Wie weiter im Kampf gegen Rechts? Diese Frage stellt sich für ein breites demokratisches Spektrum in Deutschland, nachdem die erste Welle der Demonstrationen gegen die AfD abgeflaut ist. Die zerstrittene Linke steht vor einer grossen Aufgabe.

Wo bleibt die linke Alternative?

Ob im Kampf gegen hohe Mieten, für gewerkschaftliche Rechte, für feministische und antirassistische Forderungen: Es muss dabei immer um mehr als eine Abwehr der AfD gehen. Hier besteht für die geschwächte gesellschaftliche Linke, die durch die Auseinandersetzungen im Nahen Osten und den Krieg in der Ukraine noch mehr zerstritten ist, eine grosse Aufgabe.

Seit Mitte Januar waren nicht nur in Grossstädten sondern auch in der Provinz Tausende Menschen gegen die Alternative für Deutschland (AfD) auf die Strasse gegangen. Auslöser war ein privates Treffen von Rechtskonservativen, Idenditären, AfD- und CDU-Mitgliedern in einem Hotel bei Potsdam. Solche Meetings gab es in der Vergangenheit häufiger. Aber dieses wurde zu Jahresbeginn, also mehrere Wochen später, in vielen deutschen Medien so dargestellt, als stehe ein neues 1933 vor der Tür. Das hatte weniger mit Antifaschismus, sondern mit …

… der Angst der etablierten Parteien (vor allen bei den Grünen und der SPD) zu tun, bei den künftigen Wahlen massiv Stimmen an die rechte AfD zu verlieren. Bei den Protesten gegen Rechts waren von Anfang an Politiker:innen der Regierungsparteien SPD und Bündnis90/Die Grünen dabei, was oft recht unkritisch bejubelt wurde.

Analogien
In einigen Städten erinnerten parteiunabhängige Antifaschist:innen daran, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erst vor wenigen Wochen Abschiebungen
im grossen Stil propagiert hatte – und CDU und CSU die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft als Sanktionsmöglichkeit für mutmassliche Extremist:innen in die Diskussion brachten. Diesen parteiunabhängigen Linken wurde sofort vorgeworfen, sie würden das ach so breite Bündnis gegen Rechts spalten. Zudem wurden auch einzelne unabhängige Antifaschist:innen sofort in
die Ecke des «Linksextremismus» gestellt. Das macht eben deutlich, wie gut auch hier die Extremismusdoktrin funktioniert: Wie soll ein solches Bündnis auf Dauer handlungsfähig sein, wenn es zu einem wahlpolitischen Vorfeld von SPD und Grünen mutiert? Sind in einem solchen heterogenen Bündnis überhaupt inhaltliche Diskussionen möglich? Kann da beispielsweise kritisiert werden, dass die rechte Klausur zur «Remigration» in Potsdam oft mit der WannseeKonferenz gleichgesetzt wird, obwohl damit die Shoah relativiert wird? Am 20.Januar 1942 fand in einer Villa am Grossen Wannsee in Berlin eine geheime Besprechung statt. Fünfzehn hochrangige Vertreter der nationalsozialistischen Reichsregierung und der SS-Behörden kamen
zusammen, um den begonnenen Holocaust an den Juden im Detail zu organisieren und die Zusammenarbeit der beteiligten Instanzen zu koordinieren. Dabei gäbe es eine treffende historische Analogie: die Harzburger Front. Es handelt sich dabei um ein Treffen von Konservativen aller Couleur mit der NSDAP und Kapitalvertretern 1931 in Bad Harzburg. Doch es hat Gründe, warum diese historische Parallele nicht gezogen wird. Denn mit dem Verweis auf die Harzburger Front würde auch deutlich, dass Nazis und Faschist:innen als Bewegung zwar eigenständig entstehen können, aber bisher nur mit Unterstützung von Rechtskonservativen und Teilen des Kapitals an die Macht kamen. Genau darüber aber soll bei dem Kampf gegen Rechts nicht geredet werden.

AfD-Verbot als verbindende Forderung?
Der Publizist Sebastian Friedrich, der auch die Rolle der Abschiebepolitik von SPD, Grünen und Union erwähnt,schlägt in einem Artikel in der Wochenzeitung «Freitag» vor, die Forderung nach einem AfD-Verbot zum verbindenden Element der Bündnisse gegen Rechts zu machen. Doch es sind ja vor allem Vertreter:innen von Parteien, die die Verbotsdebatte vorantreiben. Da kommt schnell der Verdacht auf, dass es vor allem darum geht, einen politischen Konkurrenten auszuschalten. Rechte Wähler;innen würden diese Parteien gerne nehmen und vor allem: Sie würden selber rechte Forderungen durchsetzen. Das zeigte sich am letzten Januar-Wochenende bei der Landratswahl in dem kleinen thüringischen Saale-Orla-Kreis. Da setzte sich in der Stichwahl ein rechter CDU-Kandidat sehr knapp gegen den Bewerber der AfD durch. Zuvor hatten Linke, SPD und Grüne diese Entscheidung zu einer Schicksalswahl zwischen Demokratie und Faschismus ausgerufen. Am Ende sahen sie es als grossen Sieg, dass ein CDU-Kandidat gewann, der für schnellere Abschiebungen eintrat und gegen das Bürgergeld polemisierte. So könnte die Wahl im Saale-Orla-Kreis tatsächlich ein Menetekel für Linke sein, die sich vor allem auf den Kampf gegen die AfD konzentrieren. Sie lassen dann jegliche linken Forderungen fallen, weil es ja jetzt gilt, niemand zu verschrecken. Damit mag man manche AfD-Politiker:innen eine Niederlage beifügen, aber das ist kein Beitrag für einen Kampf gegen eine rechte Politik. Denn eigentlich war Linken einmal klar, dass rechte Politik eben nicht nur von der AfD ausgeht. Rechte Politik im Interesse des Kapitals wird auch von der Union, der FDP, von grossen Teilen der SPD und den Grünen praktiziert. Diese Parteien könnte man den Eigentümer:innenblock nennen, weil sie alle die kapitalistische Ordnung auf allen Ebenen verteidigen.

System infrage stellen
Eine gesellschaftliche Linke, die dagegen ankämpfen will, müsste aufzeigen, dass dieser Eigentümer:innenblock sich politisch längst nicht so stark unterscheidet, wie die Kampagne gegen die AfD suggeriert. Die meisten Parteienvertreter:innen bekämpfen die AfD nicht wegen ihrer rechten Politik, ihren Rassismus und Antifeminismus. Sie bekämpfen sie als Konkurrenten um die Wähler:innen. Eine gesellschaftliche Linke sollte hingegen ein System infrage stellen, dass immer wieder Faschismus, Rassismus und Antisemitismus produziert. Das gilt für parteiförmige Linke, mehr aber noch für Gruppen und Einzelpersonen, die in verschiedenen Kämpfen im Alltag engagiert sind. Ob im Kampf gegen hohe Mieten, für gewerkschaftliche Rechte, für feministische und
antirassistische Forderungen: Es muss dabei immer um mehr als eine Abwehr der AfD gehen. Hier besteht für die geschwächte gesellschaftliche Linke, die durch die Auseinandersetzungen im Nahen Osten und den Krieg in der
Ukraine noch mehr zerstritten ist, eine grosse Aufgabe. Peter Nowak

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