In Deutschland beginnen schon die Debatten, ob Tsipras mit seiner Taktik Erfolg hatte oder eingeknickt ist
Der Showdown um Griechenland läuft auch nach dem EU-Gipfel noch weiter. Neue Treffen werden angekündigt und schon wird darüber gestritten, wer Gewinner und wer Verlierer in der großen Inszenierung sein wird.
Vor allem konservative deutsche Politiker wie der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach bringen sich in Position. Schon vor einer Woche wurde er zum Star der Neuauflage der Bild-Kampagne „Nein zu weiteren Griechenland-Krediten“ [1] .
Wer den Schlussstrich über den deutschen NS-Verbrechen nicht akzeptiert, wird abgestraft
Nachdem Bosbach in einer Talkshow verkündete, lieber sein Abgeordnetenmandat aufgeben zu wollen, als für weitere Finanzhilfe für Griechenland zu stimmen, meldete sich die Pegida-Fraktion in der Bild-Zeitung zu Wort und forderte dazu auf, die Griechen pleite gehen zu lassen.
„Es kann nicht sein, dass ein seit langem pleitegegangenes Land eine kommunistische Regierung wählt und diese nun ganz Europa zu erpressen versucht“, lautet ein anderes Statement: Ob da jemand einfach die Stellungnahme des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel kopiert, der sich ja vor einer Woche in der Bildzeitung ähnlich geäußert [2] hat.
So wird also deutlich, dass die Diskussion über Griechenland in Deutschland viel mit innenpolitischen Motiven zu tun hat. Sowohl SPD- als auch Unionspolitiker wollen sich als besonders treue deutsche Interessenvertreter gerieren und beginnen hier schon eine Art vorgezogenen Wahlkampf.
Das Griechenland-Bashing ist auch eine Antwort auf die Versuche der aktuellen Regierung, an die deutschen Schulden bei Griechenland aus der NS-Zeit zu erinnern. Hier wird schnell klar, dass eine Regierung, die den Schlussstrich über den deutschen NS-Verbrechen nicht akzeptieren will, hier besonders bestraft wird.
Der explizite Verweis auf die angeblich kommunistische Regierung in Athen zeigt dieses Bestrafungsbedürfnis. Denn die aktuelle Regierung kann nun wahrlich nicht als kommunistisch bezeichnet werden. Man kann höchstens konzedieren, dass Syriza einen kommunistischen Flügel hat. Doch es war eine wesentlich von Kommunisten gestellte Untergrundbewegung, die in Griechenland gegen den NS kämpfte. Indem die gegenwärtige Regierung wahrheitswidrig als kommunistisch bezeichnet wird, sollen noch einmal alte Schlachten geschlagen werden.
Wenn die Sachzwanglogik politisch wird
Während also manche Diskussion in Deutschland über Griechenland weniger mit der realen Situation in dem Land als mit der deutschen Vergangenheit zu tun hat, schlagen auch einige wirtschaftsliberale Ökonomen Alarm. Sie sehen schon einen Erfolg der griechischen Regierung, dass sie die Fragen der Finanzhilfen auf die politische Ebene gehoben haben und sie nicht einfach als technisches Problem betrachten.
Schon wird gewarnt, dieses Vorgehen könnten sich auch andere Länder der europäischen Peripherie zum Vorbild nehmen. Diese Argumentation macht deutlich, wie wichtig es führenden Ökonomen und Finanzanalysten ist, wirtschaftliche Fragen als rein technische Probleme zu betrachten, die mit Politik so gar nichts zu tun haben sollen.
Wenn erst einmal erkannt wird, dass die scheinbaren Sachzwänge Folge von politischen Entscheidungen sind und die vielzitierte Alternativlosigkeit darin besteht, dass niemand den Kapitalismus infrage stellen darf, weil es politisch nicht opportun ist, könnte dies tatsächlich ein wichtiger Schritt sein, um eine Gegenposition aufzubauen.
So könnte tatsächlich die Taktik der griechischen Regierung in den letzten Monaten unabhängig vom Ergebnis nicht ganz erfolglos gewesen sein. Menschen in und außerhalb Griechenlands haben erkannt, dass die es sich bei den Rettungspaketen und den damit verbundenen Opfern für große Teile der Bevölkerung um politische Entscheidungen handelt.
In dieser Logik müsste auch ein Misserfolg der griechischen Regierung nicht als Folge eines sinnlosen Anrennens gegen feststehende Gegebenheiten interpretiert werden. Der Misserfolg wäre dann damit erklärbar, dass die griechische Regierung eben im EU-Raum allein blieb. Eine bessere Koordinierung könnte bei einem erneuten Versuch ein besseres Resultat erbringen.
Die Tsipras-Regierung ist eingeknickt?
Denn anders, als viele deutschnationale Politiker und Wirtschaftsliberale suggerieren, wird in vielen Medien davon ausgegangen, dass die Tsipras-Regierung viele ihrer Positionen aufgibt, für die sie gewählt wurde, um einen Grexit zu vermeiden. So heißt es in einem Kommentar [3] der Taz zu den Griechenlandverhandlungen: „Athen wird vor der EU einknicken.“ Im Anschluss kommen einige Einschätzungen, die man in der Taz eher selten liest:
Bereits in der letzten Woche schätzte der Historiker Karl Heinz Roth [4], der sich in der letzten Zeit sehr stark mit der Entwicklung in Griechenland publizistisch befasst hat, die Situation so ein: Es sei durchaus denkbar, dass Tsipras und seine Fraktion gegenüber den EU-Staaten nachgeben und sich dem neoliberalen Diktat beugen. Der mittlere und linke Flügel von Syriza, der bereits auf der letzten Sitzung der Führungsebene der Partei mit seiner Forderung nach Einstellung des Schuldendienstes und Nationalisierung der Banken eine große Zustimmung erfahren hat, würde sich dann abspalten.
Die Folgen könnten Neuwahlen sein, bei der Tsipras mit der linksliberalen Partei To Patami kooperiert und durchaus die Wahlen wieder gewinnen könnte. Damit wäre der linke und auch der mittlere Flügel von Syriza ausgebootet, Griechenland bekäme wieder Geld von der EZB und die Austeritätspolitik würde fortgesetzt. Roth schätzte ein solches Szenario als eine Niederlage für die politischen Kräfte in ganz Europa, die für eine Alternative zur Austeritätspolitik kämpfen.
Er zeigte sich im Gespräch aber überzeugt, dass es Tsipras kaum gelingen würde, eine solche Unterwerfung als Fortsetzung der linken Politik zu verkaufen. Dazu sei der mittlere und linke Flügel von Syriza zu stark und die würden sich dagegen wehren. Es ist also wichtig, zu sehen, wie sich die linken Bewegungen nach einer möglichen Syriza-Spaltung in Griechenland neu sortieren.
Genau so wichtig wäre aber, dass die Kritiker der Austeritätspolitik in ganz Europa von der Auseinandersetzung um Griechenland lernen, da es auf die politischen Kräfteverhältnisse ankommt, um grundlegende Veränderungen durchzusetzen. Der mehrmonatige Widerstand aus Athen könnte da eine gute Hilfestellung sein. Dann war es nicht das letzte Aufbäumen in einem befriedeten Europa, sondern der Versuch einer anderen Politik, der in anderen Formen und anderen Ländern seine Fortsetzung finden wird.
http://www.heise.de/tp/news/Wer-siegt-im-Griechenland-Poker-2725417.html
Peter Nowak
Links:
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