Antifaschist verliert vor Gericht in Fulda

Wegen Polizeikritik verurteilt

Bei einer Demonstration im osthessischen Fulda hat ein Teilnehmer Rassismus in der Polizei angeprangert. Nun wurde er deswegen zu einer Geldstrafe verurteilt. Er habe die Beamten beleidigt, so der Richter.

»Nazis morden weiter und der Staat schiebt fleißig ab – es ist und bleibt schlussendlich das gleiche Rassistenpack!« So lautet der Refrain des Songs »In unseren Augen« von der bekannten antifaschistischen Band »Feine Sahne Fischfilet«. Diese Zeilen wurden am Freitag vor dem Landgericht Fulda von der Rechtsanwältin Annabelle Voßberg zitiert. Sie verteidigte dort Christopher W., der am zum vierten Mal im osthessischen Fulda vor Gericht stand, weil er dort auf einer antirassistischen Demonstration …

… am 13. April 2019 die dem Refrain des Songs sehr ähnelnde Parole »Bullen morden – der Staat schiebt ab – das ist das gleiche Rassistenpack« gerufen hatte.
Die Fuldaer Staatsanwaltschaft hatte gegen den Freispruch des Angeklagten im ersten Verfahren vor dem Fuldaer Amtsgericht Revision eingelegt. Danach entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, einen zweiten Revisionsprozess am Fuldaer Amtsgericht anzusetzen. Dort wurde Christopher W. schuldig gesprochen.
Allerdings wurde die Zahl der Tagessätze heruntergesetzt und die Geldstrafe innerhalb einer zweijährigen Bewährung – eine sogenannte Verwarnung auf Strafvorbehalt – ausgesprochen. Dagegen hatte die Oberstaatsanwaltschaft in Osthessen mit Erfolg erneut Berufung eingelegt. Christopher W. wurde nun zu 60 Tagessätzen a 30 Euro und der Übernahme der Gerichtskosten verurteilt. Der Richter warf dem Antifaschisten vor, durch das Skandieren der Parole für eine aggressive Stimmung auf der Demonstration gesorgt zu haben, weil viele Teilnehmer*innnen in den Slogan einstimmten.
Der 27-jährige Sozialpädagoge, der wegen Beleidigung und Verächtlichmachung von Polizeibeamten angeklagt war, verteidigte sich in einer Prozesserklärung. Er betonte, dass die Parole eine Kritik an rassistischen Strukturen in den Polizeibehörden war, die er solange wiederholen werde, wie diese Strukturen bestehen. Er verwies in seiner Erklärung auch auf den Anlass der Demonstration, den ersten Todestag von Matiullah Jabarkhel. Der Geflüchtete aus Afghanistan war am 13. April 2018 in der Nähe seiner Unterkunft in Fulda von einem Polizisten erschossen worden, nachdem er in einer Bäckerei randaliert hatte.
Ein Jahr später forderte das Afghan-Refugee-Movement, eine Selbstorganisation afghanischer Geflüchteter, in Fulda gemeinsam mit Antirassist*innen Gerechtigkeit für den getöteten Flüchtling. Das bedeutete vor allem die Wiederaufnahme des Verfahrens und ein Gedenkzeichen am Ort seines Todes. Dort hatte ein Polizist zwölf Kugeln auf den Geflüchteten abgefeuert, von denen ihn vier trafen und zwei tödlich waren. Zu den Polizisten, die Christopher W. wegen Beleidigung angezeigt hatten, gehörte auch der Todesschütze. Die Ermittlungen gegen den Beamten waren schnell eingestellt worden, weil er angeblich in Notwehrsituation gehandelt hatte. Peter Nowak

Erstveröffentlichungsort: