Laut Willi van Ooyen haben sich antimilitarische Initiativen aus ihrer Schockstarre befreit

Friedensbewegung muss sich noch stabilisieren

Willi van Oyen ist langjähriger Aktivist der Friedens- und Sozialbewegung. Von 2008 bis 2017 saß er für die Partei Die Linke im hessischen Landtag. Peter Nowak sprach mit dem 75-Jährigen über die weiteren Aktionen der Friedensbewegung in den kommenden Monaten.

Am ver­gan­ge­nen Sams­tag gab es die Anti-Nato-Kon­fe­renz in Ber­lin und am Sonn­tag eine drei­stün­di­ge digi­ta­le Akti­ons­kon­fe­renz gegen Krieg und Hoch­rüs­tung. Hat die Frie­dens­be­we­gung in Deutsch­land ihre Schock­star­re nach dem rus­si­schen Ein­marsch in die Ukrai­ne überwunden?

… Wir haben in kur­zer Zeit ins­ge­samt vier Aktio­nen orga­ni­siert. Am 19. Mai haben wir eine gut besuch­te Digi­tal­ver­an­stal­tung zu der Fra­ge der Wirt­schafts­sank­tio­nen im Ukrai­ne-Krieg ver­an­stal­tet. Am Sams­tag hat­ten wir dann die Kon­fe­renz »Ohne Nato leben – Ideen zum Frie­den« und am Sonn­tag schließ­lich die Akti­ons­kon­fe­renz. Bereits am 19. Mai ließ das Afgha­nistan­bünd­nis deut­scher Frie­dens­or­ga­ni­sa­tio­nen sechs Mona­te nach dem Abzug der Bun­des­wehr aus Afgha­ni­stan Men­schen aus dem Land in einer Digi­tal­ver­an­stal­tung zu Wort kom­men. Das war eine Reak­ti­on der Frie­dens­be­we­gung auf die Schnell­le­big­keit der Zeit, in der Afgha­ni­stan längst in den Hin­ter­grund getre­ten ist.

War­um fand vor allem die Anti-Nato-Kon­fe­renz grö­ße­re media­le Aufmerksamkeit?

Das liegt natür­lich auch an der medi­al erzeug­ten Kriegs­be­reit­schaft, die zur Aus­ein­an­der­set­zung in der Lin­ken führt. Die Kon­fe­renz wur­de von der Initia­ti­ve Frie­den-Links orga­ni­siert, die sich gegen die Auf­wei­chung der anti­mi­li­ta­ris­ti­schen Grund­sät­ze in der Links­par­tei wen­det. Im Par­tei­vor­stand war man gegen die Ver­an­stal­tung, weil angeb­lich heu­te eine Posi­tio­nie­rung gegen die Nato in der Mehr­heit der Bevöl­ke­rung nicht auf Zustim­mung stößt. Dabei steht die For­de­rung nach Auf­lö­sung der Nato und der Schaf­fung eines Sys­tems kol­lek­ti­ver Sicher­heit im aktu­el­len Pro­gramm der Linken.

Auf der Akti­ons­kon­fe­renz for­der­ten aller­dings meh­re­re Teilnehmer*innen kon­kre­te Aktio­nen gegen die Auf­rüs­tung in der Bun­des­re­pu­blik, bei­spiels­wei­se eine Groß­de­mons­tra­ti­on im Herbst in Ber­lin. War­um gab es dazu kei­ne Einigung?

Ich stim­me den Diskutant*innen auf der Kon­fe­renz zu, die beton­ten, dass der Auf­ruf zu einer Groß­de­mons­tra­ti­on noch lan­ge kei­ne Garan­tie ist, dass vie­le Men­schen kom­men. Dazu ist es erst ein­mal nötig, dass sich die Struk­tu­ren der Frie­dens­be­we­gung vor Ort stabilisieren.

Sehen Sie dafür Anzei­chen oder besteht nicht die Gefahr, dass die Frie­dens­be­we­gung durch den Ukrai­ne-Krieg gesell­schaft­lich noch mehr mar­gi­na­li­siert wird?

Dass die Frie­dens­be­we­gung aus ihrer Schock­star­re nach dem rus­si­schen Ein­marsch in die Ukrai­ne erwacht ist, zeig­te sich bei den dies­jäh­ri­gen Oster­mär­schen. In Frank­furt am Main betei­lig­ten sich dar­an über 3000 Men­schen. Auch in ande­ren Städ­ten, wie in Ber­lin, kamen neue Men­schen und poli­ti­sche Zusam­men­hän­ge dazu. Damit wur­de deut­lich, dass es noch mehr Men­schen gibt, die sich dem Ruf nach immer mehr Waf­fen ent­ge­gen­stel­len. Das hat uns Mut gege­ben, ver­stärkt weiterzumachen.

Wel­che Aktio­nen der Frie­dens­be­we­gung sind in der nächs­ten Zeit geplant?

Da geht es zunächst um die Beglei­tung der par­la­men­ta­ri­schen Debat­te um die Auf­rüs­tung. Die zwei­te und drit­te Lesung des Bun­des­haus­halts und dem Ein­zel­plan 14 (Etat des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, Anm. d. Red) wird in der Haus­halts­wo­che vom 31. Mai bis 3. Juni statt­fin­den. In die­ser Zeit könn­ten dezen­tra­le Aktio­nen statt­fin­den mit dem Schwer­punkt auf den 28. Mai und am 30. Mai in Berlin.

Gibt es dar­über hin­aus wei­te­re wich­ti­ge Daten für die Friedensbewegung?

Eini­ge. Da wäre der Katho­li­sche Kir­chen­tag vom 25. bis 29. Mai in Stutt­gart, bei dem die Fra­ge von Krieg und Frie­den eine Rol­le spie­len wird. Vom 19. bis 26. Juni 2022 ist eine Akti­ons­wo­che zur Schlie­ßung der US-Air-Base Ram­stein geplant. Von dort wer­den noch immer Droh­nen­an­grif­fe an ver­schie­de­nen Kriegs­schau­plät­zen koor­di­niert. Auch auf der Demons­tra­ti­on gegen das G7-Tref­fen in Elmau, die am 25. Juni in Mün­chen geplant ist, wird der Kampf gegen Krieg und Mili­ta­ris­mus eine gro­ße Rol­le spie­len. Die Frie­dens­be­we­gung ist in Deutsch­land also kei­nes­wegs gelähmt, son­dern sehr aktiv.