In der NSA-Debatte wächst die Kritik an der SPD; es gibt erste Rehabilitierungsversuche für den BND – und Deutschland wurde noch etwas souveräner
Von einem Offenbarungseid für die SPD spricht [1] die Co-Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, in der Mitteldeutschen Zeitung im Zusammenhang mit der Rolle der Sozialdemokraten in der NSA-Affäre. Damit greift nun auch die Linkspartei die SPD in der Überwachungsdebatte scharf an. Bereits am Vortag warf [2] der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Georg Streiter, den Sozialdemokraten Heuchelei vor und verwies darauf, dass die Zusammenarbeit von NSA und BND von der rotgrünen Bundesregierung im April 2002 in einem „Memorandum of Agreement“ geregelt wurde.
SPD-Fraktionschef Steinmeier und die sozialdemokratische Generalsekretärin Andrea Nahles werfen der Bundesregierung Ablenkungsmanöver vor, können aber die Vorwürfe nicht wirklich entkräften. So sieht Nahles die Bundesregierung in der Verantwortung, weil die technische Entwicklung bei der Datensammelei 2002 noch nicht absehbar war. Damit stellt sie aber der eigenen Verhandlungsführung ein schlechtes Zeugnis aus, die scheinbar die technischen Möglichkeiten in den Abkommen nicht berücksichtigen konnte oder wollte. Ebenfalls nebulös bleibt die Steinmeiers Erklärung zu den Vorwürfen.
Das fragliche Abkommen bestreitet er nicht. Das habe aber nichts damit zu tun, dass die USA seit 2005 gezielt den Datenverkehr in Deutschland überwacht habe. „Das wäre ein massiver Angriff auf die Bürgerrechte in Deutschland“. Hier befleißigt sich Steinmeier der üblichen Wahlkampftaktik, bestimmte Vorgehensweisen immer dann für kritikwürdig zu erklären, wenn sie unter die Verantwortung der konkurrierenden Partei fällt. Davon abgesehen war die SPD in der großen Koalition ab 2005 noch an der Regierung beteiligt. Schon vor einer Woche warnte der sozialdemokratische Altpolitiker im Spiegel seine Partei davor, die Überwachungsdebatte zum Wahlkampfthema zu machen [3].
„Die großen Parteien haben nach meiner Einschätzung bei diesem Thema kaum etwas zu gewinnen“, sagte der Altpolitiker. Er ist in dieser Frage eindeutig kompetent. Schließlich war er als Bundesinnenminister an der Formulierung der entsprechenden Vereinbarungen beteiligt. Schon vor drei Wochen, als die SPD mit der NSU-Debatte noch hoffte, die Bundesregierung attackieren zu können, kommentierte der Publizist Ludwig Greven in der Zeit [4]:
„Die wohlfeile Empörung der Wortführer von SPD und Grünen verfolgt aber in Wahrheit vor allem einen Zweck: von der eigenen Schwäche im Wahlkampf abzulenken – und von einer möglichen Verstrickung in den Geheimdienstskandal.“
In seinem Kommentar zählt Greven bereits Mitte Juli die Vereinbarungen der rot-grünen Regierung auf, die nun mit Verspätung die innenpolitische Debatte bestimmen, wo die Politiker auch offiziell in den Wahlkampfmodus geschaltet haben.
Rehabilitierung des BND?
Während so die Parteien die Überwachungsdebatte im Wahlkampf für ihre Zwecke zu nutzen versuchen, wird bereits an einer Rehabilitierung der Geheimdienste gearbeitet. „Es gibt keine millionenfache Grundrechtsverletzung durch deutsche Geheimdienste, und die deutschen Dienste halten sich an die Vorschriften des Datenschutzes“, erklärte der Sprecher des Bundeskanzleramts und fügte hinzu. Der BND arbeite als Auslandsnachrichtendienst mit der NSA zusammen – „und das ist gut und richtig so“.
Dabei wurde hervorgehoben, dass es sich bei den weitergereichten Daten um ausländische TK-Verbindungen handeln würde. Personenbezogene Daten deutscher Staatsbürger seien davon nicht betroffen. Der auf juristische Fragen spezialisierte Publizist Christian Rath bezweifelte [5] allerdings, dass diese Unterscheidung überhaupt möglich ist.
„Die Aussage halte ich bereits deshalb für fragwürdig, weil man anhand von Metadaten nicht zwingend feststellen kann, ob einer der Betroffenen Kommunikationsteilnehmer Deutscher ist und/oder sich gerade im Inland aufhält. Der BND kann also überhaupt nicht gewährleisten, dass deutsche Staatsbürger und Kommunikationsverbindungen mit Inlandsbezug nicht betroffen sind“, so Rath.
Deutschland noch souveräner
Tatsächlich werden sich Überwachungskritiker von diesen Erklärungen nicht so einfach beruhigen lassen. Aber die sind ja, wie die Proteste der letzten Wochen gezeigt haben, in der Minderheit. Die große Mehrheit der Bevölkerung, die in den letzten Wochen mit einer Informationsflut zur Überwachung konfrontiert waren, dürften bald das Interesse an der Frage verlieren, sollten nicht neue brisante Informationen öffentlich werden.
Derweil wurde eher beiläufig bekannt, dass die Bundesregierung die Überwachungsvereinbarungen mit Großbritannien, den USA und Frankreich aufgekündigt haben [6].
Sie waren längst bedeutungslos, wurden aber in der NSA-Debatte skandalisiert. So zeigt sich, dass die hierzulande von Anfang an mit einer Volte gegen die USA geführte Diskussion dazu führte, dass sich Deutschland den letzten nur noch symbolischen, vertraglichen Relikten des Besatzungsstatus entledigen konnte.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154749
Peter Nowak 08.08.2013
Links
[1]
http://www.mz-web.de/politik/linke-kipping-kritisiert-spd-wegen-nsa-affaere,20642162,23941636.html
[2]
http://www.heise.de/newsticker/meldung/NSA-Ueberwachung-Steinmeier-hat-Kooperation-des-BND-abgesegnet-1931247.html
[3]
http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/otto-schily-spaehaffaere-kein-gutes-wahlkampfthema-fuer-die-spd-a-913485.html
[4]
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-07/nsa-skandal-opposition-kommentar
[5]
http://www.internet-law.de/2013/08/uebermittlung-von-metadaten-an-die-nsa-darf-der-bnd-das.html
[6]
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/frankreich-spionage-abkommen
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