Vielleicht sollte gerade in diesen Tagen noch einmal an die Texte erinnerte werden, die durch Wikileaks öffentlich wurden.

Giftmüll, Öl, Erpressung: Fünf Dinge, die uns Julian Assange über Klimapolitik gelehrt hat

Enthüllung Dass ein Frachter 2006 toxischen Abfall in Afrika entsorgt hat, der dort Tausende Menschen krank machte, wissen wir Dank einer Plattform: Wikileaks. Auch im Bereich Ökologie haben Julian Assange und seine Leute jahrelang Skandale aufgedeckt

Fast zeitgleich zu dem mit großem Brimborium abgefeierten Klimagipfel im mexikanischen Cancun 2010 veröffentliche Wikileaks  …

Dokumente, die zeigten, wie die USA ein Jahr zuvor auf dem Klimagipfel von Kopenhagen mit Entwicklungshilfeangeboten kleine Inselstaaten zur Unterschrift unter ein Abkommen drängen wollten, das nur unverbindliche Absichtserklärungen für die Industriestaaten enthielt, dafür aber nach Meinung von Klimaaktivist*innen die Existenz der Inselstaaten gefährdete, die durch einen steigenden Meeresspiegel bedroht sind.

Der britische Guardian zitierte als erstes ausführlich aus den Wikileaks-Enthüllungen. Demnach drohten die USA den Staaten mit dem Entzug der Entwicklungshilfe, die sich nicht den für die Industriestaaten so vorteilhaften Konsens von Kopenhagen anschließen wollten. Im Visier standen die damals populären Linksregierungen von Bolivien und Venezuela. Vertreter*innen dieser Regierungen hatten sich 2009 mit der in Kopenhagen protestierenden Klimagerechtigkeitsbewegung solidarisiert. Der Klimagipfel von Kopenhagen wird als große Niederlage für den Kampf um Klimagerechtigkeit gewertet. Wikileaks hat mit der Veröffentlichung zur Aufarbeitung der Hintergründe beigetragen.

2. Veröffentlichung des Vertragsentwurfes des Trade in Services Agreement (TiSa)

Bei TiSa handele es sich um ein völkerrechtliches Abkommen, das 23 Staaten unterzeichnet haben (darunter auch die Europäische Union und die USA). Erklärtes Ziel ist die weltweite Liberalisierung von Dienstleistungen und eine Stärkung des Wettbewerbs. Mit anderen Worten: Es ging um die Schlüsselbegriffe des Wirtschaftsliberalismus. Am 19. Juni 2014 veröffentlichte Wikileaks das Kapitel über Finanzdienstleistungen aus dem TiSa-Vertragsentwurf auf ihrer Homepage. Bis dahin hatten diese Verhandlungen fast keinerlei öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Im September 2016 folgte der nächste Coup: Wikileaks und Greenpeace Niederlande publizierten zeitgleich den damaligen Verhandlungsstand von TiSa. 

Demnach sollte die staatliche Förderung der erneuerbaren Energien zugunsten der Marktliberalisierung eingeschränkt werden. Nach diesen Veröffentlichungen warnten Klima- und Umweltschutzorganisationen verschiedener Länder, dass das Freihandelsabkommen die Klimaschutzziele gefährde. Das TiSa-Abkommen kam niemals zustande, die Gründe dafür sind unterschiedlich. Die zweimaligen Leaks haben aber sicherlich mit dazu beigetragen, dass es ab 2016 in verschiedenen Ländern eine größere Kampagne gegen das Abkommen gab, an der sich in Deutschland neben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auch Umweltgruppen beteiligten. 

3. Der „Minton-Report“ klärt über die illegale Müllentsorgung eines Rohstoffhändlers auf

2009 veröffentlichte WikiLeaks eine interne Studie des Rohstoffhandelsunternehmens Trafigura über die schädlichen Gesundheitsauswirkungen seiner Müllentsorgung in Afrika. Der Konzern verhinderte mit juristischen Mitteln, dass der Guardian darüber berichten konnte. Gegen die Zeitung wurde am 11. September 2009 eine geheime Nachrichtensperre verhängt, die jegliche Berichterstattung über den sogenannten „Minton-Report“ in den Medien verhinderte. Auch über die Nachrichtensperre durfte nicht geschrieben werden. Diese in Großbritannien zulässige Zensurmaßnahme tangierte Wikileaks allerdings nicht. So blieben die dort veröffentlichten Dokumente ein wichtiges Zeugnis für ein Umweltverbrechen mit deutlich neokolonialen Zügen. 

