Ideal Versicherung kehrt von ihren Hostelplänen in Kreuzberg ab

Etappensieg mit unklarem Ausgang

Anfang 2019 war bekannt geworden, dass die Ideal Lebensversicherung a.G. ein Hostel mit Einkaufszentrum auf dem Grundstück Mariannenstraße Ecke Skalitzer Straße errichten wollte. Die Initiative „Nohostel36“ organisierte Mitte Februar eine Kundgebung gegen die Baupläne und die weitere Touristifizierung Kreuzbergs. Wenige Tage später waren die Hostelpläne vom Tisch.

„Die Ideal Lebensversicherung a.G. beabsichtigt, die Flächen bevorzugt im Bezirk bereits ansässigen Unternehmen, u.a. Unternehmen mit gemeinwohlorientierten und sozialen Ansätzen anzubieten“, hieß es in einer Pressemitteilung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg vom 18. Februar. „Es ist auf jeden Fall positiv, dass die Hostelpläne jetzt vom Tisch sind“, meint die Aktivistin Marianne Walter. Doch die Initiative fordert weiterhin eine ….

….zu 100% gemeinwohlorientierte Nutzung des Geländes. Daher hat sie Anfang April auch vor dem Sitz der Ideal in der Kochstraße demonstriert. Zudem wirft der scheinbar schnelle Erfolg der Initiative für Marianne Walter einige Fragen auf. Sie sieht sich von Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne) irreführend informiert: „Schmidt hat uns geraten, gegen die Hostelpläne zu protestieren. Dann bestünde die Chance, dass wir sie auch tatsächlich verhindern könnten. Erst später haben wir erfahren, dass auch die Ideal kein großes Interesse an dem Bau des Hostels hatte“. Sie bezieht sich auf eine Stellungnahme, die die Versicherung am 14. Februar als Reaktion auf die Proteste gegen das geplante Hostel auf Facebook veröffentlicht hatte. „Wir haben dem Bezirk in mehreren Gesprächen Alternativnutzungen im Hinblick auf den Bau eines Büro- und Geschäftshauses vorgeschlagen. Zwei Bauvoranfragen wurden vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg negativ beschieden. Beide Ablehnungen liegen dem Senat zur Widerspruchsprüfung vor. Eigene Vorschläge im Hinblick auf eine alternative Bebauung hat der Bezirk bislang weder informell noch formell vorgelegt“, schrieb die Ideal. Diese Version wird auch von Sara Lühmann, der Pressesprecherin des Bezirks, bestätigt. Das Grundstück Mariannenstraße/Skalitzer Straße sei samt Baugenehmigung für ein Hotel von der Ideal gekauft worden. „Die derzeitige Eigentümerin reichte bereits zwei Bauanträge für hauptsächliche Büronutzungen ein, die beide nicht genehmigungsfähig waren“, erklärte Lühmann gegenüber dem MieterEcho. Als Grund nennt die Pressesprecherin massive Abweichungen vom geltenden Planungsrecht, die städtebaulich nicht vertretbar gewesen seien. Der Protest der Anwohner/innen gegen den Hostelbau sorgte also nicht für Druck auf die Ideal, wie Schmidt suggerierte, sondern erleichterte dem Bezirk von den Plänen Abstand zu nehmen, die weder von der Ideal favorisiert wurden noch den Anwohner/innen vermittelbar waren.

Warum keine Wohnungen?

Während der Kundgebung gegen das Hostel stellten Anwohner/innen die Frage, ob es Überlegungen gäbe, preisgünstige Wohnungen auf dem Grundstück zu errichten. „Der gesamte Block ist ein beschränktes Arbeitsgebiet, gemäß Baunutzungsplan. Im beschränkten Arbeitsgebiet sind Wohnungen nicht zulässig“, erklärte Lühmann. Konkret schließe ein metallverarbeitender Betrieb den Bau von Wohnungen aus. „Aufgrund der Seveso-III-Richtlinie sind Wohnhäuser im gutachterlich
ermittelten angemessenen Abstand, – das meint einen Umkreis von 100 Metern –zum Galvanik-Betrieb in der Oranienstraße 189 nicht zulässig“.  Eine Anwohnerin entgegnet auf der Kundgebung: „Ich wohne schon seit Jahren im Nachbarhaus der Oranienstraße 189. Mit mir hat noch niemand gesprochen, ob der Betrieb vielleicht unsere Gesundheit gefährden könnte.“ In ihrem Haus würden auch Familien mit kleinen Kindern wohnen. Doch rechtlich ist die Situation wohl nicht zu beanstanden. „Die Seveso-III-Richtlinie erstreckt sich auf die Zulassung von zusätzlichen Wohnhäusern und nicht auf den Bestand“, so Lühmann. Die Auseinandersetzung um eine sinnvolle Nutzung des Areals ist also keineswegs beendet.

Peter Nowak