Kundenbindung kritisch

Auseinandersetzung im Berliner Einzelhandel: verdi und die Solidaritätsgruppen

Anfang Dezember letzten Jahres ist in mehreren ver.di-Bezirken der Arbeitskampf im Einzelhandel beendet worden (express 12/2013). In Berlin zog sich die Auseinandersetzung noch bis zum 7. Januar hin. Hier wollte ver.di auch die Angleichung der Ost- und Westlöhne erreichen. Die jetzige Einigung sieht vor, dass dies bis Ende März 2015 geschehen soll.

Bei den Aktionen wurde ver.di auch von Berliner AktivistInnen aus dem globalisierungskritischen Blockupy-Bündnis (http://berlin.blockupy-frankfurt.org/) unterstützt. „Ob Ost, ob West – gleicher Lohn jetzt“, lautete denn auch eine der Parolen, die am Nachmittag des 20. Dezember von DemonstrantInnen vor einer H&M-Filiale in Berlin-Mitte skandiert wurden.

Das Bündnis, dem in Berlin Gruppen aus der außerparlamentarischen Linken, gewerkschaftlichen Organisationen, der Studierendengruppe „Die Linke.SDS“ u.a. angehören, hatte die bundesweiten Krisenproteste Anfang Juni 2013 in Frankfurt/Main mit vorbereitet. Schon damals stand der Kampf im Einzelhandel auf der Agenda des Bündnisses: „Mit unserer Aktion in Berlin knüpfen wir an die Aktion auf der Frankfurter Zeil im Mai dieses Jahres an, wo wir mit kreativen Mitteln unseren Widerstand in eine zentrale Einkaufsmeile getragen und mit einer Blockadeaktion den Geschäftsbetrieb gestört haben“, erklärte Anton Kohanov vom Blockupy-Bündnis. Mit der Gründung einer Streik-AG wollte das Bündnis im Anschluss daran verdeutlichen, dass Krisenproteste nicht nur bei einem Großevent, sondern auch im Alltag unterstützt werden müssen. Schon im Spätsommer diskutierte das Bündnis über geplante Solidaritätsaktionen und nahm Kontakte zu den Beschäftigten und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf. Die zuständigen Sekretärinnen und Sekretäre waren über die außergewerkschaftliche Unterstützung erfreut. Allerdings zeigte sich schnell, dass die Vorstellungen von ver.di und dem Blockupy-Bündnis im Detail durchaus verschieden waren.

Blitz-Aktion unter Kontrolle von ver.di

Die ver.di-Verantwortlichen hatten mehrere sogenannte Blitz-Aktionen geplant (siehe express 12/2013). Im Rahmen dieser Aktion wurden von Beschäftigten, GewerkschafterInnen und UnterstützerInnen ausgewählte Einzelhandelsfilialen besucht, um die Belegschaften über den Stand des Arbeitskampfes zu informieren. Ziel der Aktion sollte es sein, Beschäftigte zum Eintritt in die Gewerkschaft zu motivieren. Nur dann würden sie bei der Teilnahme an einem Ausstand auch von ver.di mit Streikgeld unterstützt, lautete die Argumentation. Ein Teil des Blockupy-Bündnisses beteiligte sich aktiv an diesen Blitz-Aktionen, ein anderer Teil vor allem aus der außerparlamentarischen Linken übte daran Kritik. Diese entzündete sich vor allem daran, dass die Blitz-Aktion vollständig in der Regie von ver.di lief und die beteiligten Gruppen und Einzelpersonen nur als ausführende UnterstützerInnen agieren konnten.

