Inside Pegida

Der Film „Montags in Dresden“ liefert gute Einblicke in das Gedankengut einer wachsenden rechten Bewegung und eine Antwort auf die Frage, was die DDR mit Pegida zu tun hat

Es war in den frühen 1990er Jahren, als sich die Früchte des nationalen Aufbruchs in Deutschland zeigten und Neonazis für viele Menschen zu einer realen Gefahr wurden. Da sorgte der Film Stau jetzt geht’s los[1] von dem Regisseur Thomas Heise für heftige Diskussionen.

Der ging da hin, wo die meist jungen Rechten ihr Unwesen trieben und zeigte, wie sie ihre Freizeit verbrachten, also die Zeit, wenn gerade niemand da war, den sie zum Opfer machen, demütigen, anpöbeln oder schlagen konnten.

Der Film zeigt Neonazis privat. Am Ende greifen sie dann ein linkes Jugendzentrum an. Der Film verzichtete auf Kommentare und es kamen auch ihre Gegner nicht groß ins Bild. Darf man Nazis unplugged zeigen? Die Frage beschäftigte damals verschiedene Antifagruppen.

Anlässlich einer Filmvorführung im Kino Babylon Mitte wurden die Kontroversen deutlich. Es gab Antifaschisten, die diesen Film begrüßten, weil er eine Realität zeigt, wie sie damals in vielen Städten existierte, und es gab andere, die in dem Film Propaganda für die Rechten sahen.

Heute sind die Kontroversen weitgehend vergessen und wer den Film heute sieht, kann sie auch nicht so recht nachvollziehen. Heute gilt er als eine der wenigen Dokumentarfilme über die Neonaziszene vor fast 30 Jahren.

Keine Wendeverlierer

Nun hat die Regisseurin Sabine Michel die Arbeit von Thomas Heise fortgeschrieben und dokumentiert in ihrem Film Montags in Dresden[2]drei Protagonisten der Pegida-Bewegung. Sie sind seit Jahren in der Bewegung aktiv, übernehmen dort wichtige Funktionen und sie sind, auch das wird im Film deutlich, Teil eines gewachsenen rechten Netzwerks, dass sich eben nicht nur Montags in Dresden trifft.

Da ist Sabine Ban, die ihre Aktivitäten in der rechten Szene mit der anstrengenden Pflegearbeit für ihren Sohn mit Handicap verbinden muss. Rene Jahn, der zum engeren Pegida-Vorstand gehörte, sich zwischenzeitlich mit dem selbsternannten Pegida-Chef Lutz Bachmann überworfen hatte[3], aber schon längst wieder bei Pegida mitmischt. Persönliche Animositäten sind schließlich auch in der rechten Szene kein Hinderungsgrund für eine pragmatische Zusammenarbeit, wenn es der politischen Sache dient.

Jahn hat bei Pegida auch seine heutige Ehefrau kennengelernt, die sich im Film als langjährige Freundin von Bachmann vorstellt. Zur rechten Schulung trifft sich Jahn bei Veranstaltungen bei Pro Patria Pirna[4], einer christlich-fundamentalistischen Organisation, die Daniel Heimann, der dritte Protagonist des Films gegründet hat.

Heimann wiederum hat guten Kontakt zum rechten Ideologen und Netzwerker Götz Kubitschek. Auf einer im Film kurz gezeigten Veranstaltung beschwört er den Wiederaufstieg eines angeblich in den Abgrund gezerrten deutschen Volkes und bedient auch noch eine Portion Ostalgie, in dem der Westdeutsche Kubitschek in Pirna die Ostdeutschen lobt, die sich nicht von der DDR befreit haben, um sich nun neuen Ideologien der EU und einem von ihm und seinen Gesinnungsfreunden halluzinierten linken Konsens zu beugen.

Der mittelständische Unternehmer Heimann gibt sich im Film durchweg als rechter Ideologe zu erkennen, der seine heutigen Aktivitäten durchweg als Fortsetzung seines Alltagswiderstand gegen die DDR-Herrschaft beschreibt. So berichtet er, wie er in der DDR schon als Kind mit seiner Familie jeden Sonntag demonstrativ den Gang in die Kirche zu einem Protest gegen die SED machte.

