Von unterschiedlicher Seite werden Spaltungstendenzen in der Linkspartei befördert. Dabei gibt es in der Auseinandersetzung keine wirklich linke Seite. Das ist verheerend, wie der Blick nach Italien zeigt.

Linkskonservative gegen Linksliberale

Im Buch "Die Selbstgerechten" geht es nicht um Klassenkampf, sondern um die Werte der ehrlich schaffenden Arbeiter. Es könnte schon sehr wohlwollend als sozialdemokratischer Populismus bezeichnet werden, Linkskonservatismus trifft es aber auch, keinesfalls aber traditionslinks. Wenn aber die entschiedensten Wagenkrecht-Kritiker gerade den Linkskonservatismus und Traditionslinke gleichsetzen, verwischen sie bewusst diesen Unterschied. Sie wollen damit auch keine Partei, die noch klassisch linke Positionen zur Klassenpolitik oder auch den Antimilitarismus vertritt.

„Kommt jetzt die Wagenknecht-Partei?“, heizte das Boulevardblatt Bild Anfang Oktober den „Krimi um mögliche Abspaltung“ von der bestehenden Linkspartei an. Doch auch hinter der Bezahlschranke bleibt es bei Geraune, wie eine mögliche Spaltung aussehen könnte. Die Bild hat dabei noch angebliche Umfragen beigesteuert, die einer Wagenknecht-Partei mindestens …

… zehn Prozent zusichert. Weil sich in den letzten 14 Tagen die Spaltungsgerüchte nicht konkretisierten, legte das Blatt dieser Tage nach.

„Gründet Wagenknecht ihre eigene Partei, könnte dies die AfD halbieren, die Linke komplett wegputzen“, wird ein Mitarbeiter des Meinungsforschungsinstituts Insa zitiert. Der Mann wird immer wieder von dem Boulevardblatt bemüht, wenn es darum geht, mit vielleicht gar nicht so repräsentierten Umfragezahlen Politik zu machen.

Denn natürlich ist das vorrangige Interesse von Bild an der noch gar nicht existierenden Wagenknecht-Partei ein Versuch, in die Innenpolitik einzugreifen. Wenn dann tatsächlich die „Linke“ verschwunden und die AfD halbiert wäre, bliebe das als Nebeneffekt. Dafür würde sich dann aber eine populistische Bewegung etablieren, die von BILD hoch- oder runtergeschrieben werden könnte.

Wie wenig das Springerblatt auch in dieser Auseinandersetzung die Fakten ernst nimmt, zeigt sich schon daran, dass die Redaktion Wagenknecht zur beliebtesten Politikerin hinter CSU-Chef Söder hochstilisiert.

Nicht erwähnt wird, dass in anderen Umfragen Wagenknecht am neunten Platz steht, nur noch AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel wurde schlechter benotet.

Der ganze Hype um die imaginäre Wagenknecht-Partei, die angeblich für ein innenpolitisches Beben sorgen würde, soll vor allem den Druck in der Linkspartei erhöhen. Dort wird durchaus registriert, dass Wagenknecht und ihr Umfeld sich nicht mehr so deutlich von den Bild-Fantasien distanzieren. Es heißt dann immer nur, dass Wagenknecht aktuell Mitglied der „Linken“ ist. Eine eindeutige Absage an Trennungstendenzen sieht anders aus.

„Die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der Linken erfordert, die Koexistenz mit dem Linkskonservatismus in der Partei zu beenden“, heißt es indes in einer Erklärung der „Initiative Solidarische Linke“.

Sie gehört zur Reformlinken, speist sich allerdings aus verschiedenen Flügeln, die bisher meist getrennt agierten. Darunter sind auch mehrere ehemalige oder aktuelle Politikerinnen und Politiker der Gruppierung. Das macht sich auch in dem Passus der Erklärung der Initiative fest, in der es heißt, man strebe eine Partei an …

… die an positive Erfahrungen mit Regierungsbeteiligungen anknüpft und aus negativen Erfahrungen lernt. Die im Programm der Partei fixierten Ziele, die Wahlprogramme und Koalitionsverträge sind für uns Leitlinie des Handelns. Das gilt auch beim Regieren. Sollen dort zentrale Grundsätze der Partei aufgegeben werden, führt der Weg in die demokratische Opposition. Ein für Wähler:innen glaubwürdiger und von Aktivist:innen geschätzter „Gebrauchswert“ bei der Vertretung unserer Ziele, ihrer gesetzlichen Formulierung sowie ihrer konkreten Durchsetzung in den Kommunen, den Unternehmen, im Parlament, in der Regierung ist jedoch immer nötig.

Aus der Gründungserklärung der „Initiative zur programmatischen und strategischen Erneuerung der Partei Die Linke“

Dabei ist auffallend, dass hier sämtliche staats- und parlamentskritischen linken Ansätze völlig ausgeblendet werden, die die Problematik benennen, im Staat des Kapitals mitregieren zu wollen.

