Kampfzone Taxi-Gewerbe

Die Berliner Taxi-AG antwortet mit einer Online-Kampagne auf Werbung des Konkurrenten Uber

„Weiterziehn oder nach Hause?“ Große weiße Plakate mit dieser Frage finden sich seit einigen Tagen an Hauswänden in der Nähe des Neuköllner Hermannplatzes oder der Warschauer Brücke in Friedrichshain. An Orten also, an denen sich viele Menschen nach dem Clubbesuch nach Transportmöglichkeiten umsehen. Auch an größeren S- und U-Bahnhöfen… „Kampfzone Taxi-Gewerbe“ weiterlesen

Botanischer Garten als Vorbild

Der Kampf gegen prekäre Arbeit in landeseigenen Unternehmen geht weiter

»Prekär und tariffrei, nicht mit uns«, steht auf dem Schild, das ein wütender Bär schwenkt. So präsentiert sich der im Herbst 2015 gegründete Gewerkschaftliche Aktionsausschuss (GA) im Internet. »Überall da, wo es prekäre und tariffreie Arbeit gibt, müssen gewerkschaftliche Strukturen entstehen und gestärkt werden«, lautet das Ziel der GA. Am Mittwoch wurde auf einer Veranstaltung im Berliner Haus der Buchdrucker deutlich, dass die Arbeit schon Früchte trägt. 

Der ehemalige Betriebsrat des Botanischen Gartens, Lukas S., schilderte sehr präzise, wie sich die Kolleg*innen »von der Pike« auf gewerkschaftlich in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di organisierten. Doch Schmolzi betonte auch, wie wichtig bei dem Arbeitskampf die solidarische Unterstützung von Organisationen wie der Berliner Aktion gegen Arbeitsunrecht (BAGA) und linken Studierendenorganisationen war. Zur Hilfe kam ihnen auch die Tatsache, dass der Botanische Garten in der Berliner Bevölkerung sehr populär ist. Das Presseecho sei bei diesem Arbeitskampf immer sehr gut gewesen, betonte die ver.di-Gewerkschaftssekretärin Jana Seppelt. Bei anderen Arbeitskämpfen sie das längst nicht immer der Fall. Deshalb habe man auch ein Buch unter dem Titel »Der Aufstand der Töchter« herausgegeben, in dem die Geschichte eines erfolgreichen Arbeitskampfes noch einmal akribisch nachgezeichnet wird. 

In der Veranstaltung ging es auch um die Frage, wie dieses erfolgreiche Beispiel auf andere Bereiche wie Museen, Freie Träger, Bibliotheken und Volkshochschulen übertragen werden kann. Welche Probleme dabei entstehen können machte der Abgeordnete der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Tobias Schulze, deutlich. So kollidiert der Plan des Berliner Senats, Vivantes finanzielle Zuschüsse zu zahlen, wenn damit die Löhne der Beschäftigten erhöht werden, mit EU-Wettbewerbsrecht.

Gotthard Krupp, der als freiberuflicher Künstler Mitglied bei ver.di ist, sieht den gewerkschaftlichen Aktionsausschuss nicht nur als Instrument der Vernetzung und Koordination. Wichtiger noch sei, dass er die Fragen der prekären Löhne auf die politische Ebene gehoben hat. Wie im Fall des Botanischen Gartens habe ein Arbeitskampf immer dann Erfolg gehabt, wenn sich Politiker*innen die Forderungen zu Eigen gemacht haben. Streiks alleine würden nicht ausreichen. 

Dem mochte Jana Seppelt nur teilweise zustimmen. Die Kampfbereitschaft der Beschäftigten ist die Grundlage, dass sich auch Politiker*innen des Themas annehmen. Seppelt stimmte Krupps Kritik am restriktiven Streikrecht in Deutschland ausdrücklich zu. Das lässt es nicht zu, dass Beschäftigte gegen Outsourcing von Firmenteilen in den Streik treten. Wie schwer ein Arbeitskampf gegen prekäre Arbeitsverhältnisse sein kann, zeigte der Streik der Beschäftigten des landeseigenen Klinikkonzerns Vivantes, der die Operationssäle teilweise lahm legte. Es gab sehr negative Artikel in vielen Zeitungen. 

Mittlerweile hat die Tarifkommission der Vivantes Service GmbH eine Erklärung verfasst, die von mehreren Gewerkschaft*innen aus ganz Deutschland unterzeichnet wurde. »Der Streik war ein Warm-up auf dem Weg zu einer hundertprozentigen Eingliederung in den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes. Darauf bereiten wir uns schon jetzt vor«, erklärte ein Vivantes-Beschäftigter. 

Eine Krankenhausbeschäftigte aus dem Publikum wollte wissen, wie sie streiken kann, wenn sowieso ständig Personalnotstand auf ihrer Station sei. »Da ist ständig Notstand und wenn wir streiken, gibt es niemand, der sich um die Patient*innen kümmert«, erklärte sie. Benjamin Roscher vom ver.di-Fachbereich »Besondere Dienstleistungen« verwies auf Erfahrungen bei Arbeitskämpfen der Charité, aber auch bei den Kliniken im Saarland. Dort sei deutlich geworden, dass auch in den Kliniken Arbeitskämpfe möglich sind. Sie müssen allerdings den Patient*innen vermittelbar sein, betonte auch Jana Seppelt. 

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1092724.botanischer-garten-als-vorbild.html

Peter Nowak

Taxameter automatisch auf Pause

Mahnwache von TaxifahrerInnen gegen prekäre Arbeitsbedingungen und Lohndumping

„Kein Lohndumping im Taxigewerbe“ stand auf dem Banner, dass Mitglieder der Taxi-AG der Gewerkschaft Verdi am Mittwoch vor der Senatsverwaltung für Verkehr, Umwelt- und Klimaschutz aufgespannt hatten. Die gewerkschaftlich organisierten TaxifahrerInnen hatten sich…

„Taxameter automatisch auf Pause“ weiterlesen

Gar nicht so magisch

ARBEIT Getrübte Einigkeit im Botanischen Garten. Personalrat in Gefahr

Wenn am Freitag und Samstag wieder Tausende im Rahmen der Langen Nacht des Botanischen Gartens „Magische Naturwelten“ erleben, werden sie diesmal nicht mit der gar nicht so magischen Realität der im Botanischen Garten Beschäftigten konfrontiert. Mehr als zwei Jahre hatten die gemeinsam mit Verdi gegen die Outsourcing-Politik der Freien Universität (FU) gekämpft, der Arbeitgeber ist. Der Arbeitskampf sorgte für Aufmerksamkeit, weil neben Tarifrunden Protestaktionen wie bei der Botanischen Nacht vergangenes Jahr dazu gehörten. Eigentlich könnten die MitarbeiterInnen zufrieden sein. Denn das FU-Präsidium hat beschlossen, die Betriebsgesellschaft für den Botanischen Garten aufzulösen und die Beschäftigten zum 1. Januar 2018 wieder
in die FU einzugliedern. „Ein Betrieb und eine Belegschaft für alle ist ein Gewinn für alle“, kommentierte
der Verdi-Vertrauensmann Ronald Tamm den Beschluss. Doch mittlerweile wird der Erfolg aus Sicht der zuständigenVerdi-Sekretärin Jana Seppelt getrübt. Denn bei der FU gebe es Überlegungen, gleich die Betriebsgesellschaft Botanischer Garten aufzulösen. Dazu müsste sie einen Antrag an den Senat stellen. Das würde den Wegfall des Personalrats und der Behinderteneinrichtung der Zentraleinrichtung Botanischer Garten
bedeuten. Der Betriebsratsvorsitzende Lukas Schmolzi rügt gegenüber der taz, dass damit eine ortsund sachbezogene Interessenvertretung gefährdet wäre. Zumal die Beschäftigten des Botanischen Gartens nach der Wiedereingliederung an die FU erst 2021 einen neuen Personalrat wählen können. Für eine vorzeitige
Neuwahl ist die Anzahl der Wiedereingegliederten zu gering, betont Jana Seppelt. Unterstützung bekommen die KollegInnen von einer Gruppe von FU-WissenschaftlerInnen, die die Pläne als Affront gegen die Beschäftigten bezeichnen. Bei einer außerordentlichen Sitzung der Personalvertretung betonten die VertreterInnen der Universität vor einigen Tagen, der Meinungsprozess sei noch nicht abgeschlossen und es sei noch kein Antrag gestellt an den Senat. Doch noch sind die Pläne nicht vom Tisch, betont Seppelt.

