Deprimierende Wahlresultate in Bayern und Hessen. Deutlicher Rechtsruck in beiden Bundesländern. Warum es noch bitterer ist, dass Linke keine echte Alternative bieten.

Wahlen in Bayern und Hessen: Politisches Beben durch AfD?

Doch was ist von einer möglichen neuen Partei um Wagenknecht zu erwarten? Auf der Abschlusskonferenz eines Kommunismus-Kongresses in Berlin erklärte Harry Grünberg, einer der Protagonisten dieser neuen Partei, offen, dass sie an die SPD unter Willy Brandt anknüpfen wolle. Da fragt man sich doch, ob das nicht eine Rechtsabspaltung der heutigen Linkspartei wäre. Man erinnert sich, dass Willy Brandt für die Berufsverbote stand und es damals eine große linke Bewegung gegen Brandt gab.

Nach jeder Landtagswahl hört man auf allen Kanälen das übliche Politikergeschwätz. Die Vertreter der siegreichen Parteien strotzen vor Kraft und die Verlierer reden von Kurs halten, nach vorn schauen. So auch am Montag nach der Wahl in der Sendung „Kontrovers“. Bemerkenswert war, dass der Sender neben zwei Vertretern von SPD und CSU auch eine den Grünen nahestehende Wissenschaftlerin eingeladen hatte, die in jedem zweiten Satz vor dem Rechtspopulismus warnte. Bestätigt wurde sie durch ….

…. Zuhörer, die über das Wahlergebnis entsetzt waren.

Einerseits ist es gut, dass sich hier noch Stimmen gegen einen Rechtsruck artikulieren. Es stellt sich aber die Frage, ob es sinnvoll ist, dass sich in Sendern wie dem Deutschlandfunk vor allem Linksliberale selbst bestätigen oder nach Wahlniederlagen ihre Wunden lecken.

Wäre es nicht viel sinnvoller gewesen, wenn der gebührenfinanzierte Sender einen Vertreter der AfD eingeladen und ihn mit kritischen Fragen zu seinem tatsächlichen Programm vor sich hergetrieben hätte?

Warum zeigt niemand, dass die Partei knallharte Kapitalinteressen vertritt, für Geringverdiener auch mit deutschem Pass nur Lohnarbeit um jeden Preis im Angebot hat und mit ihrer Kampagne gegen Arbeitsmigranten ohne deutschen Pass zur Spaltung beiträgt?

Das nützt nur dem Kapital. Statt die AfD mit diesen und vielen anderen unbequemen Tatsachen zu konfrontieren, versteht man sich auch im Deutschlandfunk oft mehr als linksliberale Wohlfühlzone. Damit wird nur reproduziert, was gesellschaftlich längst Usus ist. Jeder will seine Blase möglichst nicht verlassen. Aber gerade ein öffentlich-rechtlicher Sender sollte sich diesem fatalen Trend entgegenstellen und die gesellschaftlichen Widersprüche abbilden.

Diese kommen im Wahlergebnis vom vergangenen Sonntag besonders gut zum Ausdruck.

Campact und die politische Kultur

Es ist ein Kampf zwischen zwei Spielarten des Kapitalismus in Deutschland. Für die eine stehen die Grünen und ihnen nahestehende Organisationen und Verbände. Dazu gehört die Bewegungsplattform Campact, die eigentlich als Plattform einer außerparlamentarischen Bewegung angetreten war, die die Parteien allenfalls vor sich hertreiben wollte, aber eigentlich auf Distanz zu ihnen blieb.

Seit die Grünen auch auf Bundesebene Regierungsverantwortung übernommen haben, ist diese Distanz geschwunden. In Zeiten von Kernenergie und Ukraine-Krieg wurde Campact immer mehr zum Sprachrohr der Grünen in der außerparlamentarischen Protestszene. So war es keine Überraschung mehr, als Campact unter dem nichtssagenden Motto „Rechtsruck stoppen“ dazu aufrief, bei der bayerischen Landtagswahl keine Kleinstparteien zu wählen. Dies richtete sich primär gegen die Linke, die allerdings auch ohne solche Aufrufe nicht über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen wäre.

