Am Samstag geht ein Bündnis in Berlin auf die Straße. Motto: "Nein zu Kriegen". Warum manche Gruppen den Aufruf nicht unterzeichnen und dennoch dabei sind.

Keine Haushaltssperre bei der Rüstung – und breiter Protest trotz großer Differenzen

Vor neun Monaten spielte auch die Abgrenzung von rechten Mitdemonstranten eine große Rolle. Dafür tragen auch Mitorganisatorinnen wie Wagenknecht eine Verantwortung, weil sie und ihr Mann Oskar Lafontaine diffus davon redeten, dass alle Kriegsgegner "ehrlichen Herzens" an der Demo teilnehmen sollen. Eine klare Absage von rechten Gruppen im globalen Maßstab findet sich auch im Aufruf der "Neuen Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg", an der sich neben der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) auch andere internationalistische Gruppen beteiligen.

Während in allen Bereichen gespart werden soll, ist ausgerechnet das Sondervermögen Bundeswehr von den Vorgaben der Haushaltssperre ausgenommen. Das ist nur konsequent für eine Bundesregierung, die Deutschland wieder kriegsfähig machen will. Dagegen soll am 25. November in Berlin demonstriert werden. Ein breites Bündnis hat dazu aufgerufen. Erwartet werden …

… Kriegsgegner aus ganz Deutschland. Die Großdemonstration für einen Waffenstillstand in der Ukraine hat am 25. Februar für viel Aufmerksamkeit und kontroverse Diskussionen gesorgt. Sie konzentrierten sich damals auf die beiden zentralen Organisatorinnen Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht. Im Nachhinein hat sich die Erzählung verbreitet, der Vorstand der Partei Die Linke habe die Abspaltung des „Wagenknecht-Flügels“ maßgeblich provoziert, indem er sich geweigert habe, die Demonstration zu unterstützen.

Neun Monate später ist am kommenden Samstag in Berlin erneute eine Großdemonstration geplant – dieses Mal unter dem Motto „Nein zu Kriegen – Rüstungswahnsinn stoppen – Zukunft friedlich und gerecht gestalten“.

Es geht speziell um zwei Kriege

Dieses Motto wirft gleich in mehrfacher Hinsicht Fragen auf. In der Regel wird das Wort Krieg im Singular gebraucht. Die Parole „Stoppt den Krieg“ meint eigentlich den Widerstand gegen jeden Krieg. Daher ist das Plural im Aufruf erklärungsbedürftig. Der Aufruftext lässt erkennen, dass die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten gemeint sind. Doch wann begann dieser Krieg?

Der Krieg in der Ukraine – und nun auch in Nahost – muss – wie alle Kriege auf der Welt – beendet werden. Deshalb fordern wir einen Waffenstillstand und Verhandlungen als zentrale Forderung, damit das Töten und Morden sowie die tägliche Zerstörung beendet werdenAus dem Aufruf zur Demonstration „Nein zu Kriegen Rüstungswahnsinn stoppen – Zukunft friedlich und gerecht gestalten“

Der gemeinsame Nenner in Bezug auf die doch so unterschiedlichen Konflikte ist die Haltung, die Gewalt möge enden. Das wird noch mit der Aussage bekräftigt, dass Sicherheit nur miteinander, nie gegeneinander möglich sei. Diese scheinbar allzu menschliche Aussage ist aber zutiefst unpolitisch.

Historisch gesehen war mit dem Naziregime keine Sicherheit möglich – es musste zerschlagen werden. Spätestens nach den Pogromen der Hamas am 7. Oktober ist auch für viele Israelis keine Sicherheit mit einem von der Hamas beherrschten Gaza-Streifen möglich. Für die Bewohner der Kibbuzim an der Grenze zu Gaza ist diese Behauptung geradezu zynisch, dass sich doch alle vertragen sollen.

Nicht wenige von ihnen haben sich für eine Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern eingesetzt, was sie aber nicht vor dem islamistischen Terror bewahrte. Tatsächlich sind diese Plattitüden à la „Vertragt Euch alle“ auch eine Absage an alle Versuche, Kriege als Folge von Kapitalismus und Nationalismus zu erklären, wie es in der Arbeiterbewegung versucht wurde.

Tatsächlich richtet sich der Aufruf an eine diffuse Friedenssehnsucht in der deutschen Bevölkerung, für die weder der Konflikt in der Ukraine noch der im Nahen Osten „ihr Krieg“ ist. Damit konnten im Februar viele Menschen mobilisiert werden. Ob es am Samstag noch einmal gelingt, wird sich zeigen.

Warum keine Konzentration auf die Rüstungsausgaben?

Konkreter wird der Aufruf in Bezug auf die massiven Rüstungskosten, die bei den laufenden Haushaltsberatungen vom 27. bis zum 30. November verabschiedet werden sollten. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgericht, das die Schuldenbremse besonders streng auslegte, ist die Terminplanung nicht mehr gültig.