aus: TAZ.DIE TAGESZEITUNG FREITAG, 21. JULI 2017

Peter Nowak

Kontroverse bei Amazon

Leipzig. Bei Amazon in Leipzig geben Mitarbeiter der Stammbelegschaft an, in den letzten Wochen verstärkt zur Kündigung gedrängt worden zu sein. »Beschäftigte wurden wegen zu vieler krankheitsbedingter Fehlzeiten zu Gesprächen zitiert, um auf sie Druck abbauen«, erklärte ein gewerkschaftlich aktiver Amazon-Beschäftigter, der in den letzten Jahren als Streikführer in Leipzig am Arbeitskampf für einen Tarifvertrag nach den Bedingungen des Einzelhandels beteiligt war. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Der für Amazon zuständige Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Thomas Schneider bestätigte gegenüber »nd« die Angaben des Beschäftigten. Der Druck auf die Coreteam genannte Stammbelegschaft habe in der letzten Zeit zugenommen.

Viele Kollegen seien verunsichert und haben angebotene Abfindungen angenommen. Allerdings gibt es auch eine Anzahl von Kollegen, die mit Unterstützung von ver.di gegen die Kündigung klagen. Der Betriebsrat habe in der Regel die Zustimmung zu den Entlassungen verweigert, betont Schneider. »Das Geld, das Amazon für die Abfindungen von Kollegen ausgibt, damit sie den Betrieb verlassen, wäre viel besser in einem Tarifvertrag angelegt, wie ihn die Beschäftigten seit Jahren fordern«, kritisiert Schneider.

David Johns vom Amazon-Solidaritäts-Bündnis, das von außerhalb den Kampf um einen Tarifvertrag unterstützt, befürchtet, dass die Verringerung des Kernteams vor allem auf streikerfahrene Kollegen zielt und so Arbeitskämpfe erschweren soll. Hat das Unternehmen damit Erfolg, könnten auch andere Amazon-Standorte von der Ausdünnung der Stammbelegschaft betroffen sein, befürchtet Johns.

Anette Nachbar von der Kommunikationsabteilung von Amazon Deutschland bestreitet gegenüber »nd« eine Strategie der zunehmenden Entlassung der Stammbelegschaft in Leipzig und verweist darauf, dass ihr Unternehmen 2017 2000 neue Vollzeitstellen in Deutschland plane.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1046619.kontroverse-bei-amazon.html


Hinweis auf Labournet Germany:

http://www.labournet.de/politik/alltag/gesundheit/jagd_auf_kranke/krankenstand/leipzig-kontroverse-bei-amazon/
Peter Nowak

Lehrerjahre sind keine Herrenjahre

Ob Integrationslehrer oder studentische Hilfskraft – Bezahlung und Arbeitsbedingungen im Bildungsbereich sind oft miserabel. Gewerkschaften und Bildungsarbeiter wollen das ändern.

Zurzeit sind Deutschlehrerinnen und -lehrer sehr gefragt. Schließlich muss seit zehn Jahren jeder Geflüchtete in Deutschland obligatorisch einen Integrationskurs »Deutsch für Zuwanderer« belegen. Doch die Lehrenden klagen über geringen Lohn und schlechte Arbeitsbedingungen. Von einem Honorar von etwa 20 Euro pro Stunde müssen sie auch ihre Kranken- und Rentenversicherung vollständig selbst finanzieren. Urlaubsgeld erhalten sie nicht. Wenn sie krank sind, müssen sie einen Verdienstausfall hinnehmen. Bei befristeten Verträgen gibt es zudem keinen Kündigungsschutz.

»Integration nicht zum Hungerlohn« hieß deshalb das Motto einer Kundgebung von ungefähr 150 Integrationslehrern vor zwei Wochen vor dem Bundesinnenministerium, zu der die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gemeinsam aufgerufen hatten. Nicht nur in Berlin wächst der Unmut der Lehrenden, die häufig noch mit Hartz IV aufstocken müssen, weil sie zu wenig verdienen. Am 15. März gingen in Osnabrück ebenfalls Integrationslehrer auf die Straße.

Viele Deutschlehrer wollen den ihnen aufgezwungenen Status als Selbstständige loswerden und fordern tariflich bezahlte Arbeitsplätze. »Wir sind keine Unternehmertypen, sondern Lehrer und wollen auch so behandelt werden«, wurde Georg Niedermüller, Mitbegründer der »Initiative Bildung prekär«, im Herbst auf Spiegel Online zitiert. In dieser Initiative haben sich Lehrkräfte verschiedener Richtungen zusammengeschlossen, die sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne wehren wollen. Das ist auch das Anliegen des „Netzwerkes prekäres Wissen“ , die kürzlich eine Honorartabelle für Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen veröffentlicht. Dazu sammelte sie über 60 typische Beispiele von Honoraren, die Bildungsträger und wissenschaftliche Institutionen in den vergangenen Jahren gezahlt hatten. Sie ermittelte zudem, welcher häufig unbezahlte tatsächliche Arbeitsaufwand für die jeweiligen Aufträge nötig gewesen war, und errechnete so aus dem offiziellen Honorar den tatsächlichen Bruttostundenlohn der meist freiberuflich Tätigen. In über 20 Fällen lag dieser tatsächliche Stundenlohn unter dem Mindestlohn von 8,50 Euro. An der Leipziger Universität und der Freien Universität Berlin (FU) gab es sogar Lehraufträge ganz ohne Bezahlung.

Im Wissenschaftsbereich sind Niedriglohn und schlechte Arbeitsbedingungen, auch im Mittelbau, völlig üblich, wie die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) in einer Stellungnahme vom Februar 2016 feststellte. Sie sieht die prekären Arbeitsbedingungen als Folge eines »akademischen Kapitalismus«, der durch eine Unterfinanzierung der Hochschulen und einen verschärften Wettbewerb um Forschungsgelder gekennzeichnet ist.

