Wenn eine Schlagzeile mehr zum apokalyptischen Denken als zu den Fakten passt

Wenn die Trockenheit anhält, droht ein Dürresommer

Kommentar: Wie sich Wetterspekulationen verselbständigen und den Klimawandelleugnern in die Hände spielen

„Droht ein neuer Dürresommer?“ Wenigstens hatte die Tagesschau hier noch ein Fragezeichen gesetzt. Die Bildzeitung ersparte sich das und verkündete unheilschwanger: „Sommer 2019 – Deutschland droht ein neuer Hitzerekord“. Viele andere Medien hatten Ende April ähnliche Beiträge veröffentlicht, in denen schnell der Zusammenhang zwischen Klimawandel und den drohenden Dürresommer 2019 hergestellt wurde.

So schrieb Wolfgang Pomrehn an dieser Stelle: „Wir können jetzt den Klimawandel live erleben. Der April 2019 ist hierzulande der 13. zu warme Monat in Folge. Das hat es in Deutschland seit 1881 noch nie gegeben.

Wie die Tagesschau setzte auch Pomrehn hinter die Prognose über einen möglichen Dürresommer ein Fragezeichen. Das ist auch sehr sinnvoll. Denn, was bei den vielen Meldungen über den drohenden Dürresommer vergessen wurde: Es ist gar nicht möglich, ….

…..solche Prognosen mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu machen. Dafür ist das Wettergeschehen viel zu komplex.Die Grundlage der Meldungen war eine Pressemitteilung des Deutschen Wetterdienstes, in der im Mittelpunkt stand, dass die Niederschlagsdefizite des letzten Jahres noch nicht ausgeglichen worden seien.

In vielen Regionen Deutschlands sind 2019 zum Start der Vegetationsperiode die Böden viel trockener als im vieljährigen Durchschnitt. Zum Vergleich: Selbst im Dürrejahr 2018 lagen nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) die Bodenfeuchtewerte im April deutlich über den aktuellen Werten dieses Jahres.Deutscher Wetterdienst

Und wenn es doch regnet?

Hier ging es um einen auf Fakten basierenden Bericht. Doch dann folgte ein Satz, der wohl in großen Teilen der Medien nicht wahrgenommen wurde.

Dr. Udo Busch, Leiter Agrarmeteorologie des DWD: „Sollte die trockene Witterung in den kommenden Monaten anhalten, könnte sich die Dürre des Jahres 2018 wiederholen oder sogar übertroffen werden.“ Dann würde die Landwirtschaft in Deutschland auch 2019 wieder mit Ertragseinbußen rechnen müssen. Außerdem könnten in diesem Jahr auch Wälder und Pflanzen mit Wurzeln, die die Feuchtigkeit in tieferen Bodenschichten anzapfen, betroffen sein.Deutscher Wetterdienst

Mittlerweile ist gleich unter der Überschrift noch mal die zentrale Message dieses Abschnittes abgedruckt: „Hält die Trockenheit an, droht der nächste Dürresommer in Deutschland“. In der Pressemitteilung gibt es keinerlei Hinweis, für wie wahrscheinlich eine anhaltende Trockenheit gehalten wird. Das ist auch verständlich, weil eben Wetterprognosen über einen längeren Zeitraum extrem unsicher sind. Der Deutsche Wetterdienst hat also keineswegs einen Dürresommer 2019 in Mitteleuropa prognostiziert, er hat vielmehr korrekt darauf hingewiesen, dass ein solcher Dürresommer droht, wenn die momentane Trockenheit anhält.

Zudem wurde korrekt beschrieben, dass die Effekte eines solchen Dürresommer in diesem Jahr noch schwerwiegender sein könnten, wenn denn die Trockenheit anhält. Aber, was ist, wenn es doch Regen gibt? Dann wäre wohl die Warnung vor einem Dürresommer 2019 obsolet, nicht aber die Warnungen vor den Folgen des vom Kapitalismus gemachten Klimawandels.

Passt ein Dürresommer nicht in apokalyptische Vorstellungen?

Die Frage muss man sich schon stellen, warum in vielen Medien der Dürresommer fälschlicherweise als Prognose des Deutschen Wetterdienstes hingestellt und die Möglichkeitsform des Satzes nicht bedacht wurde. Nun hat das sicher damit zu tun, dass ein solcher Dürresommer ja sehr gut passen würde, zu der Berichterstattung über eine sich dramatisch zuspitzende Klimakrise. Apokalyptische Vorstellungen finden nicht nur bei der neuen Jugendumweltbewegung Anklang.

