Erfrieren zugesehen“. Er erinnerte daran, dass für Geflüchtete im Mittelmeer in den kleinen Booten nicht das Ertrinken das Schlimmste ist, sondern das langsame Verhungern und Verdursten.

Die Überlebenden müssen damit klarkommen, dass neben ihnen ihre Freunde und Verwandte langsam gestorben sind. Beigui stellt dem die Hilfsbereitschaft und Solidarität gegenüber, mit denen die Flüchtlinge aus der Ukraine gerade empfangen werden.

Warum nutzen die Parteien der Linken in Europa nicht die Gelegenheit und kämpfen für eine Welt der Solidarität für alle Menschen, die nach Europa kommen wollen. Warum drucken sie nicht Plakate und Flyer mit diesen Motto? Warum organisieren sie nicht Schiffe und Fahrzeuge, in denen Geflüchteten von den EU-Grenzen aus Syrien und wo auch immer sie herkommen, so gut empfangen werden wie die Menschen aus der Ukraine?

Würde das nicht die Linke wieder populär machen und wäre das nicht die beste Aktion gegen die Rechten, also genau das Thema der Konferenz? Dann müssten aber die dort Anwesenden mit einem Teil ihrer eigenen Basis und auch mit manchen ihrer Funktionäre in Konfrontation gehen, die in der Migration und nicht im Sterben an den EU-Grenzen das eigentliche Problem sehen. Peter Nowak