Bauernproteste: Minister dementiert Umsturz – vor Ultrarechten wird gewarnt. Statt Alarmismus lohnt ein Blick zurück und in Nachbarländer. Ein Kommentar

Power to the Bauer – oder alles rechtes Pack?

Nun sind die Anknüpfungspunkte für Linke bei den bäuerlichen Protesten eher noch kleiner. Aber sie sind vorhanden und sie können genutzt werden. Das machte die AG Grüne Gewerke bei der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU) deutlich. Sie rief unter der Parole "Agrarwende von unten und nazifreier Acker" zu den bäuerlichen Protesten auf.

Power to the Bauer – das war auch mal eine linke Parole. In einer langen Reihe standen die Traktoren am Montagabend hinter dem Brandenburger Tor in Berlin. Es war der erste Tag der angekündigten …

Protestwoche von Bäuerinnen und Bauern, welche die Medien schon seit Tagen beschäftigen.

Das zog am Montagabend in Berlin auch Passanten an. „Ich habe im Radio davon gehört und dachte, das guckst du dir mal an“, sagte eine ältere Frau, die ihren Abendspaziergang mit Hund für einer Stippvisite beim bäuerlichen Protest nutzte. Schließlich passiert es ja nicht so oft, dass man Traktoren in Berlins-Mitte sieht.

Beeindruckt war die Frau davon, dass manche sogar ihr Dixie-Klo hinter dem Traktor befestigt und mitgebracht hatten. An einigen Stellen war vor den Traktoren Stroh ausgerollt. Daneben hatten sich Bäuerinnen und Bauern bei einem heißen Getränk um eine Feuertonne versammelt.

Handschuhe und Socken als Zeichen der Solidarität

Dorthin kamen auch andere Passanten, die Fragen an die Bauern hatten. Andere zeigten auch ihre Unterstützung, indem sie warme Handschuhe und Socken die Protestierenden überreichten.

An verschiedenen Traktoren waren Deutschland-Fahnen zu sehen, an manchen auch noch das Banner des Bundeslandes, aus dem die Protestierenden kamen. Die Parolen auf den selbstgemalten Schildern, die auf einigen der Gefährte zusehen waren, blieben eher allgemein. Da wurde daran erinnert, dass die Bauern für die Ernährung der Bevölkerung sorgen und die Belastungen durch die Politik wurden auch sehr allgemein beklagt.

Nur wenige Traktoren waren mit Slogans verziert, die sich gegen die Bundesregierung im Allgemeinen und die Energiewende im Besonderen richteten.

Eher konservativ, aber ohne Galgen

Deutlich wurde aber, dass es hier um den Protest einer eher konservativen ausgerichteten Statusgruppe geht. Von den inkriminierten Motiven, die in den letzten Tagen durch die Medien gingen – wie beispielsweise Galgenattrappen – war in Berlin nichts zu sehen.

An anderen Orten hat es sie aber gegeben. Und es ist stimmt auch, dass viele rechte und rechtsoffene Gruppen über Wochen zu diesen bäuerlichen Protesten mobilisierten.

Da wurden dann schnell aus Hashtags Schlagworte, die in die politische Debatte eingespeist wurden. Begriffe wie „Generalstreik“ und „Umsturz“ wurden aber erst dann so richtig mit Bedeutung aufgeladen, als Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte, einen Umsturz werde es nicht geben.

Das wird die rechten Grüppchen freuen, denn sie können sich nun rühmen, vom politischen Establishment immerhin so ernst genommen zu werden, dass sogar ein leibhaftiger Bundesminister ihre Hashtag-Parolen dementieren muss.

Als noch Linke zum Aufstand aufriefen

Solche Aufwertung hatten linke Gruppen selten zu vermelden, die in einer Zeit, in der die gesellschaftliche Linke noch etwas weniger marginalisiert war als heute, auch zu größeren Proteste mit gesellschaftsumspannenden Utopien hervorgetreten ist. Da wurde bei jeden Arbeitskampf der Generalstreik angepriesen und bei Hochschulprotesten durften auch Parolen wie „Uni brennt“ oder „anständiger Aufstand“ – um nur zwei Beispiele zu nennen –, nicht fehlen.

