Die SPD wird Rot-Rot-Grün weiterhin ablehnen, aber die Linkspartei könnte davon auch profitieren, zumal eine rot-grüne Koalition ausgeschlossen scheint
„Politikwechsel mit der Linken“ [1] lautete die Botschaft, mit der sich die Linkspartei [2] gestern in Berlin in der letzten Phase des Wahlkampfs wieder in die Diskussion bringen wollte.
In den letzten Wochen hatte die Partei wenig Schlagzeilen gemacht, was ihr aber eher genutzt hat. Schließlich kann sie mit Umfragewerten zwischen 8 und 10 % rechnen. Ganz Optimistische träumen sogar davon, dass die Partei wieder an die Ergebnisse der letzten Wahlen anknüpfen könnte. Tatsächlich wäre ein Ergebnis um die 10 Prozent ein großer Erfolg, wenn man bedenkt, dass die Partei weitgehend auf die Wahlunterstützung von Oskar Lafontaine verzichten muss, der jahrelang als Garant für Aufmerksamkeit und Wählerstimmen galt.
Die Emanzipation von dem prominenten Sozialdemokraten ist für die Linke auch eine Voraussetzung, ihr Verhältnis zur SPD zu normalisieren. Auch wenn die programmatischen Unterschiede zwischen dem Sozialdemokraten Lafontaine und seinen ehemaligen Parteifreunden so groß nicht sind, ist das persönliche Verhältnis doch derart zerrüttet, dass eine Kooperation kaum denkbar war. Das wurde vor einigen Wochen deutlich, als der ewige SPD-Wahlkämpfer Günther Grass mit der irrationalen Äußerung [3] Schlagzeilen machte, dass es in der Geschichte der SPD „keinen schmierigeren Verrat“ gegeben habe, als den Rücktritt Lafontaines. Dass Grass selber einmal kurzzeitig die SPD verlassen hatte, scheint er wie manches andere in seiner Biographie verdrängt haben. Dass er mit seinem Ausfall durchaus Verständnis bei der SPD-Basis fand, macht deutlich, dass für manchen gestandenen Sozialdemokraten nicht die Bewilligung der Kriegskredite oder die Aufstellung von Freikorps, sondern ein simpler Rücktritt der höchste Verrat sind.
SPD – Hürde für den Politikwechsel?
Wenn nun das Führungsduo Bernd Riexinger und Katja Kipping der SPD und den Grünen zwei Wochen vor den Wahlen eine Zusammenarbeit mit Bedingungen anbieten, werden sie bei der SPD auf Ablehnung stoßen.
Doch bei Gewerkschaftern und zivilgesellschaftlichen Organisationen wird zunehmend die SPD dafür verantwortlich gemacht, dass der so vollmundig angekündigte Politikwechsel scheitert, wenn sie jede Kooperation mit der Linken ausschließt. Das wurde auf gewerkschaftlichen Kundgebungen unter dem Motto „Flagge zeigen für einen Politikwechsel“ [4] am vergangenen Samstag in mehreren Städten deutlich. Besonders in Frankfurt/Main [5] wurde von gewerkschaftlichen Rednern offene Kritik an der Option der SPD-Führung geübt, lieber mit der Union in eine große Koalition zu gehen, als sich von der Linkspartei tolerieren zu lassen, wenn es die rechnerische Möglichkeit dazu gibt.
Bei einer solchen Stimmungslage kann die Linkspartei nur gewinnen. Weil sich allgemein die Überzeugung durchgesetzt hat, dass es bei den Wahlen für SPD und Grüne nicht zum Regierungs-, geschweige denn zum Politikwechsel reichen wird, wird auch die Logik des kleineren Übels nicht verfangen, die dazu führte, dass manche schließlich doch SPD und Grüne wählten, um den Regierungswechsel nicht zu gefährden. Wenn dieses Ziel unerreichbar erscheint, wählen vermutlich mehr Menschen die Linkspartei als Opposition. Weil auch den Piraten ein Einzug in den Bundestag von vielen nicht mehr zugetraut wird, dürfte die Linke auch Stimmen von freischwebenden Protestwählern bekommen. Auf diese relativ komfortable Situation hat die Linke mit ihrem bedingten Kooperationsangebot an Rot-Grün reagiert.
