Wut über unsoziale Kürzungspolitik: Wo sie sich mit Geraune über "linksgrüne" Bevormundung verbindet – und wie die AfD zu Subventionen steht. Ein Kommentar.

Bauern gegen Agrardiesel-Kürzung: Wie berechtigter Protest von rechts vereinnahmt wird

Für den 20. Januar ruft – wie auch in den vergangenen – das "Wir haben es satt"-Bündnis wieder zu einer bundesweiten Demonstration in Berlin auf. Es könnte ein Gegengewicht zu der rechtsoffenen Mobilisierung werden. Hier gäbe es weitere Anknüpfungspunkte für ein Bündnis von Landwirten, die nicht in rechtsoffenen Organisationen arbeiten wollen, mit anderen sozialen Bewegungen.

„Kommt am 8. Januar 2024 in Deutschland der Generalstreik?“ – Eine solche Frage hätte man eigentlich von linken Bewegungsaktivisten erwartet, die immer zum Generalstreik auffordern. Dass sie nun im rechten Medium Freie Welt, in dem die AfD-Politikerin Beatrix von Storch eine wichtige Rolle spielt, gestellt wird, irritiert zunächst. Doch es geht hier auch nicht um Arbeitskämpfe im Produktionsbereich oder bei der Bahn. Vielmehr sollen …

 … die schon angelaufenen Bauernproteste gegen die Haushalts- und Energiepolitik der Ampel-Regierung endgültig von rechts vereinnahmt und zur neuen Protestbewegung hochgejazzt werden.

Da wird mit dem Begriff „Generalstreik“ ein Erwartungshorizont gesetzt, der faktisch nicht realisiert werden kann. Ein Generalstreik basiert auf der Selbstorganisierung der Lohnabhängigen, wie in der Veranstaltungsreihe „Vergessene Arbeitskämpfe“ dargelegt wird.

Gegen angeblich grüne Bevormundung

Der von rechtsoffenen Bauernverbänden wie „Landwirtschaft verbindet Deutschland“ angekündigte Protest basiert vor allem auf der Möglichkeit, mit Traktoren wichtige Zufahrtsstraßen zu blockieren – also den Verkehr aufzuhalten, wie es auch die in rechten Kreisen verhassten „Klimakleber“ der „Letzten Generation“ immer wieder tun.

Ansonsten hoffen die Verbände, dass auch Spediteure und Handwerker mit ihnen „streiken“. Die Bauernproteste können von rechts gut genutzt werden, weil hier ein berechtigter Protest gegen eine unsoziale Kürzungspolitik mit einem vagen Geraune über die angebliche Bevormundung durch „grüne Ideologie“ verbunden wird.

Da versucht die AfD auf den Zug der Proteste gegen die Streichung der Agrardiesel-Beihilfe aufzuspringen, obwohl sie laut in ihrem Grundsatzprogramm selbst Subventionen abbauen will. Auch für die Landwirtschaft fordert sie darin seit Jahren: „Mehr Wettbewerb, weniger Subventionen“.

Kritik bleibt diffus und unreflektiert

Da wird recht allgemein gegen die „Politikversager Scholz, Habeck und Lindner“ geraunt, ohne strukturelle Probleme der kapitalistischen Agrarpolitik und den Konkurrenzdruck durch teils extreme Ausbeutung auf Plantagen in Niedriglohnländern auch nur zu erwähnen.

Da fehlt auch jede Selbstkritik bei den konservativen Landwirtschaftsorganisationen, die jahrzehntelang von der Subventionspolitik profitiert haben.

Dass die Aufrufe zu den Bauernprotesten nach rechts offen sind, ist aber kein Zufall, denn die Vernetzungsarbeit lief schon lange vor der Haushaltseinigung, der unter anderem die Agrardiesel-Beihilfe zum Opfer fiel.