Das von Trafigura 2006 gecharterte Schiff „Probo Koala“ plante zunächst, rund 500 Tonnen hochgiftigen Schiffsabfall in Amsterdam abzuladen. Da die Entsorgung aus Sicht des Unternehmens zu teuer war, wurde der bereits entladene Abfall in das Schiff zurückgepumpt und an der Elfenbeinküste deponiert. Dazu war eine Scheinfirma mit dem Namen „Compagnie Tommy“ gegründet worden, die sich bereit erklärte, den Giftmüll für knapp 15.000 Euro zu „entsorgen

Das toxische Material wurde an zwölf Stellen um und in der Hauptstadt der Elfenbeinküste auf Brachland, öffentlichen Müllkippen, teilweise am Rand von dicht besiedelten Gebieten abgeladen. 17 Menschen sind an den Folgen gestorben, 69 teils schwer erkrankt, 108.000 mussten sich in ärztliche Behandlung begeben. Mit einigen der Opfer schloss Trafigura einen Vergleich und zahlte circa 45 Millionen Dollar Schadenersatz, lehnte allerdings ein Schuldeingeständnis ab. Mit der Nachrichtenzensur sollte indes verhindert werden, dass der Ruf und die Aktien von Trafigura größeren Schaden nehmen. Der Konzern macht auch heute noch Milliardengewinne

4. Die „Climategate“-Affäre

2010 veröffentlichte WikiLeaks die E-Mail-Korrespondenz führender Klimaforscher*innen, wodurch auch der Meinungsstreit über die globale Erwärmung innerhalb der wissenschaftlichen Community dokumentiert wurde. In den veröffentlichten Texten wurde deutlich, dass und wie sich führende Klimawissenschaflter*innen über bestimmte Details ihrer Forschung streiten und erbitterte Grabenkämpfe führen. Weil diese Veröffentlichung von Klimawandelleugner*innen in verschiedenen Ländern für ihre Kampagnen genutzt wurde, wurde Wikileaks für die Veröffentlichung der Dokumente von Umweltgruppen scharf kritisiert. Der Spiegel kam allerdings nach einer Analyse der geleakten Dokumente zu dem Schluss, dass von einer „Verschwörung“ der Klimawandelforscher*innen keine Rede sein könne. „Doch der Schriftverkehr erlaubt einen tiefen Einblick in die Mechanismen, Fronten und Kämpfe in der Klimawissenschaft“, so der Spiegel. Der „Climagate“ macht allerdings auch deutlich, dass die Publikation von nicht leicht verständlichen Dokumenten ohne Erklärungen und politische Einordnungen auch dazu führen kann, dass rechten Kräften Argumente geliefert wird.

5. Auftauen der Permafrostböden weckt Begehrlichkeiten bei Ölunternehmen

Wikileaks veröffentlichte US-Tabellen, aus denen hervorgeht, dass die globale Erwärmung für manche durchaus nicht als Weckruf für einen schnellen Ausstieg aus der Fossilindustrie begriffen wird. Im Gegenteil wittern Konzerne und Politiker*innen eine Chance, die Gewinnung von Öl, Gold und Uran besonders in der arktischen Region noch voranzutreiben. Das mit der globalen Erwärmung verbundene Auftauen der Permafrostböden sorgt dafür, dass sich das Fördern dieser Bodenschätze nach kapitalistischen Kriterien dort besonders lohnt. Konzerne wittern neue Profitquellen und Politiker*innen wollen das fossile Zeitalter verlängern, ohne Rücksicht die Lebensmöglichkeiten der Menschen auf einen sich aufheizenden Planeten. Auf X, ehemals Twitter, erinnerte Wikileaks vor kurzem an die investigative Leistung ihres Mitgründers: „Julian Assange enthüllte, dass die globale Erwärmung als Chance für neue Ölbohrungen gesehen wurde“. Dafür werde er noch heute verfolgt.

Ein gescheiterter Versuch im Jahr 2005: Greenleaks

2005 ging die Plattform Greenleaks online, die sich besonders Veröffentlichungen im Bereich von Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz widmen wollte. Doch die im Greenpeace-Magazin mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Plattform existiert heute nicht mehr. Die Domain greenleaks.comwird wieder zum Verkauf angeboten. 

Vielleicht sollte gerade in diesen Tagen noch einmal an die Texte erinnerte werden, die durch Wikileaks öffentlich wurden. Damit wird auch das Verfolgungsinteresse der Gegner*innen von Julian Assange verständlicher.