Der Aufruf war somit eine kaum verhohlene Wahlempfehlung für SPD und Grüne. Dass die Grünen gerne als Juniorpartnerin der CSU Politik machen würden, wurde dabei völlig unterschlagen. Nach den Erfahrungen ihrer Regierungsbeteiligung in Hessen hätte das bedeutet, dass sie viele Zumutungen, gegen die die außerparlamentarische Bewegung auf die Straße gegangen ist, unter grünem Deckmantel mitgetragen hätte.

In Bayern wird es zu einer solchen Konstellation wohl nicht kommen, da sich die CSU unter Söder frühzeitig auf eine Fortsetzung der Rechtskoalition mit den Freien Wählern festgelegt hat. Damit tritt auch in Bayern das Szenario ein, das Campact mit seinem Wahlaufruf eigentlich verhindern wollte: Die AfD wird nach Hessen auch in Bayern zur stärksten Oppositionspartei, weil sie stärker geworden ist als die Grünen. Wenn man sich aber auf solche wahltaktischen Debatten einlässt, geht der politische Inhalt völlig verloren. Das wird auch in der Begründung des Aufrufs deutlich:

Wird die AfD in Bayern tatsächlich die stärkste Oppositionspartei, beschädigt das dauerhaft die politische Kultur im Land. Denn die Rechten hätten dann bei jeder Parlamentsdebatte das erste Wort – und können diese mit ihrem Hass vergiften. Für uns Demokrat*innen muss es daher jetzt darum gehen, den Siegeszug der AfD zu stoppen.

Campact zur Landtagswahl in Bayern

Hier wird nicht einmal benannt, wer konkret durch die Wahl rechter Parteien benachteiligt wird: Migranten, politische und sexuelle Minderheiten. Es wird auch nicht gesagt, dass ein Erfolg für die Freien Wähler auch ein Freifahrtschein für Antisemitismus ist, wenn er nur ein paar Jahrzehnte zurückliegt.

Stattdessen wird die Beschädigung der politischen Kultur im Land angeprangert. Da hat sich eine eigentlich außerparlamentarische Bewegung schon die Sprechweise von Politikern angeeignet, die nach jedem rechtsextremen Anschlag immer davon sprechen, dass Deutschland Schaden nehme und nicht von konkreten Personen.

Keine neuen Ideen in der Linken

Für die Linkspartei setzte sich die erwartete Serie von Niederlagen bei den Landtagswahlen fort. In Bayern, wo sie noch nie im Landtag vertreten war, fiel sie erneut zurück. Vor allem aber das Ausscheiden aus dem hessischen Landtag wird den Zerfallsprozess beschleunigen.

Mit Thomas Lutze hat sich bereits ein Bundestagsabgeordneter der Linken unter die Fittiche der SPD gerettet. Natürlich hat Sahra Wagenknecht die Niederlagen der Linken genutzt, um die Partei, der sie offiziell noch angehört, erneut zu attackieren.

Doch was ist von einer möglichen neuen Partei um Wagenknecht zu erwarten? Auf der Abschlusskonferenz eines Kommunismus-Kongresses in Berlin erklärte Harry Grünberg, einer der Protagonisten dieser neuen Partei, offen, dass sie an die SPD unter Willy Brandt anknüpfen wolle.

Da fragt man sich doch, ob das nicht eine Rechtsabspaltung der heutigen Linkspartei wäre. Man erinnert sich, dass Willy Brandt für die Berufsverbote stand und es damals eine große linke Bewegung gegen Brandt gab.

Für eine Partei, die angeblich soziale Themen in den Vordergrund stellen will, ist es ein Armutszeugnis, dass niemand an einen Karl Schiller erinnert, der damals die Interessen des Kapitals durchsetzen wollte. Gegen dieses Modell Brandt-Schiller haben zehntausende Arbeiterinnen und Arbeiter gestreikt. Warum aber sollte sich eine sozialkonservative Linke am Septemberstreik orientieren, wenn ihre Vordenkerin längst zur Verteidigung des deutschen Mittelstandes aufgerufen hatte? (Peter Nowak)