So zogen sie mit dem Gebetbuch in der Hand durch den kleinen Ort, in dem sie damals wohnten. Aber auch Jahn reagiert richtig ungehalten auf den Vorwurf, bei Pegida sammeln sich die Wendeverlierer. Wendeverlierer sind für ihn die Menschen, die sich für die DDR an welcher Stelle auch immer einsetzten. Darin schließt er auch den Teil der linken DDR-Opposition ein, die sich gegen die autoritäre SED-Herrschaft, aber für eine eigenständige DDR-engagierten.

Sie wurden schon im Herbst 1989 vor allem in Dresden von den rechten Demonstranten mit den Deutschlandfahnen als „Wandlitzkinder“ beschimpft. Wandlitz war das für BRD-Verhältnisse recht bescheidene Freizeitdomizil der SED-Nomenklatura. Jahn und Co. hingegen betonten mit Recht, dass sie Teil des Widerstands gegen die DDR in welcher Form auch immer waren.

Die Fortsetzung des Kampfes gegen die DDR

Der Film zeigt deutlich, dass die Pegida-Aktivisten ihre Aktivitäten als Fortsetzung ihres Kampfs gegen die DDR sahen und damit haben sie Recht. Oft wurde in den letzten Monaten gefragt, warum gerade in Dresden Pegida seinen Ausgangspunkt nahm und was die DDR damit zu tun hatte. Darauf kann der Film eine Antwort geben.

Pegida ist eine Fortsetzung der mehrheitlich nationalistischen Aufmärsche, die im Herbst 1989 in den sächsischen Städten mit Deutschlandfahnen zu sehen waren. Sie richteten sich längst nicht mehr nur, gegen die schon wankende SED-Nomenklatura, sondern mehr noch gegen die linke DDR-Opposition, deren Parole „Wir sind das Volk“ lautete. Dem setzten die Nationalisten „Wir sind ein Volk“ entgegen.
Von Sachsen ging jene nationalistische Welle aus, derer sich die Union unter Helmut Kohl sowie alle bisherigen sächsischen Landesregierungen bedienten. Mit der Deutschen Sozialen Union gab es 1989 auch eine Partei, die bald Teil der rechten Szene wurde. Bis heute ist Sachsen eine Ordnungszelle, wie es Bayern nach der Niederschlagung der Räterepublik nach 1919 in der Weimarer Republik war.

Dafür gibt es viele Beispiele. Zurzeit wird in Sachsen ein besonders restriktives Polizeigesetz[7] vorbereitet, gegen das sich nun ein zivilgesetzliches Bündnis[8] gegründet hat.

Diese rechte sächsische Politik drückt sich in der Gedenkpolitik aus, wo eine stramme Totalitarismustheorie die NS-Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen in der DDR auf eine Stufe stellt. Wenn nun davor gewarnt wird, dass Sachsen nach den letzten Landtagswahlen das erste Bundesland mit einer AfD-Regierungsbeteiligung werden könnte, muss darin erinnert werden, dass damit nur der Weg der rechten Ordnungszelle Sachsen der CDU fortgesetzt würde.

In dem Film „Montags in Dresden“ wird dieser Zusammenhang deutlich, ohne dass er explizit benannt wird. Das ist ein großer Pluspunkt für den Film.

Kritik verdienen nicht die Regisseure, sondern die deutschen Zustände, die sie zeigen.

Die Zustände

Der Film wurde beim Dok-Film-Festival in Leipzig sehr kontrovers diskutiert[9]. Manche monierten, der Filmemacherin fehle eine dokumentarische Distanz und sie habe die Selbstdarstellung von der Pegida-Bewegung gefördert.

Die Kritik schien noch dadurch bestätigt, dass der Film während des Leipziger Dokfilmfestivals im Leipziger Hauptbahnhof gezeigt wurde. Pegida-Gänger nicht nur aus Dresden reisten an und waren insgesamt sehr zufrieden mit dem Film. Doch die Kritik, hier werde „Pegida unplugged“ gezeigt und nicht politisch eingeordnet, geht heute genauso fehl, wie die die Kritik an „Stau – jetzt geht’s los“ vor mehr als 20 Jahren das falsche Ziel hatte.

