Warum scheint selbst bei der VVN-BdA die Harzburger Front vergessen, die doch die passende Analogie für das rechte Treffen wäre?

Keine Wannseekonferenz 2.0

Eine rechte Klausur in Potsdam zum Thema Remigration sorgt mehr als zwei Monate später für große Aufregung. Das wäre eigentlich positiv, wenn hier nicht mit falschen historischen Vergleichen gearbeitet würde. Die richtige Analogie ist die Harzburg Front.

Unmittelbarer Anlass war eine vor wenigen Tagen lancierte Meldung des linksliberalen Mediennetzwerks Correctiv, das eine Art Neuauflage der Harzburger Front beobachtet und ausgewertet hatte. Als Harzburger Front bezeichnete man in der Spätphase der Weimarer Republik ein Bündnis von Nazis, Rechtskonservativen und verschiedenen staatstragenden Parteien. Auf Initiative von Alfred Hugenberg, seit 1928 Vorsitzender der rechtskonservativen Deutschnationalen Volkspartei, traf sich am 11.Oktober 1931 in Bad Harzburg die …

… „Nationale Opposition“ zu einer Großveranstaltung, um ihre Geschlossenheit im Kampf gegen die Weimarer Republik zu demonstrieren. Neben der NSDAP, dem Stahlhelm und dem Alldeutschen Verband waren an der rechten Sammlungsbewegung auch der landwirtschaftliche Reichslandbund und rechtskonservative Persönlichkeiten beteiligt. Zu ihnen gehörten der ehemalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht und General Hans von Seeckt sowie Vertreter von einem Teil des deutschen Kapitals.

Obwohl es auch danach weiter Konflikte zwischen den unterschiedlichen Rechten gab, kann das Treffen als Vorbereitung für das spätere Bündnis von Nazis, Rechtskonservativen und Kapital gesehen werden, die am 30.Januar 1933 die Macht in Deutschland übernahmen.

Auch in Potsdam trafen sich im November 2023 in einem noblen Hotel CDU-Mitglieder, andere Rechtskonservative, einige Vermögende und AfD-Politiker und sprachen unter anderem über Remigration, die massenhafte Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund. Dabei muss man sich zunächst über die Informationspolitik der Medien wundern. Da wurde von einem Geheimtreffen von Rechtsextremisten und AfD-Politiker:innen gesprochen, als ob die große Mehrheit der AfD-Politiker:innen nicht selbst Rechtsextremist*innen wären. Interessanter wäre es, darauf einzugehen, dass auch CDU-Mitglieder und Personen aus der Wirtschaft bei dem Treffen anwesend waren.

Diese Tatsache wurde durch die Themensetzung in den Hintergrund gedrängt. Auch der Begriff Geheimtreffen ist irreführend. Es handelte sich um ein nicht-öffentliches Treffen oder eine Klausurtagung, wie sie tagtäglich in solchen Hotels zu ganz anderen Themen stattfinden. Ein wirkliches Geheimtreffen würde sicherlich nicht in einem solchen Hotel stattfinden.

Falsche historische Vergleiche
Politisch absurd ist der Vergleich des Potsdamer Treffens mit der Wannseekonferenz, auf der der Massenmord an den Juden besprochen wurde. Selbst eigentlich progressive Jurist:innenverbände hauen in diese falsche Kerbe, in dem sie von Wannsee 2.0 reden. Das ist aber ein bedeutender Rückschritt in einer linken Debatte, die sich schon etwas genauer mit der Shoah und dem mörderischen deutschen Antisemitismus befasst hat.

Die Vernichtung der Juden war ein deutsches Mordprojekt und ist in keinen Fall mit Diskussionen über die Deportation von Geflüchteten zu vergleichen. Die Remigrationskonzepte sind zu bekämpfen, egal, ob sie von SPD, der Union oder Rechtsaußen forciert werden. Sie sind aber nicht die Vorstufe der Shoah. Hier werden einfach alle Erkenntnisse der jahrelangen Diskussion über den eliminatorischen Antisemitismus negiert.

Es ist bedauerlich, dass selbst die VVN-BdA, die ja einmal von kommunistischen und sozialistischen Widerstandskämpfer:innen gegen den NS gegründet wurde, in ihrem Text „Das Geheimtreffen der Neonazi-Elite – drei historische Analogien“* ebenfalls auf die Wannseekonferenz rekurriert und die Harzburger Front überhaupt nicht erwähnt. Dabei waren es gerade ehemalige Widerstandskämpfer:innen gegen den NS wie Esther Bejarano, Peter Gingold und Emil Carlebach, die auf Veranstaltungen der VVN-BdA junge Menschen über die Harzburger Front informierten und ihnen so das Wissen näherbrachten, dass die Nazis nur mit Unterstützung von Rechtskonservativen und Kapitalfraktionen an die Macht kommen konnten.
Diese Erkenntnisse sind heute auch bei Menschen weitgehend verschüttet, die sich gegen die Rechte engagieren. Um so wichtiger, daran zu erinnern.