An verschiedenen Traktoren waren Deutschland-Fahnen zu sehen, an manchen auch noch das Banner des Bundeslandes, aus dem die Protestierenden kamen. Die Parolen auf den selbstgemalten Schildern, die auf einigen der Gefährte zusehen waren, blieben eher allgemein. Da wurde daran erinnert, dass die Bauern für die Ernährung der Bevölkerung sorgen und die Belastungen durch die Politik wurden auch sehr allgemein beklagt.

Nur wenige Traktoren waren mit Slogans verziert, die sich gegen die Bundesregierung im Allgemeinen und die Energiewende im Besonderen richteten.

Eher konservativ, aber ohne Galgen

Deutlich wurde aber, dass es hier um den Protest einer eher konservativen ausgerichteten Statusgruppe geht. Von den inkriminierten Motiven, die in den letzten Tagen durch die Medien gingen – wie beispielsweise Galgenattrappen – war in Berlin nichts zu sehen.

An anderen Orten hat es sie aber gegeben. Und es ist stimmt auch, dass viele rechte und rechtsoffene Gruppen über Wochen zu diesen bäuerlichen Protesten mobilisierten.

Da wurden dann schnell aus Hashtags Schlagworte, die in die politische Debatte eingespeist wurden. Begriffe wie „Generalstreik“ und „Umsturz“ wurden aber erst dann so richtig mit Bedeutung aufgeladen, als Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte, einen Umsturz werde es nicht geben.

Das wird die rechten Grüppchen freuen, denn sie können sich nun rühmen, vom politischen Establishment immerhin so ernst genommen zu werden, dass sogar ein leibhaftiger Bundesminister ihre Hashtag-Parolen dementieren muss.

Als noch Linke zum Aufstand aufriefen

Solche Aufwertung hatten linke Gruppen selten zu vermelden, die in einer Zeit, in der die gesellschaftliche Linke noch etwas weniger marginalisiert war als heute, auch zu größeren Proteste mit gesellschaftsumspannenden Utopien hervorgetreten ist. Da wurde bei jeden Arbeitskampf der Generalstreik angepriesen und bei Hochschulprotesten durften auch Parolen wie „Uni brennt“ oder „anständiger Aufstand“ – um nur zwei Beispiele zu nennen –, nicht fehlen.

Natürlich freuten sich auch die linken Protagonisten, wenn dann konservative Zeitungen und Politiker diese Parolen aufgriffen und vor radikaler Unterwanderung und Vereinnahmung der Proteste warnten. Nur, dass dann auch noch ein Minister den Aufstand höchstselbst absagte, das gab es damals selten.

Es scheint, dass auch viele Linke diese Zeiten heute vergessen oder verdrängt haben. Wie sonst ist es zu erklären, dass da auch in manchem linken Medium der Eindruck erweckt wurde, als stünde jetzt durch die Bauernproteste gleich eine Art Revolution von rechts vor der Tür.

Noch rebellisch oder schon ruhebedürftige Mitte?

Das ist besonders fatal, weil dann auch die wenigen gesellschaftlichen Linken den Eindruck erwecken, sie gehörten selber zum „Juste Milieu“, zur ruhebedürftigen Mitte, die sich durch jede Form von Renitenz gestört fühlt. Das konnte man schon 2022 im Frühherbst beobachten, als sich abzeichnete, dass es zu Protesten gegen Inflation und Teuerung kommen könnte.

Manche in der gesellschaftlichen Linken fragten sich, ob jetzt die Revolte von rechts kommt. Das hatte zweierlei Konsequenzen. Die Fatalere bestand darin, jeden Protest schon mal vorsorglich abzulehnen, weil ja die Rechten sich daran beteiligten könnten.

Bewegungen kommen selten wie bestellt

Andere zogen die Konsequenz, besonders früh zu linken Protestaktionen aufzurufen, um den Rechten nicht das Feld zu überlassen.