Auf einer Fachtagung der DGS diskutierten Gewerkschafter und Wissenschaftler Ende Februar über das Thema »Wissenschaft als prekärer Beruf«. Die Bestandsaufnahme war niederschmetternd: So haben die ungefähr 6 000 wissenschaftlichen Hilfskräfte an Berliner Hochschulen seit 2001 keine Lohnerhöhung mehr bekommen. Das Weihnachtsgeld hat der Berliner Senat 2004 gestrichen. 2011 mussten GEW und Verdi die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag ergebnislos abbrechen, weil es nicht gelungen war, den nötigen politischen Druck zu erzeugen. In nächster Zeit wollen beide Gewerkschaften gemeinsam mit politisch engagierten Studierenden aus sämtlichen Berliner Hochschulen einen neuen Anlauf für den Kampf um einen Tarifvertrag nehmen. Als erster Schritt wurde eine Umfrage begonnen, mit der ermittelt werden soll, welche tariflichen Forderungen den studentischen Hilfskräften wichtig sind. Zu Beginn des neuen Semesters sollen verstärkt neue Gewerkschaftsmitglieder geworben werden. Darin sehen beide Gewerkschaften die Voraussetzungen, um eine lange, vielleicht mit Streiks verbundene Tarifauseinandersetzung erfolgreich zu bestehen. Schließlich war es in den achtziger Jahren erst nach einem langen Arbeitskampf möglich, Tarifverträge für studentische Hilfskräfte abzuschließen. Beide Gewerkschaften und die Studierenden sind sich einig, dass die Selbstorganisierung der Hilfskräfte die Grundlage des Erfolgs ist. »Eine solche Kampagne steht und fällt mit der Bereitschaft der studentischen Beschäftigten, sich aktiv einzubringen und gewerkschaftlich zu organisieren«, heißt es auf der Homepage der GEW.

Derweil werden schon Bündnispartner unter den unterschiedlichen prekären Beschäftigtengruppen an den Hochschulen gesucht. Dass nicht nur wissenschaftliche Mitarbeiter von schlechten Arbeitsbedingungen betroffen sind, zeigt der Kampf der Beschäftigten des Botanischen Gartens Berlin gegen Dumpinglöhne und Outsourcing. Ein Teil der Belegschaft arbeitet für die FU, zu der der Garten gehört. Der andere Teil wurde beim Tochterunternehmen »Betriebsgesellschaft für die Zentraleinrichtung Botanischer Garten und Botanisches Museum« angestellt. Beide Gruppen machen die gleiche Arbeit, doch die Ausgegliederten erhalten bis zu 42 Prozent weniger Lohn. Seit über einem Jahr kämpfen Beschäftigte des Botanischen Gartens für das Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit«. Mittlerweile haben sie zwei erfolgreiche Warnstreiks organisiert. Weil die Ankündigung so kurzfristig war, konnte die FU die Streikenden nicht ersetzen. So kamen Besucher während des ersten Streiktags in den Genuss des freien Eintritts.

Die Beschäftigten des Botanischen Gartens haben für ihren Widerstand gegen das von der Universitätsleitung favorisierte Outsourcing Unterstützung von einem Bündnis, das von linken Studierendengruppen über die Berliner Gruppe gegen Arbeitgeberunrecht bis zur antikapitalistischen Ini­tiative »Klassenkampfblock« reicht. Kürzlich hat sich ein Solidaritätskreis gegründet, an dem Studierende, studentische Hilfskräfte und Wissenschaftler aus mehreren Berliner Hochschulen beteiligt sind. Denn ein Erfolg im Botanischen Garten wäre auch eine Ermutigung für die prekären Wissenschaftler.

http://jungle-world.com/artikel/2016/12/53713.html

Peter Nowak

Helferlein für die Gewerkschaft?

Eine kritische Bilanz der linken Streikunterstützung beim Tarifkonflikt im Einzelhandel

Wie können AktivistInnen der außerparlamentarischen Linken einen Streik unterstützen? Diese Frage streifte Jan Ole Arps in der Novemberausgabe dieser Zeitung in einem Artikel zum Streik im Einzelhandel. Darin schilderte er unter anderem eine »Blitz«-Aktion, bei der linke UnterstützerInnen bei der Mitgliedergewinnung für ver.di halfen, und stellte die Frage, welche Rolle das Aktivistenmilieu in Tarifkämpfen spielen kann, »in denen die Gewerkschaft den Fahrplan bestimmt« (ak 588). In diesem Beitrag soll eine kritische Bilanz der Solidaritätsaktionen mit dem Kampf im Einzelhandel gezogen werden.

»Ob Ost, ob West – gleicher Lohn jetzt«, lautete eine der Parolen, die DemonstrantInnen am Nachmittag des 20. Dezember 2013 vor einer H&M-Filiale in Berlin-Mitte skandierten. Es war eine Solidaritätsaktion des Berliner Blockupy-Bündnisses mit den Streiks im Einzelhandel. (1)

Das Bündnis, in dem Gruppen der außerparlamentarischen Linken, gewerkschaftliche Organisationen, aber auch die Studierendengruppe Die Linke.SDS zusammenarbeiten, bereitete die bundesweiten Krisenproteste Anfang Juni 2013 in Frankfurt/Main vor. Schon damals stand bei einer Aktion auf der Frankfurter Einkaufsmeile Zeil der Kampf im Einzelhandel auf der Agenda. Mit der Gründung der Berliner Streik-AG wollte das Blockupy-Bündnis verdeutlichen, dass Krisenproteste nicht nur auf ein Großevent zu reduzieren sind, sondern auch im Alltag unterstützt werden müssen.

Schon im Spätsommer diskutierte das Bündnis über geplante Solidaritätsaktionen und nahm Kontakte zu den Beschäftigten und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf. Die zuständigen GewerkschafterInnen waren über die außergewerkschaftliche Unterstützung erfreut. Allerdings zeigte sich schnell, dass die Vorstellungen im Detail durchaus auseinander gingen. Die ver.di-Verantwortlichen hatten mehrere sogenannte Blitz-Aktionen geplant. Im Rahmen dieser Aktion besuchten Beschäftigte, GewerkschafterInnen und UnterstützerInnen ausgewählte Einzelhandelsfilialen, um die dort Beschäftigten über den Stand des Arbeitskampfes zu informierten. Ziel der Aktion sollte es sein, Beschäftigte zum Eintritt in die Gewerkschaft zu motivieren.

Ein Teil des Blockupy-Bündnisses beteiligte sich an diesen Blitz-Aktionen, ein anderer Teil, vor allem aus der außerparlamentarischen Linken, blieb auf Distanz. Dieser kritisierte vor allem, dass die Blitz-Aktion vollständig in der Regie von ver.di lief und beteiligte Gruppen und Einzelpersonen nur als UnterstützerInnen agieren konnten. Zudem wollten viele AktivistInnen des Blockupy-Bündnisses nicht ausschließlich als Werbetrupp für die Gewerkschaft auftreten.

Konzept kritischer KundInnen

Die KritikerInnen des Blitz-Konzeptes verwiesen auf die Solidaritätsaktionen außerparlamentarischer Linker in Berlin beim Arbeitskampf im Einzelhandel im Jahr 2008. (Siehe ak 530) Damals agierten unterstützende Gruppen als kritische KundInnen, denen die Arbeitsbedingungen und Löhne der Beschäftigten nicht egal sind. 2008 war das Konzept der kritischen KundInnen auch von ver.di unterstützt worden. Es gab ein gemeinsames Auftreten im Rahmen der Berliner Euromayday-Parade am 1. Mai, an dem sich Beschäftigte aus dem Einzelhandel beteiligten. Später erarbeiteten Beschäftigte, BetriebsrätInnen, GewerkschafterInnen und solidarische Linke bei einem gemeinsamen Workshop ein Konzept, wie der Arbeitskampf im Einzelhandel unterstützt werden konnte. Höhepunkt war die Aktion Dichtmachen, bei der im Juni 2008 AktivistInnen aus der außerparlamentarischen Linken in Berlin eine Reichelt-Filiale belagerten. Die Beschäftigten standen dabei und machten deutlich, dass sie die Aktion unterstützten.

