Dass die Polizei in Deutschland ein Problem mit extremen Rechten in ihren Reihen hat, ist nun längst keine Überraschung mehr, und auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Schon 2019 ist im wahrlich nicht linken Herder-Verlag unter dem Titel „Extreme Sicherheit“ ein Buch über …
… Rechte in Polizei, Bundeswehr, Verfassungsschutz und Justiz erschienen.
Wohl als Zugeständnis an das Klientel des Herder-Verlags wird im Untertitel der Begriff „Rechtsradikale“ verwendet. Das sollte sich eigentlich verbieten, weil radikal im Wortsinn an die Wurzel gehend heißt. Das ist für Rechte aller Couleur aber unzutreffend, denn wer Sündenböcke für ein Problem sucht, geht gerade nicht an dessen Wurzel.
Die beiden Herausgeber des Buches dürften um die Bedeutung der Begriffe wissen, gehören sie doch seit Jahrzehnten zu den Journalisten, die sich mit der rechten Szene in all ihren Facetten befassen: Matthias Meisner und Heike Kleffner, die schon in den 1990er Jahren als Journalistin bei der Frankfurter Rundschau durch ihre Recherche mit dafür gesorgt hat, dass die Zahlen über die Opfer rechter Gewalt korrigiert wurden. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Polizeibehörden viele rechte Angriffe nicht als solche aufgelistet hatten.
Ihr gemeinsames Buch „Extreme Sicherheit“ kann seit Kurzen auch für 4,50 Euro über die Bundeszentrale für politische Bildung bezogen werden, was natürlich den Kreis der Leser erweitern dürfte. Dass das Buch erst jetzt im Sortiment der bpb auftaucht, ist kein Zufall. Denn das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU) hatte sich eingeschaltet, wie ein auf der Plattform „Frag den Staat“ veröffentlichter Schriftwechsel zeigt.
Schließlich setzte das Ministerium durch, dass die bpb das Buch gemeinsam mit einem Begleitdossier veröffentlichte, das es „in den Kontext (…) zu den zahlreichen Maßnahmen der Bundesregierung zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in staatlichen Institutionen“ setzen soll, so die Begründung aus dem Innenministerium. Nun könnte man sagen, es ist doch positiv, dass eine Behörde, die sich der politischen Bildung verschrieben hat, auf dem neuesten Stand ist. Doch in diesem Fall handelt es sich um einen Eingriff in ein Buch, das 2019 erschienen ist und daher auch nur den Stand von damals ausdrücken kann.
Ministerium diktiert „Linksextremismus-Definition“
Es ist nicht das erste Mal, dass das Bundesinnenministerium so offen in die Arbeit der bpb eingreift. Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die Behörde dafür gesorgt hat, dass ein Satz nicht mehr auf der Homepage stehen darf, der so über die radikale Linke urteilt:
Im Unterschied zum Rechtsextremismus teilen sozialistische und kommunistische Bewegungen die liberalen Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – interpretieren sie aber auf ihre Weise um.
Dagegen liefen konservative Medien wie die Neue Zürcher Zeitung aus der Schweiz aber auch Bild und die Junge Freiheit Sturm. Die Springer-Presse hat sich schon lange auf die angeblich linkslastige bpb eingeschossen. Die Kampagne hatte Erfolg. Jetzt wird das Dossier Linksextremismus bei der bpb so eingeleitet:
Linksextremismus wird von den Sicherheitsbehörden wie folgt definiert: Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für alle gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen, die sich insbesondere in den Ideen von Anarchismus und Kommunismus ausdrücken.
Allen gemeinsam ist, dass die von ihnen als „Kapitalismus“ und „Obrigkeitsstaat“ bezeichnete bestehende demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung als Ursache aller vorhandenen Missstände gilt und deshalb im Wege einer gewaltsamen Revolution abzuschaffen ist. Zentrales Ziel ist, zunächst eine sozialistische Ordnung zu schaffen, um von dieser ausgehend letztlich ein klassenloses kommunistisches System zu errichten.
Die Anwendung von Gewalt wird in einer selbst zu definierenden revolutionären Phase für legitim und unverzichtbar angesehen. Es handelt sich demnach um Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind und die von ihr vertretenden Werte wie Freiheit und Gleichheit abschaffen wollen.
Faktische Arbeitsteilung
Der Politologe Michael Lührmann hatte auf Twitter über die geänderte Definition informiert. Er betonte dort, dass sich alle Rechten freuen, dass eine wissenschaftlich gedeckte Formulierung zu sozialistischen und kommunistischen Bewegungen auf ihren Druck hin verändert wurde. Es handelt sich hier um eine Arbeitsteilung von rechten Medien und Bloggern und einem Ministerium, bei dem sie ein offenes Ohr haben. (Peter Nowak)