Das "Zentrum für Politische Schönheit" zeigt sich erneut als Meister der konformistischen Revolte. Die Aktion "Punish Putin" hat es in sich. Da darf die grüne Klientel über Dinge lachen, die sie offiziell nicht zu sagen wagt.

Fortsetzung deutscher Außenpolitik unter dem Deckmantel der Kunst

Das Problem sind nicht einige Künstler, die hin und wieder mal die große Öffentlichkeit suchen. Das Problem sind die Menschen, die diese Aktionen feiern und bejubeln – es ist die Rechtsentwicklung eines grünen Milieus

Ein Mann im orangegelben Overall in Handschellen – ähnliche Bilder aus dem extralegalen US-Gefangenenlager im kubanischen Guantanamo sind vor einigen Jahren um die Welt gegangen. Zunächst denkt man, da will jemand darauf hinweisen, dass das Lager noch immer nicht vollständig geschlossen ist, auch wenn aktuell wenig darüber gesprochen und geschrieben wird. Doch auf den zweiten Blick sieht man, dass es sich bei dem Mann in Guantanamo-Kluft um den …

… russischen Machthaber Wladimir Putin handelt. Die Aktion des Zentrums für politische Schönheit (ZPS), von dem man zum Glück einige Zeit nichts hören musste, hat auch keineswegs den Zweck, Guantanamo anzuklagen.

Vielmehr dient das Motiv als Schocker – und nicht ganz unterschwellig wird natürlich auch signalisiert, für manche Subjekte sei ein Guantanamo doch noch gut. Zweck des Ganzen ist eine Online-Abstimmung über die Frage, wie Putin bestraft werden soll. Auch mit bl

Mit einer ständig aktualisierten Laufschrift sollen die neusten Informationen zur Kampagne geliefert werden. Unterdessen werden bereits Fahndungsaufrufe nach Putin verbreitet.

Nun gäbe es aus emanzipatorischer Sicht sicherlich gute Gründe, den russischen Nationalisten zur Verantwortung ziehen, der ganz klar in der Tradition der antibolschewistischen Rechten steht. Es gibt wahrlich genug, was man ihm vorwerfen kann, angefangen bei der Verfolgung von liberaler und linker Opposition und der Diskriminierung von Minderheiten aller Art in Russland. Auch etliche Russen haben sicher ein legitimes Interesse, das Machtsystem von Putin zum Kippen zu bringen und ihn und die engste Nomenklatura anzuklagen.

Natürlich würde dabei auch der Krieg gegen die Ukraine eine Rolle spielen. Neben zahlreichen Menschen, die in der Ukraine ihr Leben verloren, wurden und werden auch viele russische Männer gegen ihren Willen als Kanonenfutter für die Interessen des russischen Nationalismus verheizt.

Warum keine Kampagne für die Aufnahme aller Deserteure?

Auch werden noch immer junge Männer, die sich dem Zwang zum Militär durch Flucht in einen EU-Staat entziehen wollen, daran gehindert. Diese faktische Unterstützung der russischen Kriegspolitik ist Alltag. So erfährt man beiläufig in einem Reisebericht in der taz, in dem die Journalistin Jelina Malkowski über eine Fahrt mit dem Nachtzug Istanbul – Bukarest schreibt:

im Abteil nebenan begleitet eine deutsch-russische Frau ihren russischen Neffen, der vorm Militärdienst flieht, Richtung Deutschland. Die bulgarischen Beamtinnen und Beamten lassen sie aber leider nicht weiterfahren und so müssen sie nach Diskussionen und Bitten mitten in der Nacht aus dem Zug aussteigen.


Jelina Malkowski, taz

Der Kampf um die Einreise aller Deserteure der gegenwärtigen Kriege, natürlich auch aus Russland, wäre ein lohnendes Thema für eine Kampagne und würde darüber hinaus noch eine Initiative unterstützen, die genau diese freie Einreise der Deserteure aus Russland, Belorussland und der Ukraine fordert. Diese Kampagne wird von pazifistischen Organisationen wie Connection e. V. unterstützt und richtet sich an die Europäische Kommission mit drei klaren Forderungen:

Geben Sie Deserteuren und Verweigerern aus Belarus und der Russischen Föderation Schutz und Asyl! 

Fordern Sie die ukrainische Regierung auf, die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern einzustellen und ihnen ein umfassendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu garantieren! 

Öffnen Sie die Grenzen für diejenigen, die sich unter hohem persönlichen Risiko in ihrem Land gegen den Krieg stellen!

Nachdem das ZPS in der Vergangenheit mehrere Aktionen den Rechten von Menschen auf der Flucht gewidmet und dabei stets betont hat, dass westliche Staaten sich durch Abschottung schuldig machen und Menschenleben opfern, ist das Schicksal der Wehrdienstflüchtigen aktuell kein Thema.

Lieber werden augenzwinkernd zivilisatorische Errungenschaften wie das Folterverbot in Frage gestellt, weil es nun mal das Böse in Gestalt von Putin gibt. Auch über tödliche Bestrafungsmöglichkeiten kann abgestimmt werden. Damit soll angeblich eine Prozessvorbereitung des Internationalen Gerichtshofs unterstützt werden.