Bei der Kundgebung des Blockupy-Bündnisses am 20. Dezember 2013 dagegen waren weder die Beschäftigten aus der H&M-Filiale noch GewerkschafterInnen anwesend. Obwohl die Aktion im Vorfeld mit ver.di abgestimmt war und sogar auf deren Wunsch einmal verschoben wurde, hatte die Gewerkschaft am 20. Dezember zu einer Aktion in eine Brandenburger Kleinstadt mobilisiert. Obwohl es zeitlich möglich gewesen wäre, zeigte ver.di bei der Blockupy-Aktion am späten Nachmittag nicht einmal symbolisch Präsenz.

Nimmt man den Aktionsrahmen 2008 zum Maßstab, hat ver.di die Kontakte zu den sozialen Bewegungen 2013 zurückgefahren. Der Grund liegt in den unterschiedlichen politischen Ausgangsbedingungen 2008 und 2013. Vor fünf Jahren, beim Berliner Einzelhandelsstreik 2008, war ver.di in der Defensive. Zum Zeitpunkt, als die Zusammenarbeit mit den linken UnterstützerInnen begann, dauerte der Arbeitskampf bereits mehr als ein Jahr an, der Einzelhandelsverband stellte sich stur. Es war klar, dass die Gewerkschaft ohne eine veränderte Streikstrategie nicht in der Lage sein würde, den Arbeitskampf mit einem Ergebnis zu beenden. In dieser Situation war ver.di eher bereit, auch Aktionen zu unterstützen, die nicht unter der Federführung der Gewerkschaft standen. Man könnte auch sagen: In der Defensive hatte sich ver.di der außerparlamentarischen Linken geöffnet.

2013 war die Situation eine andere. Die Debatte über einen Mindestlohn zeigte, dass bis weit in bürgerliche Kreise das Thema Niedriglohn diskutiert wurde. In einem solchen politischen Umfeld war es für ver.di wesentlich einfacher, den Arbeitskampf zu führen. Auch organisationsintern hatte ver.di die Defensive überwunden. Vor allem in Baden-Württemberg hatten die KollegInnen einen offensiven Kampf geführt, der sicher Anteil an dem allgemein als positiv für die Beschäftigten eingeschätzten Tarifabschluss hatte. Die ver.di-Führung war hingegen an einem schnellen Abschluss interessiert und hatte kein Interesse, die Solidaritätsaktionen auszuweiten.

Bessere Kooperation der Solidaritätsstrukturen nötig

Gewerkschaftslinke wie Anton Kobel kritisierten denn auch, dass ver.di keine bundesweite Kampagne zur Streikunterstützung initiiert hat. In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, dass die Bereitschaft von ver.di, mit außerparlamentarischen Linken auf Augenhöhe zu kooperieren, 2013 wesentlich geringer ausgeprägt war als 2008.

Selbstkritische Töne gab es auf einer Nachbereitungsveranstaltung zur Streikunterstützung Anfang Februar in Berlin. Die TeilnehmerInnen waren sich einig, dass die Kooperation mit den GewerkschafterInnen nicht erst beginnen sollte, wenn ein Arbeitskampf bereits im Gange ist. Die losen Strukturen der außerparlamentarischen Linken führen oft dazu, dass in konkreten Kämpfen geknüpfte Kontakte wieder abbrechen.

In Hamburg haben sich linke Gruppen, die in Arbeitskämpfe intervenieren, im Riseup-Bündnis zusammengeschlossen. In Berlin gibt es mit dem Blockupy-Bündnis (2) und dem Klassenkämpferischen Block (3) zurzeit zwei außerparlamentarische linke Zusammenhänge, die sich zum Ziel gesetzt haben, Betriebs- und Arbeitskämpfe zu unterstützen. Nach dem Ende des Einzelhandelsstreiks steht die Frage einer festeren Organisierung auf der Agenda, damit beim nächsten Arbeitskampf eine schnellere Reaktion möglich ist.

Anmerkungen:

1) Der Tarifkonflikt im Einzelhandel war Anfang Dezember mit einer Einigung zwischen ver.di und der Arbeitgeberseite im Pilotbezirk Baden-Württemberg zu Ende gegangen, die den Manteltarif wieder in Kraft setzte und Lohnerhöhungen von drei Prozent (rückwirkend zum 1. Juli 2013) und 2,1 Prozent ab April 2014 vereinbarte. (Siehe ak 588 und 589) Strittig blieb aber im Tarifbezirk Berlin-Brandenburg die Frage der Angleichung der Löhne und des Urlaubs- und Weihnachtsgelds in Brandenburg und Ostberlin an die Löhne im Westteil der Stadt. In den Ostberliner Bezirken und Brandenburg müssen die Beschäftigten für den gleichen Grundlohn eine Stunde pro Woche länger arbeiten, die Differenz beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld beträgt laut ver.di 332 Euro (Ostberlin) bzw. 387 Euro (Brandenburg).

2) www.facebook.com/BlockupyPlattformBerlin

3) klassenkampfblock.blogsport.de

ak 591 vom 18.2.2014

http://www.akweb.de/

Peter Nowak

Kundenbindung kritisch

Auseinandersetzung im Berliner Einzelhandel: verdi und die Solidaritätsgruppen

Anfang Dezember letzten Jahres ist in mehreren ver.di-Bezirken der Arbeitskampf im Einzelhandel beendet worden (express 12/2013). In Berlin zog sich die Auseinandersetzung noch bis zum 7. Januar hin. Hier wollte ver.di auch die Angleichung der Ost- und Westlöhne erreichen. Die jetzige Einigung sieht vor, dass dies bis Ende März 2015 geschehen soll.

Bei den Aktionen wurde ver.di auch von Berliner AktivistInnen aus dem globalisierungskritischen Blockupy-Bündnis (http://berlin.blockupy-frankfurt.org/) unterstützt. „Ob Ost, ob West – gleicher Lohn jetzt“, lautete denn auch eine der Parolen, die am Nachmittag des 20. Dezember von DemonstrantInnen vor einer H&M-Filiale in Berlin-Mitte skandiert wurden.

Das Bündnis, dem in Berlin Gruppen aus der außerparlamentarischen Linken, gewerkschaftlichen Organisationen, der Studierendengruppe „Die Linke.SDS“ u.a. angehören, hatte die bundesweiten Krisenproteste Anfang Juni 2013 in Frankfurt/Main mit vorbereitet. Schon damals stand der Kampf im Einzelhandel auf der Agenda des Bündnisses: „Mit unserer Aktion in Berlin knüpfen wir an die Aktion auf der Frankfurter Zeil im Mai dieses Jahres an, wo wir mit kreativen Mitteln unseren Widerstand in eine zentrale Einkaufsmeile getragen und mit einer Blockadeaktion den Geschäftsbetrieb gestört haben“, erklärte Anton Kohanov vom Blockupy-Bündnis. Mit der Gründung einer Streik-AG wollte das Bündnis im Anschluss daran verdeutlichen, dass Krisenproteste nicht nur bei einem Großevent, sondern auch im Alltag unterstützt werden müssen. Schon im Spätsommer diskutierte das Bündnis über geplante Solidaritätsaktionen und nahm Kontakte zu den Beschäftigten und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf. Die zuständigen Sekretärinnen und Sekretäre waren über die außergewerkschaftliche Unterstützung erfreut. Allerdings zeigte sich schnell, dass die Vorstellungen von ver.di und dem Blockupy-Bündnis im Detail durchaus verschieden waren.

