Im letzten Jahr wurden im Zuge der antirassistischen Black Lives Matter Proteste in den USA und auch in Großbritannien zahlreiche kolonialistisch gelesene Denkmäler gestürzt oder umgestaltet. In Deutschland gab es dafür Beifall bis in liberale Kreise und Medien. Da konnte man schon bezweifeln, ob da wirklich immer antirassistische Motive dahinterstanden. Oder ob es vor allem darum ging, …
… den USA, Großbritannien und Frankreich ihre koloniale Vergangenheit vorzuwerfen. Denn viele derer, die so viel Verständnis für angewandte Kolonialkritik bei den Mächten hatten, die den Nationalsozialismus besiegten, betonten immer, dass Deutschland kein Kolonialismusproblem habe.
Auch Deutschland hat ein Kolonialismusproblem
Dagegen zeigte die Initiative Tear this down, die vom Peng-Kollektiv und der Initiative Schwarzer Deutscher getragen wurde, dass Deutschland sehr wohl ein Kolonialismusproblem hat. Auf einer interaktiven Karte werden die verschiedenen kolonialen Spuren in Deutschland aufgelistet.
Es geht vor allem um Straßennamen und Denkmäler, die an Kolonialoffiziere und Kolonialpolitiker erinnern. Die Karte soll immer wieder ergänzt werden. Es wird dazu aufgerufen, weitere koloniale Spuren zu melden.
Diese Kolonialismuskritik hatte jetzt nun strafrechtliche Folgen. Die Polizei hat am Donnerstag in Berlin und Leipzig die Büroräume des Peng-Kollektivs und die Wohnungen von zwei Mitgliedern des Kollektivs durchsucht. Dabei hat die Polizei unter anderem Computer, Festplatten und Aktenordner beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Aufforderung zu Straftaten.
Vor allem diese Passage soll strafrechtlich relevant sein:
Wer wird da eigentlich wofür geehrt? Verbrecher für Verbrechen, das geht nicht! Kopf ab, Runter vom Sockel, Farbe drauf, Schild drüber – die Möglichkeiten sind vielfältig. Aber markieren reicht nicht, wir suchen andere Formen. Vieles kann ein Denkmal sein und im Zweifelsfall macht es sich im Wasser treibend auch ganz gut.
Kampagnenseite „Tear this down“
Die Ermittlungsbehörden versuchen nun eine Verbindung zwischen der Kampagnenseite und sieben Sachbeschädigungen an Kolonialdenkmälern in Berlin herzustellen. Ein Mitglied des Peng-Kollektivs wird in der taz so zitiert:
Die Polizei behauptet, unbekannte Täter, die Kolonialstatuen verschönert haben, hätten sich auf uns bezogen. Wie viel absurder kann man es noch konstruieren?
Mitglied des Peng-Kollektivs, taz
Politisches Interesse an der Verfolgung
Die Rechtsanwältin Christiane Lüth, die einen der von der Razzia Betroffenen vertritt, sieht ein politisches Interesse an der Verfolgung wegen eines eigentlich eher geringfügigen Vorwurfs. Das erinnert an den jahrelangen Verfolgungseifer der Justiz gegen eine Kommunikationsguerilla, die Bundeswehrplakate satirisch verfremdet.
Allerdings führte die Verfolgung dazu, dass die Adbusting-Aktionen sich sogar noch mehr verbreiten. Es wird sich zeigen, ob die Razzia beim Peng-Kollektiv zur Zunahme angewandter Kolonialismuskritik führt. (Peter Nowak)
https://www.heise.de/tp/features/Ist-Kolonialismuskritik-strafbar-6141054.html