Die übliche Phrasendrescherei nach Wahlen in der EU

Rettet sich Europa zu Tode?

EU-Feindlichkeit wird ihm vorgeworfen – weil Mélenchon nicht verschweigt, dass die angeblich so offene EU tausende Tote an ihren Grenzen zu verantworten hat. Es braucht keine Präsidentin Le Pen in Frankreich und keinen italienischen Premierminister Salvini, um Geflüchtete mit allen Mitteln an den EU-Grenzen abzuwehren. Der Bürgermeister von Riace, Domenico Lucano, wurde wegen seiner Willkommenskultur in einem kleinen italienischen Dorf zu 13 Jahren Haft verurteilt, als Salvini nicht mehr Teil der Regierung war.

Nichts geht mehr ohne gut platzierte Erwähnung des russischen Präsidenten: „Das waren zwei große Niederlagen für Putin“, erklärte die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Chantal Kopf, in der Deutschlandfunk-Sendung „Kontrovers“, wo am Montag 90 Minuten lang über die Ergebnisse der Präsidentenwahlen in Frankreich und Slowenien debattiert wurde. Neben Kopf waren auch Politiker von SPD und AfD beteiligt. Letztere versucht aus den mehr als 40 Prozent für Marine Le Pen auch Profit für sich selbst zu schlagen, obwohl sie hierzulande nicht ein Viertel dieser Anhängerschaft hat. Die Politikerinnen der SPD und der Grünen waren sich mit den Kommentatoren der meisten Medien einig, dass Europa bei den Frankreich-Wahlen noch einmal Glück gehabt habe. Dass die EU nach Einschätzung der meisten …

… Beobachterinnen und Beobachter im französischen Wahlkampf keine entscheidende Rolle spielte, sondern vielmehr innen- und vor allem wirtschaftspolitische Themen dominierten, wird bei solchen Gelegenheiten einfach ausgeblendet. Denn fast bei jeder Wahl in einem EU-Land geht es um Europa, wie die Phrasendreschmaschine uns weismachen will.

Garantiert geht es im übernächsten Jahr bei der Wahl in Italien wieder um Europa und wenn dann Matteo Salvini und seine rechten Bündnispartner keine Mehrheit finden, wird wieder einmal Europa gerettet sein. Aber vorher muss wohl der Kontinent noch mal in Frankreich gerettet werden, denn im Juni finden dort die Parlamentswahlen statt. Nun deuten Umfragen an, dass die Partei des gerade wiedergewählten Emmanuel Macron dort keine Mehrheit bekommen könnte.

Schlimmer noch, der Linkssozialdemokrat Jean-Luc Mélenchon, der bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl knapp ausgeschieden war, hat seinen enttäuschten Anhängern versprochen, die Parlamentswahl zur dritten Runde im französischen Wahlzirkus zu machen. Etwas großspurig hat er angekündigt, im Fall eines Wahlsiegs dann womöglich Premierminister unter einem Präsidenten Macron zu werden. Dazu müsste die französische Linkspartei aber schon einen Erdrutschsieg hinlegen und sich auch noch mit den anderen linken Parteien einigen, was gar nicht so einfach sein dürfte.

Machtteilung – mit einem linken Premier?

Insgesamt müsste dieser Wunsch nach Kohabitation, also einer unterschiedlichen politischen Besetzung von Präsidentenamt und Premierminister nach bürgerlichem Maßstab sehr zu begrüßen sein. Gehört nicht Teilung der Macht zu den häufig bemühten EU-Werten? Und zeigt Mélenchon nicht mit seinem Wunsch nach Kohabitation, dass er eben nicht der radikale Linke ist, als der er von Liberalen und Grünen aller Couleur gerne hingestellt wird?

So wusste der „schwarz-grüne“ Chefideologe der taz, Peter Unfried, schon vor der zweiten Wahlrunde, warum Linke nicht Macron wählen:

Der Linkspopulist Mélenchon kommt ohne ostentativen Rassismus aus, aber er spielt einen ähnlichen Song – gegen Europa, gegen die Nato und im Zentrum eine national-soziale Ideologie, autoritär gefärbt. „Unbeugsames Frankreich“? Aus dem Parteinamen trieft ja der Nationalismus.

