Tod nach Zwangsräumung

Nach dem Tod einer Berliner Rentnerin, die vor zwei Tagen aus ihrer Wohnung geräumt wurde, ist die Betroffenheit groß. Doch wird sich an der Praxis der Zwangsräumungen etwas ändern?

Am 11.April ist die Berliner Rentnerin R. F. im Alter von 67 Jahren gestorben. Sie musste die letzten Tage in einer Notübernachtung verbringen. Sie war nämlich am 29. März aus ihrer Wohnung in Reinickendorf zwangsweise vertrieben worden. Die Frau bekam eine Rente vom Amt für Grundsicherung und bewohnte eine Eigentumswohnung zur Miete, die regelmäßig direkt vom Amt für Grundsicherung an die wechselnden Eigentümer überwiesen wurde. Durch Krankenhausaufenthalte von Frau F. und Eigentümerwechsel ist die Miete nicht rechtzeitig gezahlt worden. Der Rentnerin wurde gekündigt und die Eigentümer bekamen vor Gericht Recht und besaßen so alle Räumungstitel. So etwas passiert sehr oft in Deutschland und wird in der Regel nicht in der Öffentlichkeit wahrgenommen.

In den letzten Wochen ihres Lebens etwas Solidarität erfahren

Doch in Berlin hat sich mittlerweile ein Bündnis gegen Zwangsumzüge gegründet, das sich mit Blockaden und Protesten engagierte, wenn Mieter gegen ihren Willen auf die Straße geworfen wurden. Auch Frau F. hatte davon erfahren und sich vor einigen Wochen an das Bündnis gewandt. Die Aktivisten haben immerhin einen Räumungsaufschub erreicht. Ein Räumungstermin Ende Februar wurde verschoben.

Doch letztlich ließen sich die Eigentümer nicht von der Räumung abhalten. Ein großes Polizeiaufgebot verhinderte bei der Räumung von Frau F. alle Blockadeversuche. Dabei hat das Bündnis gegen Zwangsumzüge gemeinsam mit der Frau vom Sozialstadtrat von Reinickendorf die Zusage bekommen, dass die Mietschulden vom Amt übernommen werden und das Amt auch für die zukünftige Mietzahlungen garantiert. Die Eigentümer der Wohnung waren weder zu Gesprächen noch zu Kompromissen bereit.

Schließlich wächst ihre Rendite, wenn sie die Rentnerin aus der Wohnung werfen lassen und einen neuen Vertrag mit einer wesentlich höheren Miete durchsetzen. Dann wird dort keine Rentnerin mit Grundsicherung mehr dort wohnen können. Die Räumung wurde auch nicht ausgesetzt, obwohl den Behörden die gesundheitlichen Probleme der Frau bekannt waren. Ein ärztliches Attest hatte erklärt, dass die Aufregung im Zusammenhang mit einer Räumung ihrer Gesundheit abträglich ist. Dass sich diese Prognose so schnell bewahrheiten sollte, sorgte bei den Aktivisten von dem Bündnis gegen Zwangsumzüge für Trauer: „Wir hier trösten uns ein wenig damit, dass R. zu ihrem Lebensende noch ein wenig Solidarität erfahren hat, womit sie in den letzten Jahren sicherlich nicht sehr reich beschenkt war“, schrieben die Mitglieder einer Wohngemeinschaft, in der die Rentnerin nach ihrer Räumung aufgenommen wurde.

Frau F. hatte sich vor ihrer Räumung an Protesten beteiligt, als eine Familie in Neukölln geräumt wurde. Auch einige Politiker haben sich nach dem Tod der Rentnerin betroffen geäußert. So heißt es in einer Pressemitteilung der Grünen Neukölln:

„Der Vollzug von Zwangsräumungen ist in Berlin an der Tagesordnung. Wöchentlich werden Menschen aus ihren Wohnungen gedrängt, wenn mit ihnen keine Rendite zu machen ist. Das Menschenrecht auf eine Wohnung findet dabei keinerlei Beachtung.“

Leider vermisst man in der Erklärung eine Initiative für ein Moratorium für sämtliche Zwangsräumungen. Natürlich werden sofort die Interessenvertreter der Wohnungs- und Hauseigentümer ihre Stimme erheben und sich über den geplanten Eingriff in ihr Eigentumsrecht beschweren und in der Politik wird es Vertreter fast aller Parteien geben, die ihnen beipflichten. Aber eine solche Debatte würde zumindest deutlich machen, dass das Recht auf Rendite für Eigentümer höher steht als das Recht auf eine Wohnung.

In Spanien, wo es seit der Krise eine Fülle von Zwangsräumungen gibt, war die konservative Regierung erst nach zahlreichen Selbstmorden von Betroffenen bereit, ein begrenztes Räumungsmoratorium für besonders Bedürftige zu erlassen. Doch in der Praxis gehen die Räumungen unvermindert weiter.

In Deutschland gibt es bisher noch nicht einmal solche minimalen Bestrebungen, einkommensschwache Menschen vor Obdachlosigkeit zu schützen. Für den 29. April steht eine erneute Zwangsräumung an. Dann soll eine Frau mit ihrer Tochter aus der Wohnung geworfen werden. Die Gegenmobilisierung hat bereits begonnen.
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Peter Nowak