Blitz-Aktion unter Kontrolle von ver.di

Die ver.di-Verantwortlichen hatten mehrere sogenannte Blitz-Aktionen geplant (siehe express 12/2013). Im Rahmen dieser Aktion wurden von Beschäftigten, GewerkschafterInnen und UnterstützerInnen ausgewählte Einzelhandelsfilialen besucht, um die Belegschaften über den Stand des Arbeitskampfes zu informieren. Ziel der Aktion sollte es sein, Beschäftigte zum Eintritt in die Gewerkschaft zu motivieren. Nur dann würden sie bei der Teilnahme an einem Ausstand auch von ver.di mit Streikgeld unterstützt, lautete die Argumentation. Ein Teil des Blockupy-Bündnisses beteiligte sich aktiv an diesen Blitz-Aktionen, ein anderer Teil vor allem aus der außerparlamentarischen Linken übte daran Kritik. Diese entzündete sich vor allem daran, dass die Blitz-Aktion vollständig in der Regie von ver.di lief und die beteiligten Gruppen und Einzelpersonen nur als ausführende UnterstützerInnen agieren konnten.

Konzept kritischer Kunden

Zudem wollten viele AktivistInnen des Blockupy-Bündnisses nicht ausschließlich als Werbetrupp für ver.di auftreten. Dabei gab es keine grundsätzliche Kritik an der Mitgliederwerbung, wenn sie von ver.di-Mitgliedern kommt. Doch es wurde die Frage gestellt, warum Menschen, die selbst gar nicht bei ver.di organisiert sind, jetzt Beschäftigte für eine Mitgliedschaft werben sollten. Die KritikerInnen des Blitz-Konzeptes verwiesen auf die Solidaritätsaktionen außerparlamentarischer Linker in Berlin beim Arbeitskampf im Einzelhandel im Jahr 2008. Damals agierten unterstützende Gruppen als kritische Kundinnen und Kunden, denen die Arbeitsbedingungen und Löhne der Beschäftigten nicht egal sind. 2008 war das Konzept der kritischen KundInnen auch von ver.di unterstützt worden. Es gab ein gemeinsames Auftreten im Rahmen des Berliner Euromayday, an dem sich Beschäftigte aus dem Einzelhandel beteiligten. Danach gab es einen gemeinsamen Workshop, wo Beschäftigte, BetriebsrätInnen, GewerkschafterInnen wie die  noch amtierende ver.di-Fachbereitsleiterin Erika Ritter  und solidarische Linke gemeinsam ein Konzept erarbeiteten, wie der Arbeitskampf im Einzelhandel mit solidarischen Aktionen unterstützt werden könnte. Höhepunkt war die Aktion „Dichtmachen“, bei der im Juni 2008 in Berlin eine Reichelt-Filiale von kritischen KundInnen belagert wurde. Die Beschäftigten beteiligten sich nicht direkt daran, standen jedoch dabei und machten deutlich, wie sehr sie die Aktion unterstützten. Während der Kundgebung des Blockupy-Bündnisses am 20. Dezember 2013 hingegen waren weder die Beschäftigten noch die GewerkschafterInnen zu sehen. Obwohl die Aktion im Vorfeld mit ver.di abgesprochen war und sogar auf Wunsch der Organisation einmal verschoben wurde, hatte die Gewerkschaft am 20. Dezember zu einer Aktion in eine Brandenburger Kleinstadt mobilisiert. Obwohl es zeitlich möglich gewesen wäre, gab es bei der Blockupy-Solidaritätsaktion am späten Nachmittag nicht einmal eine symbolische gewerkschaftliche Präsenz. Wenn man den Aktionsrahmen 2008 zum Maßstab nimmt, hat ver.di jetzt die Öffnung zu den sozialen Bewegungen wesentlich eingeschränkt und Aktionen, die nicht unter ihrer Regie liefen, eher ignoriert. Dabei zeigt sich immer mehr, dass für einen erfolgreichen Arbeitskampf die Unterstützung aus der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt. Die Zeiten, in denen ein Arbeitskampf allein im Betrieb gewonnen wurde, sind schon lange vorbei. Für den Einzelhandel mit seiner schwachen Organisierung gilt das besonders.

Kooperation nicht erst, wenn ein Streik begonnen hat

Umso wichtiger ist eine Kooperation zwischen Gewerkschaftern und der  außerparlamentarischen Bewegungen,  die nicht erst beginnen sollte, wenn wieder  ein Arbeitskampf begonnen hat. . Die losen Strukturen der außerparlamentarischen Linken führen oft dazu, dass in konkreten Kämpfen geknüpfte Kontakte  wieder abbrechen. Der Euromayday, der 2008 ein gemeinsames Forum für Gewerkschafter und außerparlamentarische Initiativen war, ist  in Berlin  bereits seit 3 Jahren Geschichte.  Mit dem Blockupy-Bündnis und dem Klassenkämpferischen Block gib es zurzeit zwei außerparlamentarische Linke Zusammenhänge, die sich zum Ziel gesetzt haben, Betriebs- und Arbeitskämpfe zu unterstützen. Nach dem Ende des Einzelhandelsstreiks s steht die Diskussion einer festeren Organisierung an, damit beim nächsten Arbeitskampf eine schnellere Reaktion möglich ist.

express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 1/2014

http://www.labournet.de/express/

Peter Nowak

Mitglied ohne Aufenthalt

Peter Nowak will, dass alle 
ver.di-Mitglied werden können

Die von der CSU angeschobene Kampagne gegen die angebliche Einwanderung von Armutsflüchtlingen in deutsche Sozialsysteme wird auch vom DGB zurückgewiesen. »Dass jetzt ausgerechnet aus christlichen Parteien, allen voran die CSU, Wahlkampf mit Ressentiments aus der untersten Schublade gemacht wird, ist schlicht verantwortungslos«, moniert Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Die Positionierung ist begrüßenswert, gerade weil auch manches DGB-Mitglied den populistischen Diskurs von Seehofer und Co. unterstützt.

Doch die Gewerkschaften könnten auch dafür sorgen, dass Migranten unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus bei ihnen Mitglied werden können. Das ist die Forderung von mehr als 550 Gewerkschaftern, die sich in einer Erklärung an den ver.di-Vorstand wandten. Der Anlass liegt in einer Auseinandersetzung beim ver.di-Landesbezirk Hamburg. Dort hatte der Sekretär Peter Bremme 300 Flüchtlinge der Gruppe Lampedusa-Hamburg aufgenommen, die seit Monaten für ein Aufenthaltsrecht in Deutschland kämpfen.

»In der Gewerkschaft haben wir eine Partnerin gefunden, die die Ungerechtigkeit, die uns angetan wurde, realisiert und diesen Kampf mit uns zusammen führt«, schrieben die Flüchtlinge an ver.di. Da hatte Bremme schon eine Abmahnung bekommen, weil er mit der Aufnahme die ver.di-Satzung verletzt habe. Da die Flüchtlinge weder lohnabhängig noch erwerbslos sind, erfüllen sie die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft nicht, heißt es in einem von ver.di in Auftrag gegebenen Gutachten. Die Entscheidung sorgte für Kritik. Muss eine Gewerkschaft die ausgrenzende Logik der deutschen Asylgesetze übernehmen, die Flüchtlingen eine Arbeitsaufnahme verbietet und so auch verhindert, dass sie sich erwerbslos melden können, fragten sich viele Gewerkschafter nicht nur bei ver.di.