Konzept kritischer Kunden

Zudem wollten viele AktivistInnen des Blockupy-Bündnisses nicht ausschließlich als Werbetrupp für ver.di auftreten. Dabei gab es keine grundsätzliche Kritik an der Mitgliederwerbung, wenn sie von ver.di-Mitgliedern kommt. Doch es wurde die Frage gestellt, warum Menschen, die selbst gar nicht bei ver.di organisiert sind, jetzt Beschäftigte für eine Mitgliedschaft werben sollten. Die KritikerInnen des Blitz-Konzeptes verwiesen auf die Solidaritätsaktionen außerparlamentarischer Linker in Berlin beim Arbeitskampf im Einzelhandel im Jahr 2008. Damals agierten unterstützende Gruppen als kritische Kundinnen und Kunden, denen die Arbeitsbedingungen und Löhne der Beschäftigten nicht egal sind. 2008 war das Konzept der kritischen KundInnen auch von ver.di unterstützt worden. Es gab ein gemeinsames Auftreten im Rahmen des Berliner Euromayday, an dem sich Beschäftigte aus dem Einzelhandel beteiligten. Danach gab es einen gemeinsamen Workshop, wo Beschäftigte, BetriebsrätInnen, GewerkschafterInnen wie die  noch amtierende ver.di-Fachbereitsleiterin Erika Ritter  und solidarische Linke gemeinsam ein Konzept erarbeiteten, wie der Arbeitskampf im Einzelhandel mit solidarischen Aktionen unterstützt werden könnte. Höhepunkt war die Aktion „Dichtmachen“, bei der im Juni 2008 in Berlin eine Reichelt-Filiale von kritischen KundInnen belagert wurde. Die Beschäftigten beteiligten sich nicht direkt daran, standen jedoch dabei und machten deutlich, wie sehr sie die Aktion unterstützten. Während der Kundgebung des Blockupy-Bündnisses am 20. Dezember 2013 hingegen waren weder die Beschäftigten noch die GewerkschafterInnen zu sehen. Obwohl die Aktion im Vorfeld mit ver.di abgesprochen war und sogar auf Wunsch der Organisation einmal verschoben wurde, hatte die Gewerkschaft am 20. Dezember zu einer Aktion in eine Brandenburger Kleinstadt mobilisiert. Obwohl es zeitlich möglich gewesen wäre, gab es bei der Blockupy-Solidaritätsaktion am späten Nachmittag nicht einmal eine symbolische gewerkschaftliche Präsenz. Wenn man den Aktionsrahmen 2008 zum Maßstab nimmt, hat ver.di jetzt die Öffnung zu den sozialen Bewegungen wesentlich eingeschränkt und Aktionen, die nicht unter ihrer Regie liefen, eher ignoriert. Dabei zeigt sich immer mehr, dass für einen erfolgreichen Arbeitskampf die Unterstützung aus der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt. Die Zeiten, in denen ein Arbeitskampf allein im Betrieb gewonnen wurde, sind schon lange vorbei. Für den Einzelhandel mit seiner schwachen Organisierung gilt das besonders.

Kooperation nicht erst, wenn ein Streik begonnen hat

Umso wichtiger ist eine Kooperation zwischen Gewerkschaftern und der  außerparlamentarischen Bewegungen,  die nicht erst beginnen sollte, wenn wieder  ein Arbeitskampf begonnen hat. . Die losen Strukturen der außerparlamentarischen Linken führen oft dazu, dass in konkreten Kämpfen geknüpfte Kontakte  wieder abbrechen. Der Euromayday, der 2008 ein gemeinsames Forum für Gewerkschafter und außerparlamentarische Initiativen war, ist  in Berlin  bereits seit 3 Jahren Geschichte.  Mit dem Blockupy-Bündnis und dem Klassenkämpferischen Block gib es zurzeit zwei außerparlamentarische Linke Zusammenhänge, die sich zum Ziel gesetzt haben, Betriebs- und Arbeitskämpfe zu unterstützen. Nach dem Ende des Einzelhandelsstreiks s steht die Diskussion einer festeren Organisierung an, damit beim nächsten Arbeitskampf eine schnellere Reaktion möglich ist.

express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 1/2014

http://www.labournet.de/express/

Peter Nowak


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