Ein bisschen mehr Sozialdemokratie
Die Mindestforderungen sind ganz auf ein Klientel von Gewerkschaftern, Attac-Mitgliedern und Aktivisten der Umfairteilen-Bewegung [6] zugeschnitten, die, wie es auf einem Wahlplakat der Linken heißt, keine Revolution. aber etwas mehr Gerechtigkeit wollen. Die Linkspartei will unter anderem die Rente mit 67 zurücknehmen, eine sofortige Erhöhung des Regelsatzes für Hartz IV-Empfänger auf 500 Euro erreichen, die Abschaffung von Sanktionen für Erwerbslose und eine Initiative für mehr öffentliche Beschäftigung durchsetzen. Tatsächlich dürfte es vielen Sozialdemokraten und Grünen schwer fallen, gegenüber ihrer Basis zu begründen, warum sie solche Forderungen ablehnen. Mittlerweile gibt es eine Unterstützerinitiative von Gewerkschaftern [7] und Wissenschaftlern [8], die zur Wahl der Linken aufrufen.
Zusätzliche Sympathien könnte der Partei ihre Antikriegshaltung im Syrienkonflikt bringen. Weil sich aber keine Partei in Deutschland offen für ein militärisches Eingreifen ausspricht, dürfte diese Frage nicht an erster Stelle stehen. Sollte es allerdings noch vor dem 22. September zu einem militärischen Eingreifen der USA und anderer Staaten in Syrien kommen, könnte diese Frage noch an Bedeutung gewinnen.
Aber auch der Bundesverband der Psychiatrieerfahrener kam in seinen Wahlprüfsteinen [9] zu einer Wahlempfehlung für die Linke, weil sich deren Abgeordnete für eine gewalt- und folterfreie Psychiatrie aussprechen. Allerdings mit einem Warnhinweis, weil die Minister der Linkspartei in Brandenburg nicht auf einen offenen Brief [10] der Psychiatrieerfahrenen antworteten, in dem sie zu einer Ablehnung jeder Zwangsbehandlung aufgefordert wurden. Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass die Linkspartei eigentlich froh sein kann, dass sie nach der Wahl nicht in die Verantwortung genommen wird. So kann sie noch davon profitieren, dass sie noch nicht hundertprozentig anerkannt wird.
Am Wahlomat diskriminiert?
Auch wenn die Rote-Socken-Kampagne der Union, die der PDS letztlich mehr genützt als geschadet hat, der Vergangenheit angehört, so beklagt auch die Linkspartei weiterhin Diskriminierungen. Aktualisiert wird moniert, dass der erklärte Linksparteikritiker [11] Eckhard Jesse [12] den Beitrag über die Partei [13] für den Wahlomaten verfasst hat.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154932
Peter Nowak 10.09.2013
Links
[1]
http://www.die-linke.de/nc/dielinke/nachrichten/detail/zurueck/nachrichten/artikel/politikwechsel-sozial-gerecht-machbar-mit-der-linken/
[2]
http://www.die-linke.de/
[3]
http://www.sueddeutsche.de/politik/literatur-nobelpreistraeger-grass-rechnet-mit-lafontaine-ab-1.1745249
[4]
http://www.dgb.de/themen/++co++726f263c-0b21-11e3-b331-00188b4dc422
[5]
http://www.fr-online.de/frankfurt/dgb-demo-roemerberg-ein-platz-ganz-in-rot,1472798,24240346.html
[6]
http://umfairteilen.de
[7]
http://www.gewerkschafterinnen-waehlen-links.de
[8]
http://www.die-linke.de/wahlen/wahlkampf/wahlaufrufe/einzeichensetzenwahlaufruffuerdielinkevonfriggahaug/
[9]
http://www.die-bpe.de/Wahl_2013/
[10]
http://www.die-bpe.de/Tack_brief_1.pdf
[11]
http://www.bpb.de/politik/extremismus/linksextremismus/33649/debatte
[12]
http://www.tu-chemnitz.de/phil/politik/pspi/jesse.php
[13]
http://www.bpb.de/politik/wahlen/wer-steht-zur-wahl/bundestag-2013/165502/die-linke
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