Die Diskussion ist nicht neu. Bereits vor knapp zehn Jahren kämpfte das Respect-Netzwerk, in dem sich migrantische Hausarbeiterinnen organisiert hatten, für ihr Recht auf eine Gewerkschaftsmitgliedschaft, die zunächst in der Satzung ebenfalls nicht vorgesehen war. Sie hatten Erfolg. Seit einigen Jahren existieren in mehreren Städten ver.di-Arbeitskreise, die auch Beschäftigten ohne gültige Dokumente zu ihrem Recht verhelfen. Papierlos, aber nicht rechtlos, lautet ihr Motto. An diese positiven Beispiele sollte die Initiative für eine Mitgliedschaft unabhängig vom Aufenthaltsstatus anknüpfen. Damit würden die Gewerkschaften nicht nur ein wichtiges Signal gegen rassistische Ausgrenzung setzen. Sie würden auch deutlich machen, dass die Spaltung zwischen Flüchtlingen, die in der Realität trotz Verbots oft arbeiten müssen, um zu überleben, osteuropäischen Arbeitsmigranten, die mit der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland kommen, und anderen Beschäftigten zumindest in ihren Organisationen der Vergangenheit angehört.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/920324.mitglied-ohne-aufenthalt.html

Peter Nowak

„Angriff auf Löhne, Soziales und Umwelt“

Links

[1]

http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm

[2]

http://www.forumue.de/fileadmin/userupload/AG_Handel/TTIP/121113_PM_Buendnis_fordert_Stopp_der_Verhandlungen_ueber_transatlantisches_Freihandelsbkommen.pdf

[3]

http://www.verdi.de

[4]

http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/131219_verdi_info_ttip.pdf

[5]

http://www.s2bnetwork.org/

[6]

http://www.nachdenkseiten.de

[7]

http://www.ged-shorts.de/#

[8]

http://www.nachdenkseiten.de/?p=17671#more-17671

[9]

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/studie-freihandel-zwischen-eu-und-usa-nutzt-teilnehmern-a-906127.html

[10]

http://www.songtextemania.com/arbeitslosigkeit_umdenken_mister_-_umdenken_mister_songtext_franz_josef_degenhardt.html

[11]

http://www.ilo.org/

Ver.di warnt vor Irrglauben an Freihandel

Der Widerstand gegen das geplante Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) wächst. Nachdem sich 25 deutsche Nichtregierungsorganisationen, darunter ATTAC, BUND, der Deutsche Naturschutzring, zu einem Bündnis zusammenschlossen, kritisiert jetzt auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di dieses Abkommen scharf. In der 15-seitigen Stellungnahme wird das TTIP als »Angriff auf Löhne, Soziales und Umwelt« bewertet. Der Glaube, durch den freien Welthandel Wachstum und Wohlstand für alle Menschen zu fördern, sei so alt wie der Kapitalismus, heißt es. So würden prognostizierte Wachstumserhöhungen zu einem großen gigantischen Konjunkturprogramm hochgejubelt, das mit der Hoffnung auf neue Arbeitsplätze verbunden ist. Solche Illusionen werden durchaus auch von Gewerkschaftsmitgliedern geteilt.

Doch die Realität sehe anders aus, betonen die ver.di-Gewerkschafter. So bestehe die Gefahr, dass die Beschäftigten »zu Nomaden immer auf der Suche nach Arbeitsplätzen und Einkommen« werden. Profitieren würden von dem Abkommen andere. »Die wirtschaftlich Mächtigeren ziehen in der Regel den größten Vorteil aus einem weitgehend unregulierten Handel. Deshalb unterstützen auch vor allem große Unternehmen und ihre Verbände den Abbau sogenannter Handelsschranken.« Kritisiert wird von ver.di auch, dass die TTIP-Verhandlungen in enger Kooperation mit Wirtschaftslobbyisten und abgeschottet von der Öffentlichkeit stattfinden. Die Zielsetzung zeige sich schon an den Teilnehmern der Verhandlungen.

»Während Gewerkschaften zur hochrangigen Arbeitsgruppe für Arbeitsplatz und Wachstum keinen Zugang haben, sind dort unter anderem die Bertelsmann Stiftung, Business Europe, der European American Business Council und der Transatlantic Business Dialogue (TABD) vertreten, die Wirtschaftsinteressen vertreten.«

Ein zentraler Kritikpunkt ist die geplante Stärkung der Investitionsrechte. Das ver.di-Papier verweist auf die in vielen Bereichen völlig unterschiedlichen Regulierungsinstrumente in der EU und den USA. So wurden von den USA bisher nur zwei der acht wichtigsten Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) unterzeichnet. Deshalb sei die Vereinigungsfreiheit massiv eingeschränkt. Als Beispiel wird der Konzern T-Mobile USA genannt, der gewerkschaftliche Interessenvertretung verhindern will.

ver.di-Studie im Internet unter http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/131219_verdi_info_ttip.pdf

http://www.neues-deutschland.de/artikel/919232.ver-di-warnt-vor-irrglauben-an-freihandel.html

Peter Nowak

Überraschungsbesuch bei H&M

In einer »Blitz«-Aktion zum Tarifstreit suchte ver.di in mehreren Filialen das Gespräch mit Beschäftigten

Der Straßenzeitungsverkäufer wunderte sich über die vielen Essensspenden, die er am Montagmittag in der S-Bahn bekam. Er war auf eine Gruppe von Aktiven der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und ihrer Unterstützer getroffen, die auf dem Weg zu einer Solidaritätsaktion mit den streikenden Beschäftigten im Einzelhandel waren. Auf einer knapp dreistündigen Schulung im ver.di-Gebäude hatten sie sich zuvor auf die Aktion vorbereitet. Gegen den kleinen Hunger zwischendurch sollte ihnen ein Lunchpaket helfen, von dem nun auch der Zeitungsverkäufer profitierte.

Am Kurfürstendamm in Charlottenburg endete die Fahrt der Gewerkschafter. Filialen der Bekleidungsmarke H & M waren das Ziel. »Wir wollen mit den Beschäftigten reden, sie über die Situation im Tarifkampf informieren und ihnen deutlich machen, dass dort auch über ihre Löhne und Gehälter verhandelt wird«, erklärte Franziska Bruder. Sie ist Organisatorin bei ver.di und für den »Blitz« verantwortlich, wie die Aktion vom Montag gewerkschaftsintern genannt wird. Der Ort blieb bis kurz vor Beginn geheim, damit das Unternehmen nicht gewarnt ist.

Die Aktion wurde bereits seit Wochen vorbereitet, so gab es Ende Oktober beispielsweise eine Veranstaltung in der Humboldt-Universität. Dort hatten sich neben ver.di-Gewerkschaftern auch Studierende und Aktivisten sozialer Initiativen eingefunden. »Der Einzelhandelsstreik ist nicht nur eine Sache der Beschäftigten. Auch wir Kunden sind daran interessiert, dass die Beschäftigten gut bezahlt werden und nicht ständig im Stress sind«, erklärte Marion Schneider gegenüber »nd«. Sie ist im Berliner Blockupy-Bündnis aktiv, das Anfang Juni in Frankfurt am Main mehrtägige Krisenproteste vorbereitete. Dazu gehörten auch Solidaritätsaktionen mit den Einzelhandelsbeschäftigen auf der Zeil. Seit einigen Monaten unterstützt das Blockupy-Bündnis die Beschäftigen in Berlin. In den vergangenen Wochen gab es bereits mehrere kleinere Solidaritätsaktionen. Die Blitz-Aktion am Montag war auch für Schneider eine Premiere.

