Eine außergewöhnliche Veranstaltungsreihe bringt Subkultur mit Arbeitskämpfen zusammen

Punk meets Klassenkampf

Das Publikum der Volksbühne mit den Streiks in aller Welt zu konfrontieren, war das Konzept von mehreren Bühnenarbeiter*innen, die dabei von zahlreichen weiteren Kolleg*innen der Volksbühne unterstützt wurden. In den mittlerweile fast 50 Punkabenden wurden unterschiedliche Arbeitskämpfe in aller Welt thematisiert. Der Streik der überwiegend migrantischen Frauen beim Autozulieferer Pierburg 1973 stand ebenso im Mittelpunkt eines Punkabends wie der Arbeitskampf der Minenarbeiter*innen in Südafrika 2012 oder der Streik der Streichholzfrauen in Norwegen 1898. Auf den Informationstafeln werden die historischen Zusammenhänge der jeweiligen Arbeitskämpfe gut dargestellt.

„Vergessene Arbeitskämpfe“, das stand am 19. Dezember auf dem Transparent, das aus den Fenstern des Roten Salons der Berliner Volksbühne, eines bekannten Theaters in Berlin-Mitte, hing. Eine weitere Folge von Punk meets Klassenkampf sorgte für einen gut besuchten Roten Salon. Die Frauenpunkband Bass Sick Shit und die in der oppositionellen DDR-Subkultur bekannte Combo „es war mord“ bringen schon mal sehr unterschiedliche Milieus und Altersgruppen zusammen. An einer Wand des Roten Salon werden wir über den Glashüttenarbeiter*innen im Jahr 1901 informiert. Ein Zentrum des damaligen Arbeitskampfs war die Halbinsel Alt-Stralau, im Osten Berlins. Einst war es ein Zentrum der kämpferischen Berliner Arbeiter*innenbewegung. Heute ist …

… in der Region davon nichts mehr zu sehen. Rund um die Stralauer Halbinsel hat die Gentrifizierung ihre Spuren hinterlassen. Heute stehen dort hochpreisige Lofts. Beim Publikum des Punkabends finden die Informationen darüber viel Aufmerksamkeit.

Das Publikum der Volksbühne mit den Streiks in aller Welt zu konfrontieren, war das Konzept von mehreren Bühnenarbeiter*innen, die dabei von zahlreichen weiteren Kolleg*innen der Volksbühne unterstützt wurden.

Im Februar 2019 fand der erste Punkabend in der Reihe statt. Damals ging es um Proteste gegen die Werksschließung des Automobilzulieferers GM&S in der französischen Kleinstadt La Souterraine (deutsch: „Die Unterirdische“). In den siebziger Jahren hatten dort zeitweise 600 Menschen für die Konzerne PSA (u. a. Citroën und Peugeot) und Renault geschraubt, jetzt sind es gerade mal noch 140. Dazwischen liegen die Ausschlachtung des Werks durch wechselnde Besitzer seit den frühen Neunzigern und dagegen immer wieder Streiks der Belegschaft. Im Mai 2017 machten die Streikenden durch eine spektakuläre Aktion von sich reden. Vor dem Eingang der Fabrik zerstörten sie mehrere Maschinen. Allerdings waren die Maschinen zuvor ausgemustert.

In den mittlerweile fast 50 Punkabenden wurden unterschiedliche Arbeitskämpfe in aller Welt thematisiert. Der Streik der überwiegend migrantischen Frauen beim Autozulieferer Pierburg 1973 stand ebenso im Mittelpunkt eines Punkabends wie der Arbeitskampf der Minenarbeiter*innen in Südafrika 2012 oder der Streik der Streichholzfrauen in Norwegen 1898. Auf den Informationstafeln werden die historischen Zusammenhänge der jeweiligen Arbeitskämpfe gut dargestellt.

„Viele Arbeitskämpfe sind in Vergessenheit geraten. Wir wollen an die Geschichten, die Wut und den Mut der Kolleginnen und Kollegen erinnern“, so das Organisationsteam der Reihe „Vergessene Arbeitskämpfe“.

In der Volksbühne, die einst als Arbeiter*innentheater gegründet wurde, ist eine solche Konzertreihe am richtigen Ort. Dass es sich dabei nicht um eine Alibiveranstaltung handelt, zeigt sich daran, dass im Sommer 2024 unter dem Titel „Keine Angst Klassenkampf“ ein ganzes Wochenende Theater mit politischen Hintergrund in der Volksbühne gezeigt wurde. Auch dort wurden neben Protesten gegen Rassismus und hohe Mieten aktuelle Arbeitsverhältnisse auf der Bühne thematisiert. Die Kooperation zwischen Subkultur und Klassenkampf ist auch deshalb zu begrüßen, weil hier das Theater nicht vom Alltag des Publikums ablenken soll. Im Gegenteil: viele befinden sich selber in prekären Arbeitsverhältnissen, haben vielleicht noch nie von Streiks und Gewerkschaftsrechten gehört und bekommen im Rahmen der Vergessenen Arbeitskämpfe historische Informationen. Dann kommt es vielleicht mal dazu, dass das Bündnis zwischen Subkultur und Klassenkampf nicht mehr nur im Theater stattfindet.

So war es in der ersten Phase der Thatcher-Ära am Beginn der 1980er Jahre. Damals verbündeten sich in Großbritannien Aktivist*innen der Subkultur und Streikende. Sie vereinte der Widerstand gegen die rechtskonservative Thatcher-Politik. Höhepunkt war die Kooperation zwischen Subkultur und Arbeitskampf beim Bergarbeiter*innenstreik 1984, der dann von der rechten Regierung mit Polizeigewalt zerschlagen worden ist. Die Reihe Vergessene Arbeitskämpfe kann den historischen Faden wieder aufnehmen.

Peter Nowak

Anmerkung:

Hier gibt es Infos über die vergangenen und kommenden Veranstaltungen von „Vergessene Arbeitskämpfe“: https://www.volksbuehne.berlin/#/de/reihen/vergessene-arbeitskaempfe-ein-punk-abend

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