Es wird wohl noch länger dauern, bis der Haushalt für das nächste Jahr feststeht. Zudem gibt es innerhalb der Bundesregierung Streit über die Prioritäten des nächsten Haushalts. Eine Fraktion will notfalls bei den Ausgaben für Klimaschutz und Soziales kürzen, um die hohen Rüstungskosten zu tragen. Manche diskutieren über verschiedene Konzepte, die Schuldenbremse zumindest für das nächste Jahr zu umgehen.

Doch unter den Regierungsparteien gibt es keine relevanten Stimmen, die fordern, dass gerade nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei der Rüstung zu sparen sei. Im Gegenteil: Sprecher der Bundesregierung betonten, dass die Haushaltssperre für den Rüstungsetat nicht gelte.

Daher ist es erstaunlich, dass die Organisatoren der Friedensdemonstration hier nicht zuspitzen und klar fordern, die Gelder für soziale Ausgaben statt für Rüstung auszugeben. Es ist offensichtlich, dass hier ein bürgerliches Publikum angesprochen werden soll, das nicht durch scharfe Kapitalismuskritik oder auch nur eine klare Positionierung für soziale Belange verschreckt werden darf.

In dieser Frage hat sich das Bündnis „Heizung, Brot und Frieden“ klarer positioniert. Dort wird benannt, dass die Gelder statt in die Rüstung für Krankenhäuser oder Schulen ausgegeben werden sollten.

Wie am 25. Februar wird auch neun Monate später Sahra Wagenknecht wieder zu den Rednerinnen gehören. Aber auch der Vizechef der Partei Die Linke, Ates Gürpinar, der in der Vergangenheit immer wieder Postionen von Wagenknecht kritisiert hat, steht auf der Redeliste.

Er setzt sich auch für die Aufnahme von Deserteuren aus allen Ländern ein, eine Forderung die vor neun Monaten fehlte. Dass – anders als am 25. Februar – jetzt auch ein Vertreter des Vorstands der Linken zu den Rednern gehört, macht auch deutlich, dass die Auseinandersetzung um die Demonstration vor neun Monaten vom Machtkampf zwischen Wagenknecht und ihren Kritikern geprägt war.

Schließlich hatte der Linken-Politiker Gregor Gysi erklärt, dass er am 25. Februar angeboten hatte, eine Rede zu halten. Das aber sei von den Organisatoren abgelehnt worden.

Aktuell mobilisieren neben der Partei Die Linke und Wagenknechts Umfeld auch die ver.di-Bezirke Stuttgart und Südhessen, das Forum der SPD-Linken und die von Alice Schwarzer gegründete Zeitschrift Emma nach Berlin. In rund 40 Städten wird eine gemeinsame Anreise mit Bussen und Bahnen organisiert.

Darüber hinaus unterstützen 130 teils prominente Einzelpersonen die Demonstration, darunter die Linken-Politiker Gregor Gysi und Dietmar Bartsch und Gewerkschafter wie der frühere IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters.

Wie umgehen mit rechten Demonstranten?

Vor neun Monaten spielte auch die Abgrenzung von rechten Mitdemonstranten eine große Rolle. Dafür tragen auch Mitorganisatorinnen wie Wagenknecht eine Verantwortung, weil sie und ihr Mann Oskar Lafontaine diffus davon redeten, dass alle Kriegsgegner „ehrlichen Herzens“ an der Demo teilnehmen sollen.

Das wurde vor allem von antifaschistischen Gruppen heftig kritisiert, weil es eben rechte Demonstranten nicht explizit ausschloss, wenn sie keine entsprechenden Symbole zeigten. Eine ähnliche Kritik äußert die Initiative Geradedenken auch jetzt.

Eine klare Absage von rechten Gruppen im globalen Maßstab findet sich auch im Aufruf der „Neuen Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg“, an der sich neben der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) auch andere internationalistische Gruppen beteiligen.

Sie wenden sich bei aller Kritik an der israelischen Regierung gegen die Schonung der Hamas, bezeichnen diese als faschistisch und fordern von allen Friedenskräften eine eindeutige Verurteilung der Oktober-Pogrome. An der geplanten Demonstration wollen sie teilnehmen, aber ohne den Aufruf des Demo-Bündnisses zu unterzeichnen.

Die Hamas strebt mit ihrer islamistisch-faschistischen Ideologie einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild an, was das Gegenteil von Befreiung ist. Wer die Hamas verteidigt und sie als Teil des palästinensischen Befreiungskampfs bezeichnet, der betreibt Querfront-Politik. 

Dem entspricht die Haltung eines Teils der bisherigen Friedensbewegung, die auch in Deutschland eine Zusammenarbeit mit Querfront-Kräften anstreben. In Wirklichkeit kann es keine „Querfront“ als Zusammenarbeit von Rechts und Links geben.Aus dem Aufruf der Neuen Friedensbewegung gegen Faschismus und Krieg

Eine Position, die eigentlich auch im zentralen Aufruf der Demonstration hätte Platz finden sollen. (Peter Nowak)