Baerbocks "Versprecher" hat Tradition. Mehr Ärger gibt es in ihrer Partei, weil sie klimapolitisch nicht hält, was sie im Wahlkampf versprach. Manche, die damit hadern, sehen die Grünen dennoch als "Familie".

Lützerath und „Krieg gegen Russland“ – keine Opposition bei den Grünen

Noch auffälliger ist, dass es bisher keine relevante Kritik an Baerbocks Aussage in der Grünen Partei zu hören ist, die immerhin noch immer ihren pazifistischen und gewaltfreien Gründungsmythos betont. Wer genauer hinschaut, wird merken, dass schon in den 1980er-Jahren sich dort viele Exmaoisten tummelten, die von ihren ehemaligen K-Gruppen den Antisowjetismus mitgebracht hatten.

Ende Januar hat Bundesaußenministerin Baerbock weltweit für Schlagzeilen gesorgt, weil sie bei einer Konferenz des EU-Ministerrats erklärte: „Wir führen einen Krieg mit Russland“. Ihr Ministerium will das nicht als Kriegserklärung verstanden wissen, eine Sicherheitsexpertin bezeichnet es im ZDF als „extrem unglücklichen Versprecher“. Problematisiert wird in öffentlich-rechtlichen deutschen Medien nur, dass Baerbock damit Russland „Stoff für neue Vorwürfe“ geliefert habe – nicht etwa, dass sie selbst nicht mehr auseinanderhalten kann, ob Deutschland und die Nato nun direkt oder indirekt am Krieg beteiligt sind. Die deutsche Botschaft in Moskau hat dazu erklärt: …

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Erneut kommt es im Kosovo zum Kräftemessen serbischer und albanischer Nationalisten. Aber in der Hauptstadt Pristina existiert eine kleine Zivilgesellschaft, die damit nichts mehr zu tun haben will. Sie stört vor allem die Visumspflicht der EU.

Kosovo: „Wenn die Sonne erlischt, bemalen wir den Himmel“

Am Dach des Grand-Hotels in Pristina ist eine Installation auch nach dem Ende der Manifesta weiterhin zu sehen, eine Anzahl von Sternen, die im Dunkeln weit über die Stadt hinaus leuchten. Daneben strahlt in Abständen der Spruch: "Wenn die Sonne erlischt, bemalen wir den Himmel". Das kann durchaus auch als Statement zur politischen Situation in der Region verstanden werden.

Ende Dezember gab es ein kleines bisschen Entspannung in einem eingefrorenen Konflikt in Europa: Im Grenzkonflikt zwischen Serbien und dem Kosovo werden die Straßensperren wieder abgebaut. Der Kosovo mit 1,8 Millionen Einwohnern wird von Belgrad bis heute als abtrünniges südserbisches Gebiet betrachtet. Die Barrikaden hatten die Spannungen zwischen Belgrad und Pristina verschärft. Zuvor schien sich die Lage im Kosovo zuzuspitzen. Die Auseinandersetzungen zwischen Serben und albanischen Kosovaren nahmen weiter zu. Die serbische Regierung hatte am Abend zuvor mitgeteilt, die Armee nach wochenlangen Spannungen mit der kosovarischen Regierung in Pristina in höchste Alarmbereitschaft zu versetzen. Im nördlichen Teil des mehrheitlich albanischen Kosovo …

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Die übliche Phrasendrescherei nach Wahlen in der EU

Rettet sich Europa zu Tode?

EU-Feindlichkeit wird ihm vorgeworfen – weil Mélenchon nicht verschweigt, dass die angeblich so offene EU tausende Tote an ihren Grenzen zu verantworten hat. Es braucht keine Präsidentin Le Pen in Frankreich und keinen italienischen Premierminister Salvini, um Geflüchtete mit allen Mitteln an den EU-Grenzen abzuwehren. Der Bürgermeister von Riace, Domenico Lucano, wurde wegen seiner Willkommenskultur in einem kleinen italienischen Dorf zu 13 Jahren Haft verurteilt, als Salvini nicht mehr Teil der Regierung war.

Nichts geht mehr ohne gut platzierte Erwähnung des russischen Präsidenten: „Das waren zwei große Niederlagen für Putin“, erklärte die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Chantal Kopf, in der Deutschlandfunk-Sendung „Kontrovers“, wo am Montag 90 Minuten lang über die Ergebnisse der Präsidentenwahlen in Frankreich und Slowenien debattiert wurde. Neben Kopf waren auch Politiker von SPD und AfD beteiligt. Letztere versucht aus den mehr als 40 Prozent für Marine Le Pen auch Profit für sich selbst zu schlagen, obwohl sie hierzulande nicht ein Viertel dieser Anhängerschaft hat. Die Politikerinnen der SPD und der Grünen waren sich mit den Kommentatoren der meisten Medien einig, dass Europa bei den Frankreich-Wahlen noch einmal Glück gehabt habe. Dass die EU nach Einschätzung der meisten …

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Es gibt genug an der russischen Politik zu kritisieren. Wer das aber ausgerechnet zum Jahrestag des Beginns des deutschen Vernichtungskriegs tut, beteiligt sich an Geschichtsrelativierung

80 Jahre nach dem Angriff auf einen Staat, den es nicht mehr gibt

80 Jahre nach Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion haben heute auch grüne Außen- und Realpolitiker gelernt, wenn es das nächste Mal gegen Russland geht, muss man sich auf seine Verbündete verlassen können und Alleingänge vermeiden.