Nicht die Regisseure müssten dafür kritisiert werden, dass sie ungefiltert deutsche Zustände zeigen. Vielmehr müssten gerade diese Zustände der Gegenstand der Kritik sein. In den 1990er Jahren gehörte zu diesen deutschen Zuständen eine rechte Jugendkultur mit terroristischen Charakter, aus der auch der NSU hervorging.

Heute gibt es eine rechtspopulistische Bewegung, die, wie der Film deutlich zeigt, intellektueller geworden ist, aber sie hat nichts von ihrer Gefährlichkeit eingebüßt. Im Gegenteil, hatte die pöbelhafte Jugendkultur der rechten Szene der 1990er Jahre einen großen Teil des rechten Bürgertums eher abgestoßen, können die drei von Pegida-Protagonisten in „Montags in Dresden“ durchaus auf Verständnis auch in diesen Kreisen stoßen.

Das wurde auch bei der Vorführung im Rahmen des „Achtung-Berlin“-Festivals[10] im Eiszeit-Kino[11] in Berlin-Kreuzberg deutlich.

Es war eher ein liberales Publikum, das sich den Film dort das erste Mal angesehen hat. Bei der Diskussion mit der Regisseurin wurde berechtigterweise die Arbeit der Regisseurin gewürdigt, nicht nur über Pegida zu reden, sondern anhand ihrer drei Protagonisten zu zeigen, wie die Bewegung tickt.

Gefestigte Rechte und „normale Bürger“

Da war es dann aber erstaunlich, dass ein Zuschauer erklärte, dass er nun gesehen habe, dass es sich hier um „ganz normale Bürger“ handelte, die zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt würden. Er mochte höchstens konzedieren, dass sie von rechten Rattenfängern, die es dort auch gebe, manipuliert werden.

Da erwiderte Michel mit recht, dass die rechten Netzwerke, in der die Protagonisten eingebunden sind, auch im Film zu sehen sind. Der Film zeigt vielmehr, was alle, die sich mit rechten Szene befassen seit Langem wissen. Es ist kein Widerspruch „rechts“ und ein „normaler Bürger“ zu sein.

Dass scheint manchen so fremd zu sein, dass sie es nicht mal wahrnehmen wollen, wenn sie den Film gesehen haben. Dem Film ist das nicht anzukreiden. Kritisiert werden sollte auch nicht, dass Michel mit persönlichen Kommentaren sparsam umgeht.

Eher sind die wenigen Statements besonders am Beginn und am Ende fragwürdig: Da wird mit Verweis auf einen Aufsatz von Jana Hensel[12] gefragt, ob es nicht ein „Verdienst“ von Pegida ist, dass nun über die Probleme nach 1989 im Osten geredet wird.

Nun ist das schon deshalb fraglich, weil sich ja die Pegida-Protagonisten klar von dem Terminus „Wendeverlierer“ abgrenzen. Was also Gegenstand der Diskussion werden müsste, sind nicht irgendwelche Wendeprobleme, sondern die rechte Dominanz des nationalistischen Aufbruchs in der DDR, die zeitweise Einhegung durch die Union, die bald an ihre Grenze stieß.

Geschichtsklitterung und falscher Brückenbau

Das wäre etwas Anderes als das Lamentieren über allgemeine Ossi-Probleme. Zudem haben sich seit 1989 Ostdeutsche durchaus auch in nichtrechten Zusammenhängen organisiert, um auf reale Probleme zu reagieren. Bereits im Herbst 1989 bildete sich eine Betriebsrätebewegung, die bis Anfang der 1990er Jahre gegen die verheerende Politik der Entindustrialisierung ganzer Regionen der DDR durch die Treuhand kämpfte[13].

Hier wurde die Grundlage für die Politik der Deregulierung der Arbeitsverhältnisse gelegt, für das nach den Willen des deutschen Kapitals die DDR ein Pilotprojekt war. In einer Region, in der ganze Industriebranchen stillgelegt wurden, in dem eine oppositionelle Gewerkschaftsarbeit kaum bekannt wurden, wurde der Niedriglohnbereich geschaffen, der spätestens mit der Agenda 2010 auf ganz Deutschland ausgedehnt wurde.

