Matthias Thaden: Migration und Inne- re Sicherheit. Kroatische Exilgruppen in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980. De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2022, 365 Seiten, 24,95 Euro

Fast unbehelligt

Einst gab es noch eine deutschlandkritische Linke, die auf diese Kontinuitätslinien hinwies. Heute scheint sich die hingegen von vielen befürchtete Schlussstrichpolitik weitgehend durch- gesetzt zu haben. Daher ist das Buch von Thaden umso wichtiger, weil es auch ein Schlaglicht auf die Unterstützung von NS-Kollaborateur*innen in der BRD bis in die 1970er-Jahre wirft.

Sie warfen die Sprengsätze in die jugoslawische Handelsmission. Dann übergossen sie Möbel, Teppiche und Akten mit Benzin, so dass binnen weniger Minuten alles in Flammen stand. Der Hausmeister der Handelsmission wurde im Beisein seines 12jährigen Sohnes durch einen Lungenschuss getötet. Dieser Anschlag ereignete sich am 29. November 1962 in Mehlem bei Bonn und war der Höhepunkt der Terrorwelle von rechten exilkroatischen Gruppen in der Bundesrepublik. Sie konnten über Jahre in der BRD fast unbehelligt agieren und Terror nicht nur gegen jugoslawische Einrichtungen, sondern auch gegen Menschen aus Jugoslawien ausüben, die sich nicht vor dem Karren der Rechten spannen lassen wollten. Bisher ist über die rechten Strukturen der Exilkroat*innen wenig bekannt. Da hat der Historiker Matthias Thaden mit seinen Buch …

…. »Migration und innere Sicherheit. Kroatische Exilgruppen in der Bundesrepublik 1945–1980« Pionierarbeit geleistet. Es ist auch ein Stück späte Geschichtsaufarbeitung. Schließlich handelte es sich größ- tenteils um Anhänger*innen des kroatischen Ustascha-Regimes, eines engen Bündnispartners von Nazideutschland. Sie einte der Hass auf Linke und Juden.

Nachdem die jugoslawische Partisan*innen- bewegung unter Tito die kroatischen Faschis- ten vertrieben hatte, fanden führende ihrer Funktionär*innen in Nazideutschland Zuflucht. München wurde ihre inoffizielle Hauptstadt. »Lange Zeit waren kroatische Nationalisten, unter ihnen Anhänger des faschistischen Ustascha-Regimes, eine der aktivsten Exilgruppen in der Bundesrepublik Deutschland. Global eng vernetzt und untereinander zum Teil spinnefeind, den manche Akteure auch mit politischer Gewalt austrugen«, schreibt Thaden. Er beginnt mit einem Exkurs zum Ustascha- Staat, der sich Unabhängiger Staat Kroatien (NDH) nannte und an der Seite von Nazideutschland sowie des faschistischen Italien stand.

In den zwei Jahren der Ustascha-Herrschaft zwischen 1941 und 1943 wurden nach neuesten Schätzungen rund 310.000 Serb*innen, etwa 26.000 Jüdinnen und Juden sowie 20.000 Angehörige der Romaminderheit ermordet. Nicht wenige der Täter*innen, denen die Flucht vor der siegreichen Partisan*innenbewegung gelang, konnten sich in der BRD im beginnenden Kalten Krieg bald wieder im alten Sinne betätigen. Selbst Mitgliedern der wegen ihrer Mordaktionen besonders berüchtigten Mitglieder der Waffen-SS-Division »Handzar« war es in der BRD möglich, unbehelligt zu agieren. Unterstützt wurden sie vom Klerus, und politischen Beistand gab es vom Bundesvertriebenenministerium.

Auch in den kroatischen Exilstrukturen sorgte die Frage, ob man zumindest taktische Zugeständnisse an die veränderte Zeit machen sollte, für Zerwürfnisse und Spaltungen. So bemühte sich das Kroa- tische Nationalkomitee (HNO) nach dem Vorbild vieler Exnazis in Deutschland, als Kämpferin für das Abendland gegen den Bolschewismus aufzutreten und die NS-Bezüge zurückzustellen. Dagegen standen die Vereinigten Kroaten Deutschlands (UHNj), die ein ungebrochen positives Verhältnis zur faschistischen Vergangenheit Kroatiens propagierten und selbst taktische Neuausrichtungen als Verrat bezeichneten. Thaden zeigt aber auch an verschiedenen Beispielen, dass die angeblich gemäßigtere HNO enge Kontakte zu Altnazis hatte.

Lange wurden diese Aktivitäten von den west- deutschen Behörden zumindest toleriert; faschistische Terrorakte sorgten für Aufmerksamkeit auch im Ausland. Das änderte sich in den 1960ern: Plötzlich wurde über Ausländerkriminalität gesprochen. Thaden beschreibt sehr detailreich, wie hier ein neues Betätigungsfeld für die repressiven Staatsapparate geschaffen wurde. Eine erneute Wendung gab es in den 1960er-Jahren im Zuge der Entspannungspolitik: Das blockfreie Jugoslawien wurde zum Partner der BRD, und da passten die Aktionen der Ewiggestrigen nicht mehr so ins Bild.

Thadens materialreiche Studie endet 1980. In einem der letzten Kapitel geht er auf die Kontakte zwischen rechten Kroat*innen und verschiedenen alt- und neofaschistischen Gruppen in der BRD ein, darunter waren die Deutsche Volksunion und die Deutsche Nationalzeitung, aber auch jüngere Neonazis. Mit Verweis auf das Antifaschistische Infoblatt erwähnt Thaden, dass diese Verbindungen in den 1990er-Jahren dazu führten, dass bekannte Rechte aus Deutschland aufseiten Kroatiens gegen die jugoslawische Armee kämpften. Damals wurde durch die von Deutschland mit vorangetriebene Politik der Zerschlagung Jugoslawiens ein zentrales Ziel der rechten Exilkroat*innen umgesetzt: ein eigener Staat, der sich in der Gedenkpolitik positiv auch auf Gestalten aus dem Ustascha-Regime bezieht. Einst gab es noch eine deutschlandkritische Linke, die auf diese Kontinuitätslinien hinwies. Heute scheint sich die hingegen von vielen befürchtete Schlussstrichpolitik weitgehend durchgesetzt zu haben. Daher ist das Buch von Thaden umso wichtiger, weil es auch ein Schlaglicht auf die Unterstützung von NS-Kollaborateur*innen in der BRD bis in die 1970er-Jahre wirft.

Peter Nowak

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