„Am 22. Juni 1941 begann ein Vernichtungskrieg. Mit 27 Millionen Toten, davon 14 Millionen Zivilistinnen und Zivilisten, hatte die Sowjetunion die meisten Opfer des Zweiten Weltkrieges zu beklagen“, heißt es in einer Erklärung von Bundespräsident Steinmeier zum 80. Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion. Diese Worte wären vor noch vor wenigen Jahrzehnten in Deutschland nicht möglich gewesen. Schließlich gehörte die Stoßrichtung gegen die Sowjetunion ….

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Warum die Klimaliste Baden-Württemberg zum Alptraum für das "System Kretschmann" werden kann

Angebot für Protestwähler aus der Mitte der Grünen

Sollte die Klimaliste in Baden-Württemberg ein passables Ergebnis erzielen, könnte sich dies auch auf künftige Wahlen auswirken. Daher wäre die neue Wählerliste ein Alptraum nicht nur für das Kretschmann, sondern könnten auch Auswirkungen auf die Bundestagswahlen haben.

Die Landtagswahl in Baden-Württemberg an diesem Sonntag wird vor allem von den Fans des seit 2011 amtierenden grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann im Umfeld seiner Partei sehr genau beobachtet. Schneidet der alte weiße Mann der Ökokapitalisten gut ab, dann wird der Druck …

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Eine linke Bewegung hätte die Aufgabe, statt mantrahaft immer die Bildung einer progressiven Koalition zu fordern, in Theorie und Praxis eine Alternative aufzubauen - Ein Kommentar

Schwarz-grünes Modell Wuppertal

Vielleicht sollten sich linke Parteien und Organisationen auch mal mit den Gedanken befassen, dass es objektive Bedingungen in Zeiten der Niederlage der Arbeiterbewegung gibt, die dafür verantwortlich sind, dass eben sozial Abgehängte mehrheitlich weder bei Aufstehen noch bei der Linken eine Alternative sehen. Das ist kein Plädoyer für Resignation. Doch ein linker Realismus, wie er auch Karl Marx und Friedrich Engels zu eigen war, die durchaus von den Grenzen wussten, die die objektiven Verhältnisse setzen, kann dazu beitragen, die politische Situation adäquat zu analysieren.

Kommunalwahlen haben in der Regel wenig bundespolitische Auswirkungen. Doch die Ergebnisse der Kommunalwahlen am Wochenende in NRW können schon manchen bundespolitischen Fingerzeig geben. Vor allem für die Freunde einer angeblich progressiven Koalition aus SPD, Grünen und Linken dürfte es …

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Die Regierungsvereinbarung in Österreich zeigt, wie man mit den Grünen Abschottung machen kann, wenn man nur nicht so aggressive Begriffe wählt und das Klima stimmt - Ein Kommentar

Koalition des Heimat- und Umweltschutzes in Österreich

Es stellt sich die Frage, ob die kritischen Minderheiten, die eine solche Koalition aus Heimat- und Umweltschutz ablehnen, sich genau so deutlich artikulieren, wie sie es bei der Vorgängerregierung unter Einschluss der FPÖ getan hat. Wenn nicht, dann hat diese schwarz-grüne Koalition schon bewiesen, dass sie für das Kapital viel geräuscharmer durchregieren kann als die politische Konkurrenz. Das wäre dann auch ein Modell für Deutschland

Noch hält sich der Grünenvorsitzende Robert Habeck bedeckt. Die sich anbahnende Koalition zwischen ÖVP und österreichischen Grünen wollte er vorerst nicht als Modell für Deutschland verstanden wissen. Die Zurückhaltung hat mehrere Gründe. Am Samstag muss noch….

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Die Bewegung ist so irrational, wie die Verhältnisse im Spätkapitalismus. Es liegt auch an einer Linken, die nicht fähig ist, ihre Inhalte in die Bewegung zu tragen

Die Blockaden der Klimawandelgläubigen

Wenn man ihr Camp in der Nähe des Berliner Kanzleramts besucht, wird man keine rechten Thesen, aber viele Menschen mit großer Angst treffen, die sich trotzdem bemühen, achtsam miteinander umzugehen. Es stimmt, dass sie ein offenes Ohr für religiöse und irrationale Ideen aller Art haben. Das liegt aber auch an den Zuständen im Spätkapitalismus.