Letzteres hatte nur meist das Manko, dass die Linken auf den Protesten weitgehend unter sich geblieben sind. Harald Rein, Sozialwissenschaftler und langjähriger Aktivist der Erwerbslosenbewegung, monierte mit Recht: Warum sollten arme und marginalisierte Menschen genau dann auf die Straße gehen, wenn die Linken denken, es wäre an der Zeit?

Da wurde also oft nicht danach gesehen, was potenziell von der Teuerung Betroffene an Überlebensstrategien entwickelten, weil es darum ging, den Rechten nicht die Straße zu überlassen.

„Agrarwende von unten und nazifreier Acker“

Nun sind die Anknüpfungspunkte für Linke bei den bäuerlichen Protesten eher noch kleiner. Aber sie sind vorhanden und sie können genutzt werden. Das machte die AG Grüne Gewerke bei der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU) deutlich. Sie rief unter der Parole „Agrarwende von unten und nazifreier Acker“ zu den bäuerlichen Protesten auf.

Sie unterstützte die Forderungen der Bauern und machte zugleich die Abgrenzung nach rechts deutlich. Mit dieser Orientierung hatte die FAU auch schon vor 20 Jahren die Proteste gegen Hartz IV unterstützt. Allerdings dürfte ihr Einfluss in der bäuerlichen Protestszene sehr begrenzt sein.

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

Besser dort verankert ist die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die mit einem Sechs-Punkte-Plan zur „Wir haben es satt“-Demonstration am 20. Januar nach Berlin aufruft.

Sie ist überzeugt „dass die Ursachen der aktuellen und angekündigten Proteste vieler Bäuerinnen und Bauern sehr viel tiefer liegen als in den bisher geplanten Streichungen der KfZ Steuerbefreiung und der Dieselrückvergütung selbst“ und will vor allem faire Bedingungen für eine ökologisch-nachhaltigere Lebensmittelerzeugung erreichen.

Genau hier würde auch der Anknüpfungspunkt für eine gesellschaftliche Linke liegen. Schließlich brachten sich schon vor fast 15 Jahren sozialpolitische Initiativen – vor allem ausgehend von der Arbeitslosenhilfe Oldenburg – erfolgreich in eine Demonstration dieser Art ein. Hier wurden die Interessen von Menschen mit wenig Geld und die der Bäuerinnen und Bauern verknüpft.

Solche Bündnisse könnten durch einen aktualisierten Forderungskatalog erneuert werden. Das wäre auf jeden Fall eine bessere Reaktion auf die Bauernproteste, als nur vor der Gefahr von Rechts zu warnen.

Wenn Konservative auf ein Milieu mit Ruhebedürfnis treffen

Das Fatalste für eine gesellschaftliche Linke, die sich noch ernst nimmt, wäre es, sich in den Kreis der selbsternannten Mitte zu begeben, für die jede Protestbewegung als Störung ihres Ruhebedürfnisses gilt.

In der taz hat Lea Fauth dieses Milieu nach der Aufregung über eine verhinderte Anlandung von Bundeswirtschaftsminister Habeck gut charakterisiert.

Dass die deutsche Öffentlichkeit über diesen Fast-Vorfall in Schnappatmung gerät – bedenklich. Die Aufregung über die „Gewalt“, die gar nicht passiert ist und nur vermutlich passiert wäre, sagt viel über Deutschlands erbärmliche Protestkultur und ein defizitäres Verständnis von Demokratie aus. In anderen Ländern gehört es zum Standardrepertoire, Politiker:innen aufzusuchen, zu stören und gegebenenfalls deren Fortbewegung zu blockieren. Warum auch nicht?Lea Fauth, taz

Tatsächlich gehören auch Treckerblockaden in vielen Ländern wie Italien, Frankreich, Holland zur regelmäßigen Protestagenda. Auch in Deutschland wurde zu Zeiten der Anti-AKW-Bewegung und der Anti-Castor-Proteste jeder mit seinem Traktor beteiligte Landwirt mit Applaus und „Power to Bauer-Rufen“ begrüßt.

Sind diese Kontakte nun ganz abgebrochen, oder können die wieder hergestellt werden? – Vielleicht schon zur „Wir haben es satt“-Demonstration übernächsten Samstag. (Peter Nowak)