Prominente fordern Außenministerin auf, in den USA Freiheit für den Wikileaks-Gründer zu verlangen

Baerbock soll sich für Assange einsetzen

Seit über vier Jahren sitzt Julian Assange in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis. Die USA wollen ihn zu lebenslanger Haft verurteilen, weil er Kriegsverbrechen enthüllte. Die Ampelkoalition schweigt zu seinem Fall. Die Unterzeichnenden erinnern Baerbock zudem daran, dass sie, damals Kanzlerinkandidatin der Grünen, sich wenige Wochen vor der Bundestagswahl 2021 einer Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sowie dem Appell des UN-Sonderberichterstatters Nils Metzer angeschlossen und die »sofortige Freilassung« von Assange gefordert hatte.

Annalena Baerbock traf am Dienstag zu einer mehrtägigen USA-Tour im texanischen Houston ein. Dass die deutsche Außenministerin während ihrer Reise den Fall des seit mehr als vier Jahren im britischen Hochsicherheitsgefängnis in Isolationshaft sitzenden Journalisten Julian Assange ansprechen wird, darf bezweifelt werden. Etwa 80 Personen des öffentlichen Lebens der Bundesrepublik finden aber, dass die Grünen-Politikerin genau darüber mit ihrem Amtskollegen Antony Blinken sprechen sollte. Sie haben einen von dem Enthüllungsjournalisten Günther Wallraff initiierten offenen Brief an Baerbock unterzeichnet. Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks ist im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh bei London inhaftiert, weil die US-Behörden seine Auslieferung verlangen. Er hatte Beweise für Verbrechen der US-Streitkräfte an Zivilisten unter anderem im Irak-Krieg und in Afghanistan öffentlich gemacht. Das gilt den Vereinigten Staaten als Spionage, Hochverrat und Gefährdung Militärangehöriger. Weltweit protestieren Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände seit Jahren gegen die Verfolgung des 52-Jährigen, in der sie einen beispiellosen Angriff auf die Pressefreiheit sehen. In dem am Freitag veröffentlichten Brief äußern die Unterzeichnenden die Erwartung, dass die Ministerin …

… gegenüber Blinken den Fall »zur Sprache bringen und sich deutlich für ein Ende der Verfolgung von Assange einsetzen« sowie sich der Forderung anderer Regierungen nach dessen Freilassung anschließen solle. Sie teilen »die Auffassung von Amnesty International, Reporter ohne Grenzen und nahezu allen Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbänden weltweit, dass die Verfolgung von Julian Assange einen schwerwiegenden Angriff auf die Medienfreiheit darstellt, den es mit aller Entschlossenheit zurückzuweisen gilt«. Die USA versuchen seit Jahren in einem juristischen Tauziehen, die Auslieferung von Assange aus Großbritannien zu erreichen. Seine rechtlichen Möglichkeiten, diese zu verhindern, sind inzwischen weitgehend erschöpft, die britische Kammer gab seiner Auslieferung bereits statt. Die US-Justiz will dem Australier wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft.  Zu den Unterzeichner*innen des Briefs an Baerbock gehören ihr Amtsvorgänger Sigmar Gabriel (SPD), Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP), die Schriftsteller Daniel Kehlmann und Navid Kermani, der Regisseur und Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff sowie mehrere Chefredakteur*innen. Auch Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands (DJV) ist einer der Unterstützer. »In Ihrem Einsatz für verfolgte Journalisten darf es keine doppelten Standards geben. Es ist paradox, berechtigte Kritik an der Unterdrückung von Journalisten in Diktaturen zu üben, aber zu der Verfolgung von Assange durch die Führungsmacht des freien Westens zu schweigen. Eine wertebasierte Außenpolitik muss auch gegenüber Partnern und Verbündeten gelten«, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: »Wir sind in großer Sorge um die Gesundheit und das Leben des Journalisten Julian Assange sowie die Bedrohung der Meinungs- und Pressefreiheit in Europa.« Die Unterzeichnenden erinnern Baerbock zudem daran, dass sie, damals Kanzlerinkandidatin der Grünen, sich wenige Wochen vor der Bundestagswahl 2021 einer Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sowie dem Appell des UN-Sonderberichterstatters Nils Metzer angeschlossen und die »sofortige Freilassung« von Assange gefordert hatte. Seit ihrem Amtsantritt als Außenministerin hat sie sich jedoch bislang nicht öffentlich zu dem Fall geäußert.  Wallraff hat sich wiederholt für Assange eingesetzt. Bereits 2020 initiierte er einen ähnlichen offenen Brief, der sich an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) richtete. Viele der Unterstützer*innen des neuen Schreibens gehörten auch damals zu den Unterzeichnenden.  Assange ist unterdessen bereits seit elf Jahren seiner Bewegungsfreiheit beraubt. 2012 hatte er in der Botschaft Ecuadors in London Zuflucht vor der britischen Justiz gesucht – und konnte deren Gelände danach sieben Jahre nicht verlassen. Nach dem Regierungswechsel in Ecuador wurde er 2019 faktisch an die britische Justiz ausgeliefert. Seither ist er in Belmarsh inhaftiert.  Peter Nowak

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