Ein rechter Ex-Geheimdienstchef mutiert zum Agrarexperten

In den letzten Monaten gab es immer wieder Meldungen über Annäherungen von bestimmten Bauernverbänden und der AfD, worüber beispielsweise die taz regelmäßig berichtete. Erst im August 2023 war auch der CDU-Rechtsaußen Hans Georg Maaßen in Niedersachsen zu einer Veranstaltung mit Bauernverbänden eingeladen.

Hier wird schon deutlich, dass sich ein Teil der organisierten Landwirte ganz bewusst Kontakte nach Rechtsaußen suchen. Schließlich ist Maaßen bisher in keiner Weise als Experte für Fragen der Landwirtschaft aufgefallen.

Was ihn, den Ex-Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes, auszeichnet, sind Kontakte ins rechte Lager beziehungsweise in die Grauzone zwischen AfD, rechter CDU und Freien Wählern. Hier gibt es Bewegung; und hier könnten die angekündigten Bauernproteste zur Vernetzung genutzt werden.

Neue rechtsoffene soziale Bewegung?

Nun ist sicher klar, dass der Begriff „Generalstreik“ Hochstapelei ist. Dennoch könnte eine neue soziale Bewegung entstehen, in der die Linke höchstens am Rand steht und in der sich Rechte unterschiedlicher Couleur zwischen vermeintlich unpolitischen Landwirten gut präsentieren können.

Das ist natürlich eine weitere Herausforderung für die ohnehin geschwächte Restlinke. Die Kräfte werden kaum zu mehr reichen, als bestimmte rechte Verbindungen zu analysieren und bekannt zu machen.

Viel bewirken wird es bei diesem Protestmilieu nicht, denn die organisierten Landwirte, die zu den Protesten am 8. Januar aufrufen, interessiert schlicht nicht, was die gesellschaftliche Linke diskutiert. Sie ist für sie schlicht kein Bezugspunkt.

Wo die Grünen noch als „linkes“ Feindbild taugen

Das zeigt sich schon daran, dass für dieses Milieu die weit in die rechte Mitte gerückten Grünen noch immer als „linkes“ Feindbild taugen. Hinzu kommt, dass es die gesellschaftliche Linke, die sich auf Karl Marx stützte, in vielen Ländern auch historisch schon immer schwer hatte, Bauernproteste einzuordnen.

Das liegt auch an einer bestimmten Marx-Exegese, nach der die Bauern eher als reaktionär eingeordnet werden und die Zukunft beim Industrieproletariat liegt. Erst neuere Schriften, beispielsweise von Kohai Saito, haben den ökologischen Marx entdeckt, der sich durchaus Gedanken über die Probleme der Naturvernutzung und der Landwirtschaft gemacht hat.

„Wir haben es satt“: Bauern- und Sozialprotest ohne Rechtsdrall

Jenseits dieser theoretischen Überlegungen gibt es durchaus auch in der jüngeren Vergangenheit Beispiele, wie sich soziale Bewegungen mit Bäuerinnen und Bauern im Protest verbinden können. Ein Beispiel ist das „Wir haben es satt“- Bündnis, das vor mehr als 15 Jahren unter anderem von der Oldenburger Arbeitsloseninitiative mit initiiert wurde.

Die Grundidee war und ist, dass auch arme Menschen sich gesundes Essen leisten können sollen. Dafür aber brauchen sie genügend Geld. Das ist auch im Sinne der Landwirte, die ihre Produkte verkaufen müssen. So gab bei Protesten von Erwerbslosen auch einen Block von Landwirten mit Traktoren, die für eine Gesellschaft demonstrierten, in der sich alle Menschen gesundes Essen leisten können.

Für den 20. Januar ruft – wie auch in den vergangenen – das „Wir haben es satt“-Bündnis wieder zu einer bundesweiten Demonstration in Berlin auf. Es könnte ein Gegengewicht zu der rechtsoffenen Mobilisierung werden. Hier gäbe es weitere Anknüpfungspunkte für ein Bündnis von Landwirten, die nicht in rechtsoffenen Organisationen arbeiten wollen, mit anderen sozialen Bewegungen. (Peter Nowak)