Gemeinsam mit 25 weiteren Teilnehmern sprach sie Beschäftigte der Filiale an. Derweil erklärte Franziska Bruder dem Filialchef, dass es sich um eine ver.di-Aktion in den laufenden Tarifauseinandersetzungen handelt und daher durch das Betriebsverfassungsgesetz gedeckt ist. Der Filialchef war nicht so recht überzeugt und suchte bei einer höheren Instanz Rat.

Mittlerweile waren die Aktivisten in Gespräche mit den Beschäftigten vertieft. Vor der Kasse hatte sich eine kleine Schlange gebildet. Nach knapp 20 Minuten war die Aktion beendet und vor dem Eingang wurde ein kurzes Resümee gezogen Die Resonanz sei überwiegend positiv gewesen, nur ein Beschäftigter habe es abgelehnt, mit den Gewerkschaftern zu reden. Das Infomaterial sei überwiegend positiv angenommen wurden. Eine Beschäftigte habe ihre Handynummer für weitere Kontakte abgegeben.

Es wurden aber auch die Probleme deutlich, die für die Beschäftigten durch die Zersplitterung der Tariflandschaft entstanden sind. So erklärte ein ehemaliger Betriebsrat, er sehe für ein einheitliches Handeln schwarz, weil die Teilzeitkräfte nicht mitziehen würden. Bevor die Gruppe zur nächsten H & M-Filiale ging, betonte Bruder noch, es sei ein gutes Ergebnis, in der kurzen Zeit mit elf Kollegen gesprochen zu haben. »Mit der Aktion sollen auch die Beschäftigten motiviert werden, die sich gewerkschaftlich interessieren wollen.« Wie viele andere Unternehmen gehe auch H & M gegen Gewerkschafter juristisch vor. So wurde erst kürzlich in einer Trierer H & M-Filiale ein langjähriges Betriebsratsmitglied gekündigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/914629.ueberraschungsbesuch-bei-h-m.html

Peter Nowak

Streikrecht vor Gebrauch schützen

Die streikenden Lotsen am Frankfurter Flughafen werden nicht nur von Arbeitgebern scharf kritisiert, sondern auch von Vertretern der DGB-Gewerkschaften.

Kaum treten Beschäftigte für einige Tage ernsthaft in den Ausstand, fordern Wirtschaftsvertreter, Politiker und Medien eine Einschränkung des Streikrechts und werden dabei noch von DGB-Funktionären unterstützt. In einem Land, das im europäischen Maßstab die wenigsten Streiktage aufzuweisen hat, scheint dieses Recht ein Museumsstück zu sein, dass vor der Ausübung möglichst gut geschützt werden muss. Das war in der vorigen Woche wieder zu beobachten, als am Frankfurter Flughafen die Vorfeldlotsen in den Ausstand traten und einige Flieger auf dem Boden bleiben mussten. Die in der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) organisierten Beschäftigten wurden schnell zum Ziel eines gewerkschaftsfeindlichen Furors, an dem sich auch ehemalige und noch aktive DGB-Gewerkschafter beteiligten.
Den Ton gab die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) vor. »Der vollkommen unverhältnismäßige Streik der Kleinstgewerkschaft GdF zeigt, dass wir dringend klare Spiel­regeln für das Nebeneinander mehrerer Gewerkschaften innerhalb eines Betriebes brauchen. Zum Schutz vor den Auswüchsen zügelloser Splittergewerkschaften brauchen wir eine gesetzliche Regelung«, sagte VKA-Präsident Thomas Böhle, der damit versuchte, an eine im vergangenen Jahr am öffentlichen Druck gescheiterte Initiative von Arbeitgeberverbänden und DGB zur Einschränkung des Streikrechts anzuknüpfen. Es ging auch dabei um Repressalien gegen kampfstarke Kleingewerkschaften, die wirkungsvollen Druck ausüben können. Sie sind auch für viele ehemalige Mitglieder von DGB-Gewerk­schaften attraktiv, die von deren meist zahmen Arbeitskampfritualen enttäuscht sind.

Herbert Mai, der derzeitige Arbeitsdirektor der Betreibergesellschaft des Flughafens, Fraport, sieht daher auch kein Problem darin, dass er als langjähriger Funktionär der in Verdi aufgegangenen Gewerkschaft ÖTV den Streikbruch gegen die Vorfeldlotsen mitorganisiert. »Das passt deshalb zusammen, weil Verdi nie einen Arbeitskampf vom Zaune brechen würde, der nur eine Berufsgruppe betrifft und der im Vergleich zu anderen Berufsgruppen exorbitant unangemessen ist, so dass er das Tarifgefüge und die Solidarität der Kollegen untereinander aufbricht. Gewerkschaften fühlen sich generell dem Gedanken der Solidarität verpflichtet«, stellte Mai im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau klar. Allerdings meinte er damit nicht die Solidarität mit den streikenden Kollegen, er schien sich eher um das bestreikte Unternehmen zu sorgen. In einem Gespräch mit dem Focus betonte Mai den Unternehmerstandpunkt: »Was die GdF fordert, ist eine völlig inakzeptable Erhöhung der Gehälter. Darauf können wir nicht eingehen, weil es gegenüber den andern 20 000 Beschäftigten nicht vertretbar ist.«

Fast wortgleich argumentiert Verdi-Sekretär Gerold Schaub, wenn er der GdF vorwirft, mit ihren Tariforderungen den Betriebsfrieden zu gefährden. Auch die Betriebsratsvorsitzende Claudia Amier teilte im Gespräch mit der Financial Times Deutschland ihre Sorge um das Unternehmen mit. »Eine kleine Gruppe von Beschäftigten nutzt ihre Monopolstellung aus, um Entgelte zu erzielen, die weit über jedes Maß hinausgehen und völlig unverhältnismäßig sind«, sagte sie. Dass die GdF in den Ausstand getreten ist, nachdem die Fraport den Spruch eines von ihr akzeptierten Schlichters abgelehnt hatte, wird dabei gar nicht erwähnt. Der GdF-Tarifexperte Markus Siebers reagiert gelassen. »Leute, die so eng mit dem Unternehmen verwoben sind wie die derzeitige Betriebsratsführung und Verdi, kann ich nicht ernst nehmen. Sie sollten sich besser um eine gute Interessenvertretung für ihre Mitglieder kümmern«, sagt er.

Ebenso gelassen reagierte die GdF bereits auf eine Schadenersatzklage der Fluggesellschaften Ryanair, Lufthansa und Air Berlin. Insgesamt 3,2 Millionen Euro Schadenersatz fordern die Airlines in einer Zivilklage, weil die GdF während eines Tarifkonflikts im Spätsommer 2011 zu Streiks aufgerufen hatte, die dann nicht stattfanden, weil es nach der Drohung mit einem Ausstand in der Feriensaison zu neuen Verhandlungen kam. Der Kölner Arbeitsrechtler Dirk Vogelsang hält die Erfolgsaussichten der Klage für gering. Doch allein die Anrufung der Gerichte erhöhe den Druck. »Es ist für eine kleine Gewerkschaft immer latent existenzbedrohend, wenn sie mit einer Klage in dieser Höhe konfrontiert ist«, so Vogelsang. Zudem soll eine solche Maßnahme disziplinierend auf die Gewerkschaft wirken. Weil das bei der GdF anscheinend noch nicht funktioniert, wird nun wieder nach gesetzlichen Einschränkungen des Streikrechts gerufen.

