Ein Film würdig Gabriele Althaus, eine in Vergessenheit geratenen Exponentin der linken 68er Bewegung

Ein emanzipiertes Leben

Der Film zeigt auch den Emanzipationsprozess einer Frau, die als Schülerin schwanger wird und darauf die Schule verlassen muss. Nachdem ihr Mann jung starb, wurde Althaus alleinerziehende Mutter und arbeitete als Grundschullehrerin. In den späten 1960ern wurde sie zur Zielscheibe einer Kampagne im Tagesspiegel,weil sie Gedichte des jüdischen Lyrikers Paul Celan im Unterricht behandelte. Für den konservativen Redakteur war das ein Beispiel für das Treiben der 68er-LehrerInnen.

„Als ich mich 1972 an der Freien Universität am Soziologischen Institut bewarb, waren die marxistischen Dogmatiker gegen meine Berufung. Zu wenig Marx-Exegetiker. Aber es gab andere. Zum Beispiel Gabi Althaus.“ Mit diesen Worten würdigte der Soziologe Urs Jäggi am 5. September 2018 in einem Nachruf seine verstorbene Kollegin und Freundin. Die Soziologin Gabriele Althaus war nicht nur als Expertin für Theodor W. Adorno und Günther Anders bekannt. Sie war auch eine Exponentin der linken 68er Bewegung am Soziologieinstitut der Freien Universität Berlin (FU). Und doch ist Althaus fast drei Jahre nach ihren Tod weit­gehend vergessen. Ein Grund mag auch darin liegen, dass …

… Althaus, die sich mit linken SchriftstellerInnen und TheoretikerInnen intensiv befasste, sich selber mit dem Schrei­ben schwertat. Da es ihr schwerfiel, publizierte sie wenig und konzentrierte sich vor allem auf die Lehre.

„Gabi Althaus hat durch das Wort agiert und nicht durch die Schrift“, sagt der Soziologe und Filmregisseur Matthias ­Coers. Im Jahr 2011 hat er mit Althaus über mehrere Tage ausführliche Interviews geführt, die sich mit ihrer Autobiografie, ihrer Rolle in der 1968er-Bewegung von Westberlin sowie den Auseinandersetzungen der verschiedenen linken Strömungen am Soziologischen Institut der FU befassen. Herausgekommen sind mehr als 10 Stunden Gesprächsmaterial. Am Dienstag, den 24.5. hat der Film „Hier stimmt was nicht! – Gabi Althaus – eine Berliner Soziologin“ um 20 Uhr im Kino Moviemento am Kottbuser Damm 22 Premiere. Neben dem Regisseur Matthias ­Coers werden auch Boris Althaus, der Sohn der Soziologin, sowie weitere FreundInnen und KollegInnen anwesend sein. Der knapp 100-minütige Film zeigt Althaus im angeregten Gespräch vor einen großen Bücherregal, mal trinkt sie einen Schluck Weißwein, mal zündet sie sich eine Zigarette an. Althaus war eine leidenschaftliche Raucherin.

Der Film zeigt auch den Emanzipationsprozess einer Frau, die als Schülerin schwanger wird und darauf die Schule verlassen muss. Nachdem ihr Mann jung starb, wurde Althaus alleinerziehende Mutter und arbeitete als Grundschullehrerin. In den späten 1960ern wurde sie zur Zielscheibe einer Kampagne im Tagesspiegel,weil sie Gedichte des jüdischen Lyrikers Paul Celan im Unterricht behandelte. Für den konservativen Redakteur war das ein Beispiel für das Treiben der 68er-LehrerInnen.

Auf den zweiten Bildungsweg studierte Althaus dann Soziologie. Die Professur bekam sie erst spät. Ein Angebot von Urs Jaeggi, seine Stelle mit Althaus zu teilen, wurde in den frühen 1980ern auch von den VertreterInnen der damaligen Alternativen Liste (AL) in den Gremien des Soziologischen Instituts abgelehnt. Ihnen war Althaus nicht feministisch genug. Peter Nowak

Erstveröffentlichungsort:
https://taz.de/!5853501/