Protestfrühstück in der Tucholskystraße 30: Das vor 30 Jahren besetzte, unsanierte Haus in Mitte ist Teil der Protestgeschichte

Angst vor der Vertreibung

Misstrauen erregt bei den Bewohner*innen auch, dass sich die Hausverwaltung be­ reits für Anfang September an­ gesagt hat und den Dachboden beräumen lassen wollte.

Ein Büfett vor der Tucholsky­straße 30 ist nicht ungewöhn­lich. Schließlich gibt es hier in Mitte eine Menge Restaurants. Doch das Büfett am Montag­ mittag war kostenlos und hatte einen ernsten politischen Hin­tergrund: Die Bewohner*innen und Nutzer*innen des Hauses befürchten die Vertreibung. Für Mittwoch hat sich die Hausverwaltung angekündigt und will prüfen, ob das Ge­bäude ….

….. noch bewohnbar ist. Das Haus gehört der Uferhallen AG, die sowohl die Tucholskystraße 30 als auch das Nachbarhaus erworben haben. Dahinter stehen die Samwer-Brüder, die sich in der Berliner Immobilienwirtschaft den Ruf erworben haben, Mieter*innen aus Profitgründen zu vertreiben. Dahinter stehen die Samwer­ Brüder, die sich in der Berliner Immobili­enwirtschaft den Ruf erworben haben, Mieter*innen aus Profit­ gründen zu vertreiben.

So sehen die Bewohner*innen der Tucholskystraße auch in der angeblichen Sorge für Leib und Leben der Bewohner*innen ei­nen Vorwand für eine schnelle Räumung ohne Rücksicht auf bestehende Verträge. Die Mieter*innen haben dagegen kaum eine juristische Hand­ habe. Doch die Bewohner*innender Tucholskystraße wollen sich nicht vertreiben lassen.

„In den letzten Tagen war bei uns große Aufregung“, erklärte einer der Mieter. Namentlich zitieren lassen will er sich, wie alle Bewohner*innen, nicht. Die Angst vor den Eigentümer ist groß. Man habe auf eigene Kos­ten Gutachter beauftragt, die eine Räumungsgefahr vernei­nen. Zudem wurden notwen­dige Reparaturen erledigt. Doch die Verwalter des Hauses wollen am kommenden Mittwoch sel­ber prüfen, ob das Gebäude be­wohnbar ist.

Unter großem Druck

Misstrauen erregt bei den Bewohner*innen auch, dass sich die Hausverwaltung be­reits für Anfang September an­ gesagt hat und den Dachboden beräumen lassen wollte. Auch damals luden die Mieter*innen zu einem Protestfrühstück ein(taz berichtete). Der Termin ver­ strich ohne den angekündigten Besuch. Doch auch wenn der Termin am Mittwoch ebenso glimpflich ausgehen sollte, ist den Bewohner*innen klar, dass sie unter einem großen Druck stehen. Die Tucholskystraße 30 ist noch eines der wenigen unsa­nierten Gebäude in Mitte. Dort gibt es noch Ofenheizungen, Weinreben schmiegen sich an die Mauern. Wenn es nach dem Willen der Verwaltung geht, sollen die sofort entfernt werden. Doch die Bewohner*innen wol­len gerade den ursprünglichen Zustand des Hauses gegen die Sanierungspläne verteidigen. „Viele andere Häuser werden schließlich teuer saniert, und dann wird für ebenso viel Geld die Fassade so hergerichtet, dass sie alt aussieht. Mit der Tuchols­kystraße 30 hingegen gibt es noch ein Haus im ursprüngli­chen Zustand“, meint ein Mieter.

Davon wollen die Bewohne­r*innen in der nächsten Zeit Architekt*innen und Politike­r*innen überzeugen. Sie sind auch auf ein Hoffest eingeladen, dass in der Tucholskystraße 30 am 3. Oktober stattfinden soll. Zudem ist eine Ausstellung über die Geschichte des Hauses in Vorbereitung – und die ist auch eine Geschichte der Ber­liner Besetzer*innenbewegung in Ostberlin: Die Tucholsky­straße 30 wurde im Frühjahr 1990 besetzt. In Mitte erinnert nur noch wenig daran, nach­ dem auch das Tacheles endgültig Geschichte ist. So könnte die Tucholskystraße 30 ein leben­ des Denkmal für eine verges­sene Protestgeschichte werden.

Peter Nowak