Das würde im europäischen Trend liegen. Die Durchsetzung des deutschen Sparmodells mit »Schuldenbremsen« und massiven Verschlechterungen für die Lohnabhängigen ist an repres­sive Maßnahmen gekoppelt. So gehört zum Diktat der EU in Griechenland auch ein massiver Angriff auf die Gewerkschaftsfreiheit. Danach sollen Kollektivverträge für Lohnerhöhungen nicht mehr möglich sein. Die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds will die Löhne so lange einfrieren, bis die Arbeitslosigkeit auf 10 Prozent zurückgegangen ist. Auch in Spanien plant die Regierung eine Aufhebung des Rechts auf Streik, wenn mit dessen Gebrauch »ein irreparabler Schaden für die Wirtschaft oder die Sicherheit« verbunden ist.

Der Berliner Gewerkschafter Willi Hajek ist Mitbegründer des im vergangenen Jahr entstandenen »Komitees für Gewerkschaftsfreiheit«. Es hatte zum 1. Mai 2011 von Repression bedrohte Gewerkschafter aus Spanien, Deutschland, Polen und Italien zu einer Konferenz nach Berlin ein­geladen. Zu dieser Zeit musste sich die anarchosyndikalistische Freie ArbeiterInnen-Union (FAU) Berlin gegen juristische Versuche wehren, ihr das Recht abzusprechen, als Gewerkschaft aufzutreten. Hajek sieht in der Beteiligung von DGB-Gewerkschaftern an der Kampagne gegen den GdF-Streik den Versuch, »die eigene Monopolstellung zu sichern und die Basisgewerkschaften und die Spartengewerkschaften niederzuhalten«. Die Flughafengesellschaft sei seit Jahren »ein Musterbeispiel für die Kungelei und den Filz zwischen Leitung, Betriebsrat und Gewerkschaften, die an die Zustände bei VW erinnern«. Allerdings würden die kleinen Gewerkschaften dadurch eher bestärkt und auch für unzufriedene Mitglieder aus DGB-Gewerkschaften attraktiv.

»Am Frankfurter Flughafen entwickelt sich seit einiger Zeit eine gewerkschaftliche Kultur der Vielfalt«, sagt Hajek mit Verweis auf die gewerkschaftliche Organisierung beim Kabinenpersonal, bei den Piloten und nun den Vorfeldbeschäftigten. »Diese Entwicklung hat sehr viel mit den spezifischen Belastungen in den jeweiligen Berufen, aber auch den Erfahrungen der Beschäftigten zu tun, mit der Organisierung in diesen Gewerkschaften eine reale Kampfstärke zu erhalten, die von Verdi bisher nicht eingesetzt wurde.« Das bestätigt indirekt auch Jan Jurczyk, der Pressesprecher von Verdi. Er hat die Parole »Hände weg vom Streikrecht« mit einer ganz besonderen Begründung unterstützt: »Das Streikrecht wird von keiner Gewerkschaft so sehr beansprucht, dass man es gesetzlich regeln muss.«
http://jungle-world.com/artikel/2012/09/44976.html
Peter Nowak

Mindestlohn als Dumpingbremse

Ver.di: Postmindestlohnverordnung hatte positive Effekte

Fast anderthalb Jahre gab es einen allgemein verbindlichen Mindestlohn für die Briefdienstebranche. Ob und wie er gewirkt hat, ließ ver.di nun untersuchen.

Im Januar hatte das Bundesverwaltungsgericht eine erste Mindestlohnverordnung für die Briefbranche wegen Formfehlern gekippt. Darin war die zwischen dem von der Deutschen Post AG dominierten Arbeitgeberverband Postdienste und ver.di vereinbarte Lohnuntergrenze von 9,80 Euro im Westen und 9,00 Euro im Osten als verbindlich für die gesamte Branche festgelegt worden. Die Unternehmen in der Branche mauern seitdem  und  verweisen  auf negative Auswirkungen auf die  Arbeitsplätze. In großen Teilen der Medien wird diese Argumentation übernommen und selbst bei manchen Mitarbeitern in der Branche stoßen sie auf offene Ohren,  wie Demonstrationen von Beschäftigten der PIN-AG gegen den Mindestlohn zeigten. Am 21. September hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Berlin eine von ihr in Auftrag gegebene und von der der Input-Consulting GmbH erarbeitete Studie zu den Auswirkungen der Postmindestlohnverordnung, die vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2010 in Kraft war,  vorgestellt.       

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der allgemeinverbindlich erklärte Postmindestlohn nur von wenigen Firmen außerhalb der Mitgliedsunternehmen des Arbeitgeberverbands Postdienste e.V. tatsächlich bezahlt wurde.  Trotz der  begrenzten Anwendung konstatierte Claus Zanker von der Input-Consulting GmbH positive Auswirkungen auf die Lohnentwicklung durch die Mindestlohnverordnung.  Selbst die Unternehmen, die den Mindestlohn durch konkurrierende Tarifverträge umgangen haben, hätten damit Lohnuntergrenzen festgeschrieben, die über dem bislang in der Branche gezahlten Lohnniveau lagen. Positiv habe sich auch ausgewirkt, dass die Briefdienstleister und ihre Beschäftigungsbedingungen mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Mindestlöhne unter einer erhöhten Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und ihrer Kunden lagen, erläuterte Zanker. Er kam zu dem Fazit, dass der Postmindestlohn trotz seiner nur sehr eingeschränkten direkten Anwendung eine stabilisierende Wirkung auf die Beschäftigung in der Branche hatte und als „Dumpingbremse“ gewirkt hat.

Kollateralschaden PIN-AG

Zanker ging auch auf die Pleite der PIN-AG ein, die von den Unternehmern als Paradebeispiel für den negativen Einfluss des Mindestlohns auf die Branche angeführt wird. Ein Mindestlohn, der nicht gezahlt wurde, kann dafür nicht verantwortlich sein, wies Zanker diesen Vorwurf zurück. „Nachweislich wurde der Zusammenbruch der PIN-Group durch Missmanagement, strategische Fehleinschätzungen der Eigentümer und eine prekäre wirtschaftliche Situation vieler PIN-Unternehmen bereits vor Einführung des Postmindestlohns ausgelöst“, erklärte er. Auf Grundlage der Daten lasse  sich ein vom Postmindestlohn angeblich verursachter umfassender Beschäftigungsrückgang nicht nachweisen, fasste Zanker die Ergebnisse zusammen.

Neuer Anlauf für einen Postmindestlohn

Die Stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis bezeichnete die Studie als Beitrag zu einer sachgerechten Auseinandersetzung mit dem Thema Postmindestlohn. „Unser Ziel ist nicht mehr und nicht weniger, als einen neuen Anlauf für einen über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für allgemein verbindlich zu erklärenden Post-Mindestlohn zu nehmen“, benannte sie  das Vorhaben von ver.di. Dazu werde man das Gespräch mit den beiden Arbeitgeberverbänden in der Branche suchen.

 https://www.neues-deutschland.de/artikel/180124.mindestlohn-als-dumpingbremse.html

Peter Nowak