Das Zentrum für Politische Schönheit und seine Mitglieder zeigen sich hier einmal mehr als konformistische Rebellen, die eine Art radikalisierte Fortsetzung der deutschen Außenpolitik mit den Mitteln der Kunst vorantreiben wollen.

Vor allem zwischen eine grüne Außenministerin und das ZPS passt kein Blatt Papier. Das merkt man auch der Aneinanderreihung von Phrasen, die dessen Texte prägen. Man könnte sie für Satire halten, doch es ernst gemeint, wenn es im Aufruf des Zentrums an mögliche Unterstützerinnen und Unterstützer heißt:

Als Komplizin leisten Sie einen unschätzbaren Beitrag zur Erregung öffentlicher Unruhe – für den radikalen Humanismus. Werden Sie jetzt konkret und machen Eskalation möglich. Jeder Beitrag hilft. 

Komplizin werden Sie mit einer jährlichen Unterstützung ab 100 Euro, also 8,33 Euro im Monat, 28 Cent am Tag.


Zentrum für Politische Schönheit (ZPS)

Eskalation in rechtem Populismus und Geschichtsvergessenheit

Das Stichwort „Eskalation“ ist durchaus als Drohung zu verstehen. Denn die jüngste Kampagne ist ein Musterbeispiel für rechten Populismus und deutsche Geschichtsvergessenheit. Dazu trägt die Häftlingskleidung im Guantanamo-Style ebenso bei, wie die simple Frage, wie Putin bestraft werden soll, die dann weltweit abgestimmt wird.

Das sind eigentlich Methoden, wie sie von rechten Kampagnen bekannt sind. Da werden Bestrafungsgelüste geäußert, die die rot-grüne Klientel, die ZPS-Aktionen pblicherweise goutiert, sonst nicht laut zu sagen wagt.

Die Frankfurter Rundschau stellt ihre Berichterstattung über die jüngste ZPS-Aktion unter die Frage: „Soll Putin unter die Guillotine“. Man könnte auch formulieren, das ZPS sorgt mit ihren Kampagnen dafür, dass auch in ihrer Klientel die Grenzen des Sagbaren nach dem Vorbild des rechten Populismus erweitert werden.

Das kann sie um unbedenklicher tun, weil sich das ZPS mit seiner Aktion gegen den AfD-Politiker Björn Höcke natürlich längst den Antifastempel verdient hat. Damit ist es ein gutes Abbild einer Klientel, die im Kampf gegen Rechts am liebsten rechtsstaatliche Grenzen niederreißen würde und mit Nazi-, Kryptofaschismus- und Querfront-Vorwürfen meist sehr freigebig umgeht – außer bei den Projekten, die sie selbst unterstützt.

So wird man auch beim ZPS nichts von Nazis in der Ukraine hören und die Fans des Zentrums werden sich nicht fragen, ob durch die „Punish Putin“-Kampagne nicht auch rechte Denkmuster verbreitet werden.

Die Rechtsentwicklung des grünen Milieus

Kaum jemand dürfte sich auch an der deutschen Geschichtsvergessenheit stören, wenn der Präsident eines einst führenden Staates der Anti-Hitler-Koalition nun mit eindeutigen Bezügen auf das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal auf die Anklagebank soll. Es gab eine Zeit, da erhob eine deutschlandkritische Linke noch Einspruch dagegen, dass im Staat der willigen Vollstrecker gefordert wird, dass diejenigen, die Nazideutschland zerschlagen haben, ihrerseits auf die Anklagebank sollen.

Doch davon hört man heute kam noch, das wiedergutgemachte Deutschland hat den Deckel über der deutschen Geschichte endgültig verschlossen. Dabei wurden bei allen Aufarbeitungsbemühungen der letzten Jahrzehnte gerade die Verbrechen, die Deutsche im Zuge des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion verübten, ausgeblendet. Dazu gehörte damals auch das Territorium der Ukraine.

Selbst die Verbrechen an den sowjetischen Kriegsgefangenen, die massenhaft an Hunger, Folter und schlechter Behandlung in deutschen Lagern gestorben sind, wurden nie grundlegend aufgearbeitet. Lokale Initiativen wie Blumen für Stukenbrock, die eine solche Erinnerungsarbeit von unten leisteten, wurden vom Verfassungsschutz beobachtet. Damals lautete der Vorwurf noch kommunistisch beeinflusst und nicht Putin-Versteherei.

Man muss den russischen Machthaber nicht verstehen und sollte schon gar nicht seine Taten verteidigen, um trotzdem die neueste ZPS-Kampagne als Eskalation deutscher Geschichtsvergessenheit abzulehnen. Doch das Problem sind nicht einige Künstler, die hin und wieder mal die große Öffentlichkeit suchen. Das Problem sind die Menschen, die diese Aktionen feiern und bejubeln – es ist die Rechtsentwicklung eines grünen Milieus. (Peter Nowak)