Peter Unfried, taz

Dass vielleicht linke Wähler deshalb nicht Macron wählen, weil der mehr als vier Jahre rechte Politik gemacht hat, und wesentlich mit für die Schwerverletzten bei der Niederschlagung des Protests der Gelbwesten-Bewegung verantwortlich ist, kommt einem Peter Unfried natürlich nicht in den Sinn.

Es ist natürlich interessant, dass ein Präsident, in dessen Regierungszeit zahlreiche unbewaffnete Demonstranten schwere Augenverletzungen durch eigentlich verbotene Geschosse erlitten haben, als Vertreter der europäischen Werte gefeiert wird, während ein Mélenchon und seine explizit antirassistische Bewegung das Etikett des Linkspopulismus aufgeklebt bekommen.

Auch EU-Feindlichkeit wird ihm vorgeworfen – weil Mélenchon nicht verschweigt, dass die angeblich so offene EU tausende Tote an ihren Grenzen zu verantworten hat. Es braucht keine Präsidentin Le Pen in Frankreich und keinen italienischen Premierminister Salvini, um Geflüchtete mit allen Mitteln an den EU-Grenzen abzuwehren. Der Bürgermeister von Riace, Domenico Lucano, wurde wegen seiner Willkommenskultur in einem kleinen italienischen Dorf zu 13 Jahren Haft verurteilt, als Salvini nicht mehr Teil der Regierung war.

Trotzdem wird bei vielen Wahlen in EU-Ländern noch immer das Mantra von den europäischen Werten heruntergeleiert, die angeblich auf dem Spiel stehen, wenn nun nicht die Parteien der faktisch rechten Mitte gewählt werden.

Mitte-Populist siegt in Slowenien

Am letzten Wochenende gab es dann auch noch in Slowenien eine Wahl – und auch dort stand plötzlich Europa auf dem Spiel und wurde wieder einmal gerettet, weil dort der Rechtskonservative Janez Jansa von einem Newcomer aus dem Unternehmerlager besiegt wurde, der weiß, was in der EU angesagt hat. Der siegreiche Robert Golob wirft mit Begriffen wie liberal und grün nur so um sich, steht aber vor allem für eine reibungslose Kapitalpolitik.

Dass der Balkan-Korrespondent der taz, Erich Rathfelder, den slowenischen Wahlsieger zum linksgrünen Hoffnungsträger ausruft, muss als Warnsignal betrachtet werden. Rathfelder war schon beim Krieg gegen Jugoslawien ein entschiedener Bellizist.

Dass aber die anfangs erwähnte Chantal Kopf im Deutschlandfunk die Wahlergebnisse von Frankreich und Slowenien zu zwei Niederlagen für Putin zurechtbastelte, ist nun besonders absurd. Schließlich gehörte Jansa mit der rechtskonservativen polnischen Regierung zu den entschiedensten Unterstützern der Ukraine im Konflikt mit Russland und war auch Mitte März einer der Kurzbesucher im damals noch umkämpften Kiew.

Und die „Jungs von Asow“ werden die Russen verbrennen

Auch ihn störte dabei genauso wenig wie alle die übrigen Beschwörer der sogenannten europäischen Werte, dass in der Ukraine ausgewiesene Faschisten zu den Verbündeten gehören. Daraus machen die Verantwortlichen in der Ukraine kein Hehl.

So zitiert die taz den Berater des Chefs der ukrainischen Präsidialadministration, Oleksi Arestowisch, auf die Entscheidung Putins, das Stahlwerk am Rande von Mariupol nicht zu stürmen: „Die Jungs von ‚Asow‘ werden dort rauskommen und sie (die russischen Soldaten; d. Red.) verbrennen“, zitierte demnach zuerst das Portal Obozrevatel Arestowitsch.

Diese offizielle Ankündigung eines Kriegsverbrechens mit Hilfe von Faschisten wird in der taz mit keiner Silbe kritisch bewertet. Wäre eine solche Äußerung aus dem Umfeld von Putin bekannt geworden, wäre völlig zu Recht die Empörung groß gewesen.

Hier zeigt sich, was hinter der gesamten Phraseologie von europäischen Werten steht, die angeblich mal wieder in Frankreich und Slowenien verteidigt wurden: Für das Verbrennen der russischen Soldaten stehen die Faschisten in der Ukraine bereit, wie auch in anderen Ländern für viele andere Verbrechen. Das läuft problemloser, wenn Leute wie Emmanuel Macron, Marion Draghi und Olaf Scholz die Geschäfte weiter führen. (Peter Nowak)