Im Sommer 2005 entstand dann noch einmal von Ostdeutschland ausgehend eine Bewegung der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV, die bei vielen fragwürdigen politischen Implikationen ganz klar eine soziale Komponente hatte und nicht von rechts dominiert war. Wer nun behauptet wird, mit Pegida haben sich die Ostdeutschen eine eigene Stimme geschaffen, betreibt nicht nur Geschichtsklitterung.

Man negiert damit, dass es auch nichtrechte Stimmen gab, die reale Probleme nach 1989 in den Fokus nahmen und nicht die halluzinierte Islamisierung in Regionen, in denen viele nie einen Moslem gesehen haben.

Fragwürdig ist, dass Michel auf ihrer Dresdner Herkunft rekurriert und wissen wollte, was in „ihrer“ Stadt mit Pegida passiert ist. Damit gerät aus dem Blick, dass Pegida der Ausdruck einer bundesweiten rechten Bewegung hat. Dresden hatte da nur Pioniercharakter.

Der „Brückenbauer“ Frank Richter

Die zu starke Konzentration auf diese Stadt ohne zumindest die rechte Ordnungszelle Sachsen zu erwähnen, führt hier zu fraglichen politischen Implikationen, wenn dann Michel sich positiv auf den ehemalige Vorsitzenden der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung Frank Richter bezieht, der selber kein Anhänger von Pegida ist, aber bestrebt war, mit den Protagonisten ins Gespräch zu kommen[14].

Sogar eine Pegida-Pressekonferenz[15] hat er mit organsiert.

Er begründete sein Engagement auch immer damit, Brücken zwischen allen Teilen der Bevölkerung bauen zu wollen. Nur ging dieses Angebot immer nur an die Rechten, was natürlich auch in der sächsischen Tradition liegt. Mittlerweile ist Richter aus der CDU ausgetreten und bewegt sich rechts davon[16].

Linken Kritikern der sächsischen Verhältnisse wollte man nun solche Brücken nie bauen. Die Frage ist, ob Michel nun ihren Film auch als einen solchen Beitrag zum „Brückenbauen“ im Sinne von Richter versteht[17]. Das wäre politisch fatal.

Trotzdem hat Michel ein wichtiges Dokument geliefert, in dem man sehen kann, wie Pegida tickt und wie sich hier auch über Sachsen hinaus eine rechte Bewegung vernetzt und organisiert. Von diesen Erkenntnissen können auch jene profitieren, die keine Brücken zu ihnen bauen wollen.

Peter Nowak

https://www.heise.de/tp/features/Inside-Pegida-4028030.html?seite=all
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[1] http://heise-film.de/?page_id=2321
[2] http://www.solofilmproduktion.de/blog/montagsindresden
[3] https://www.tag24.de/nachrichten/pegida-ruecktritt-rene-jahn-aufbruch-4204
[4] https://einprozent.de/wir-im-widerstand-pro-patria-pirna/
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Montagsdemonstrationen_1989/1990_in_der_DDR#/
media/File:Bundesarchiv_Bild_183-1990-0108-033,_Leipzig,_Montagsdemonstration.jpg
[6] https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en
[7] https://www.sz-online.de/sachsen/ein-halbes-neues-polizeigesetz-3920318.html
[8] https://www.sachsens-demokratie.net
[9] https://www.mdr.de/sachsen/leipzig/montags-in-dresden-dok-film-102.html
[10] https://achtungberlin.de/home/
[11] http://eiszeit.berlin/de/programmticketshttp://eiszeit.berlin/de/programmtickets
[12] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-04/rechtpopulismus-afd-pegida-neoliberalismus-d17
[13] https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/M2K57/
[14] https://www.tagesspiegel.de/politik/buch-ueber-pegida-afd-und-co-vom-vermittler-zum-stichwortgeber-der-rechten/21059272.html
[15] https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-pegida-pressekonferenz-landeszentrale-fuer-politische-bildung-sachsen-unter-druck/11254128.html
[16] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sachsen-frank-richter-aus-cdu-ausgetreten-a-1162188.html
[17] http://www.taz.de/!5495854/