Softwareentwickler kämpft in Baden-Württemberg gegen Vorwürfe, die zur Kündigung führten

Mit dem Router ins Internet

Verfolgt wurde die Verhandlung von über 20 Menschen, die sich vor Prozessbeginn zu einer Kundgebung vor dem Arbeitsgericht getroffen hatten. Einige trugen Schilder mit der Aufschrift »Solidarität mit Gerald« und »Arbeiter sind keine Sklaven«. Aufgerufen zum Prozessbesuch wurde über die Initiative Arbeitsunrecht.

Der Willi-Bleicher-Platz in Stuttgart ist nach einem Widerstandskämpfer und Gewerkschafter benannt. »Du sollst dich nie vor einem lebenden Menschen bücken« – das Motto Bleichers ist auch die Maxime von Gerald D. »Ich habe auch an meinen Arbeitsplatz nie den Kopf ausgeschaltet«, erklärte der Softwareentwickler am Dienstag vor dem Stuttgarter Arbeitsgericht, das sein Domizil am Bleicher-Platz hat. Dort kämpfte Gerald D…….

….. gegen seine Kündigung. Er hat seit 2008 beim mittelständischen Unternehmen Eltako GmbH gearbeitet, das Marktführer bei Beleuchtungskonzepten ist. Der offizielle Kündigungsgrund lautete, D. sei gegen den Willen des Unternehmens mit einen Router ins Internet gegangen. Firmengeschäftsführer Ulrich Ziegler sah darin eine Gefahr für sein Unternehmen und warf D. gar vor, die Firma schädigen zu wollen.
D. hingegen erklärte, dass es sich bei der aktuellen Kündigung um die Zuspitzung eines Arbeitskonflikts handelt, der 2012 begonnen habe. Damals wurde ihm mit der Begründung gekündigt, seine Arbeitsleistung sei ungenügend. Dabei seien der Firma seine gesundheitlichen Probleme bekannt gewesen. Eine Kündigung habe er kurz vor Weihnachten 2012 in die Rehaklinik geschickt bekommen. Die Arbeitsgerichte wiesen diese und eine weitere Kündigung zurück. D. konnte wieder in die Firma. Doch er durfte nicht mehr an seinen Arbeitsplatz. Seine Arbeitsbedingungen schilderte er vor dem Arbeitsgericht: »Ohne vertragsgerechte Aufgaben, isoliert von Kollegen und ohne Internetzugang habe ich eineinhalb Jahre immer wieder gefordert, dass ich Bedingungen erhalte, damit ich entsprechend meinem Arbeitsvertrag als Softwareentwickler arbeiten kann.« Erst als die Schreiben unbeantwortet blieben oder abgelehnt wurden, habe er den Router angeschlossen, um sich auf der Forumseite des Unternehmens über die aktuellen technischen Entwicklungen der Firmenprodukte zu informieren. Eine Gefahr für das firmeneigene Internet sei nicht gegeben gewesen, betonte er.
Ziegler bestritt gar nicht, dass der Kläger unter Sonderbedingungen beschäftigt worden sei, nachdem er seine Kündigungsprozesse gewonnen hatte. D. habe nicht die Anforderungen erfüllt, die er an einen professionellen Softwareentwickler stelle. Es sei D. auch untersagt gewesen, sich ins firmeneigene Internet einzuloggen. Dass D. das Verbot missachtet hat und vor Gericht erklärte, als Softwareentwickler habe er ein Recht auf einen Internetzugang, sind für Ziegler und seinen Anwalt Kündigungsgründe.

Verfolgt wurde die Verhandlung von über 20 Menschen, die sich vor Prozessbeginn zu einer Kundgebung vor dem Arbeitsgericht getroffen hatten. Einige trugen Schilder mit der Aufschrift »Solidarität mit Gerald« und »Arbeiter sind keine Sklaven«. Aufgerufen zum Prozessbesuch wurde über die Initiative Arbeitsunrecht. »Zwei Jahre lang forderte Gerald D. eine vertragsgerechte Arbeit. Um sich wenigstens entsprechend seiner Anstellung als Elektronikentwickler informieren zu können, kümmerte er sich schließlich selbstständig um einen Internetzugang. Die Geschäftsleitung sprach dafür im Dezember 2017 prompt die fristlose und dritte Kündigung aus«, kritisierte Jessica Reisner von der Initiative gegen Mobbing von Lohnabhängigen.Viele Menschen, die dem Aufruf folgten, waren über 50. »Ältere Menschen gelten schnell als Minderleister und werden von Jüngeren ersetzt, die sich alles gefallen lassen«, sagte ein Besucher. Gerald D. bat im Schlusswort die Richterin, beim Urteil zu berücksichtigen, dass er mit 55 Jahren kaum noch eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt habe. Zudem solle sie auch Arbeitgeber an ihre Pflichten erinnern, einen dem Arbeitsvertrag entsprechenden Arbeitsplatz einzurichten. Die ließ aber durchblicken, dass die Kündigung wohl Bestand haben werde. Bei Redaktionsschluss war das Urteil noch nicht gesprochen.

Peter Nowak