Selbst der Begriff des Staates des Kapitals kommt in dieser Initiative sowenig vor wie der Terminus Klassenkampf. Dagegen ist viel von Respekt und vom Kampf gegen Diskriminierung die Rede. Dass ist nicht verwunderlich, wendet sich doch die Initiative gegen den Linkskonservatismus, der bei ihr gleichbedeutend ist mit der Traditionslinken.

Sozialdemokratischer Populismus versus Linksliberalismus

Darunter kann jede Kritik am Staat des Kapitals subsumiert werden, die gerade vom Flügel um Wagenknecht und Co. nicht geleistet wird. Im Buch „Die Selbstgerechten“ geht es nicht um Klassenkampf, sondern um die Werte der ehrlich schaffenden Arbeiter. Es könnte schon sehr wohlwollend als sozialdemokratischer Populismus bezeichnet werden, Linkskonservatismus trifft es aber auch, keinesfalls aber traditionslinks.

Wenn aber die entschiedensten Wagenkrecht-Kritiker gerade den Linkskonservatismus und Traditionslinke gleichsetzen, verwischen sie bewusst diesen Unterschied. Sie wollen damit auch keine Partei, die noch klassisch linke Positionen zur Klassenpolitik oder auch den Antimilitarismus vertritt.

Als traditionslinks kann dann auch eine Position gelten, die eine Parteinahme in einem Krieg zwischen zwei kapitalistischen Staaten ablehnt. Und was ist von der Kritik an Wagenknecht migrationskritischen Postionen zu halten, wenn zu den Unterstützern der Initiative Politiker der „Linken“ gehören, die in ihrer Funktion Abschiebungen zumindest geduldet haben?

Es ist schon merkwürdig, wenn sich diese Politiker von den in der Tat kritikwürdigen Positionen Wagenknechts zur Migration trennen wollen und nicht einmal thematisieren, dass sie solche Positionen in Regierungsfunktion praktisch umsetzen müssen.

So kann man schon sagen, dass die Erneuer-Initiative eine im Kern linksliberale Partei mit etwas ethischen Sozialismus im Programm anstreben. Das ähnelt dann den linksreformistischen Parteien, die in Italien aus der Erbmasse der einst starken Kommunistischen Partei in dem Land hervorgegangen ist.

Sie wurden gerade vor wenigen Wochen von der Rechten an den Wahlurnen geschlagen. Das macht einmal mehr deutlich, dass Linksliberalismus mitnichten ein Bollwerk gegen die Rechte ist, da können die Bekenntnisse gegen Rechts nicht darüber hinwegtäuschen.

Richtig ist aber auch, dass auch das Wagenknecht-Lager kein Bollwerk gegen Rechts ist, auch wenn Bild und Co. diesen Eindruck erwecken.

Ist Kritik an Wagenknecht klassistisch?

Der Publizist Christian Baron hat in der Wochenzeitung Freitag die These vertreten, dass die Kritik an Wagenknecht klassistisch wäre. Ihren Kritikern wirft er vor:

Wenn sie nun darauf hoffen, dass Wagenknecht der Partei den Rücken kehrt, dann wollen sie sich vor allem jener Klientel entledigen, die Wagenknecht anspricht. Bei diesen Menschen handelt es sich selten um akademisch gebildete Vorzeigelinke. Vielmehr sind es meist Persönlichkeiten ohne festes Weltbild, manchmal sogar mit AfD-Affinität, denen die Alltagserfahrungen im neoliberalen Kapitalismus ein gesundes Misstrauen beschert hat gegen jene, die sie als Teil des Etablissements ausgemacht haben.

Es ist sicher so, dass ein Teil dieser Menschen sich von „Aufstehen“ anfangs angesprochen sah? Doch warum haben sie nicht für Zulauf in dieser Sammlungsbewegung gesorgt, gerade, weil sie vom Parteistand der Linkspartei nie akzeptiert wurde? Lag es vielleicht daran, dass auch Wagenknecht Personen aus dem linksliberalen Spektrum als Repräsentationsfiguren für „Aufstehen“ eingebunden hat, darunter ehemalige Politiker der Grünen, der SPD und Künstler?

Von der großen Basisnähe blieb da nicht mehr so viel übrig. So bleibt zu konstatieren, dass im innerparteilichen Streit in der „Linken“ Linksliberale gegen Linkskonservative stehen, die beide keine grundsätzliche Kritik an Staat, Nation und Kapital verfolgen.

Das dürfte auch bei der neu aufgetauchten Gruppe Die Unbeugsamen nicht anders sein, die sich so wie Aufstehen, als Sammlungsbewegung versteht und sich gegen Ausgrenzungen in der Linkspartei wendet.

Alle diese Strömungen und Neugründungen haben wenig zu tun mit realen sozialen Kämpfen und Streiks. Peter Nowak