Da wird eine Bewegung gegen das Aussterben organisiert und Sanduhren werden auf Demonstrationen mitgeführt, die zeigen sollen, dass den Menschen die Zeit wegläuft. In ein solches Szenario würde ein Dürresommer, der Mitteleuropa zur Wüste macht, natürlich gut passen. Hier dürfte auch der Grund zu finden sein, dass diese Prognose so wenig hinterfragt wurde.

Mittlerweile ist auch die Bildzeitung wieder etwas zurückgerudert.

Eine sommerliche Meldung und ihre extremen Folgen: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) verkündete vor ein paar Tagen einen bevorstehenden Dürresommer. Der Aufschrei war groß: Wie bitte? Darf das? Geht das? 

Der Mitteilung des DWD ging eigentlich am 24. April eher unbeachtet raus. In der Nacht kam dann die Agenturmeldung dazu. Und die Warnung vor dem Dürresommer. Viele Medien, auch BILD, zitierten aus der Meldung. 

Stunden später ergänzte der DWD die nächtliche Agenturmeldung: Es sollte klargestellt werden, dass nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes ein neuer Dürresommer bevorstehen könnte, falls die Trockenheit in den nächsten Monaten anhalte.Bild-Zeitung

Auch in der Korrektur bleibt Bild bei der falschen Darstellung, dass der Deutsche Wetterdienst einen bevorstehenden Dürresommer verkündet hätte und erst nachträglich eingefügt hat, dass die Prognose eintreffen kann, wenn sich die Trockenheit fortsetzt. 

Tatsächlich hat der Deutsche Wetterdienst diese wichtige Voraussetzung nachträglich in der Unterüberschrift klargestellt. Doch im Text stand schon von Anfang an, dass der Dürresommer eintreten könnte, wenn die momentane Trockenheit anhält.

„Im Volkswagen durch die Sahelzone“

Der Kommentator Arno Orzessek hat im Deutschlandfunk die Falschinterpretion in einer Glosse über die Lust an der Katastrophe verarbeitet:

Vielleicht – Gott bewahre! – werden einige von uns während heftiger August-Unwetter in überspülten Kanalisationen ertrinken und in ihr bitteres Todesröcheln medienkritische Untertöne mischen: Von wegen, gluck, gluck, „Wüste vor der Haustür“, gluck, gluck, gluck… Man ahnt, wie dann die Überschriften lauten: „Erste Dürre-Opfer ertrunken“, „Sintflut in der Sahara“, „Mega-feuchte Trockenheit ausgebrochen“.Arno Orzessek, Deutschlandfunk

Einerseits hat er in der Glosse gut das alarmistische Denken aufs Korn genommen. Da passt ein erneuter Dürresommer natürlich gut, wenn die Prognose angeblich vom seriösen Deutschen Wetterdienst kommt, und es wird dann gerne mal übersehen, dass von dort gar keine Wetterprognose für den Sommer 2019 kommen kann.

Doch Orzesseks Glosse macht auch die Gefahr deutlich, die ein Alarmismus hat, der es im Dienst für die angeblich guten Sache mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Denn Orzessek reiht in seiner Glosse auch viele bei Klimaleugnern beliebte Klischees aneinander. Dass es gut möglich ist, dass auch in Zeiten von Niederschlagsarmut Menschen ertrinken können, ist schon lange bekannt.

Denn heftige Gewitter nach langen Trockenphasen können ausgetrocknete Bäche schnell anschwellen lassen und die trockenen Böden können das Wasser schwerer aufnehmen. So kann dann der wolkenbruchartige Regen wiederum schneller zu Überschwemmungen führen. Was Orzessek hier gegen falschen Alarmismus anführt, ist also keinesfalls ein Argument gegen den Klimawandel. Trotzdem wird natürlich auch Orzesseks Beitrag gerne von diesen Kreisen goutiert, und er hat auch in seiner Glosse manches dafür getan, dass auch Rechte sich vor Lachen auf die Schenkel klopfen. Schließlich musste er auch noch eine Polemik gegen Gendersternchen mit in die Glosse mischen.

Das Beispiel zeigt aber einmal mehr, dass jeder Fehler auf Seiten derer, die die Situation besonders drastisch ausmalen, um angeblich schnellere Erfolge bei der Umstellung der Gesellschaft auf den Klimawandel zu erreichen, tatsächlich das Gegenteil bewirken kann. Sie liefern denen Gratisargumente, die sich ihr bisheriges Leben mit SUV in der Tiefgarage und fetten Schweinebraten am Mittagstisch von Klimadebatten nicht vermiesen lassen wollen.

Peter Nowak