Seit drei Tagen blockieren nun Aktivisten der Bewegung Extinction Rebellion [1] in Berlin Straßen und Brücken. Die Folge sind vor allem verstopfte Straßen an anderen Stellen und aggressiv hupende Autofahrer. Schließlich hat sich durch die Aktionen das tägliche Verkehrschaos in Berlin nur verstärkt. Wer heute schon manchmal mehr als eine Stunde Stehverkehr in Kauf nimmt, um mit seinem Auto durch die Stadt zu fahren, obwohl es in vielen Fällen zeitsparende Alternativen im Nahverkehr gibt, lässt sich durch die Blockaden auch nicht den Tritt aufs Gaspedal verwehren. Warum also ….

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Kommentar: Die Grünen könnten die Gewinner sein

Läutet der Nahles-Rücktritt das Ende der Merkel-Ära ein?

Wichtiger als die Personalie Nahles ist, dass hinter der liberal-grünen Kooperation, die seit Jahren von Publizisten herbeigeschrieben wird, ein bestimmtes kapitalistisches Akkumalationsmodell steht, dass von ihren Befürwortern wie dem Taz-Kommentator Peter Unfried als sozial-ökologische Modernisierung bezeichnet wird.

Nie hat die langjährige SPD-Politikerin Nahles so viel Lob und Respekt-Bezeugungen bekommen wie in den Stunden ihres Rücktritts. Selbst der SPD-Senior Franz Müntefering, für dessen Rücktritt die aufstrebende Jung-Sozialdemokratin Nahles 2005 mit verantwortlich war [1], verliert jetzt einige gute Worte über seine „Intimfeindin“ [2]. Nun gehört es in allen Parteien zum guten Ton, den Politikern, die man erst mit Intrigen weggemobbt hat, dann noch nachzurufen, dass sie…

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Partei ohne linken Flügel

Die neue grüne Spitze Annalena Baerbock und Robert Habeck

Wenn der Begriff „ehrlichmachen“ nicht so schrecklich abgenudelt wäre, auf die Wahl von Annalena Baerbock und Robert Habeck zu den beiden Parteivorsitzenden der Grünen würde der Begriff passen. Beide gehören zur Parteirechten, die eigentlich nur ein Ziel hat: Mitregieren. Da sind auch die Orban-Freunde von der CSU kein Hindernis mehr, die FDP sowieso nicht. Die wird längst als Konkurrenz im bürgerlichen Wählersegment empfunden.

Regieren um jeden Preis

Die Sondierungsgespräche zur Bildung einer Koalition aus FDP, Grünen und Union haben gezeigt, dass solche Bündnisse an den Grünen nicht scheitern werden. Im Gegenteil: Die Grünen waren nach dem Scheitern einer solchen Koalition durch die FDP wirklich traurig, dass es nicht geklappt hat.

Und sie überboten sich mit Lob, wie geschlossen die gesamte Partei bei den Sondierungsgesprächen agierte, wie sie alle nur ein Ziel hatten, endlich auch von FDP und Union als gleichberechtigter Partner anerkannt zu werden. Dieses Interesse teilten sich ein Cem Özdemir ebenso wie eine Claudia Roth und ein Jürgen Trittin. Von diesem Zeitpunkt war endgültig klar, es gibt keine Linken und Realos mehr, es gibt nur noch Grüne.

Der Parteitag hat dann mit der Wahl von Baerbock und Habeck nur konsequent umgesetzt, was alle in der Partei seit Wochen gesagt haben. Warum noch eine Vertretung eines linken Flügels, wenn der in der realen Politik keine Rolle spielt?

Ein kurzer Exkurs in die Geschichte zeigt, dass die Partei eigentlich seit den frühen 1990er Jahren keinen linken Flügel mehr hat. Zu diesem Zeitpunkt haben die Parteilinken um Thomas Ebermann, Rainer Trampert, Manfred Zieran und Jutta Ditfurth die Partei verlassen. Es waren Protagonistinnen von durchaus unterschiedlichen linksgrünen und ökosozialistischen Parteikonzepten. Weil ihnen klar war, dass sie diese weder mit der SPD noch mit der Union umsetzen konnten, lehnten sie Regierungsbündnisse mit beiden Parteien ab.

Höchstens eine begrenzte Tolerierung der SPD war bei ihnen auf Länderebene denkbar. Die Frage der Regierungsbündnisse war bei ihnen sekundär. Es ging um linke Konzepte zur ökosozialistischen Transformation der Gesellschaft. Als Schwungmasse erhofften sich die Parteilinken die in den 1980er Jahren noch starke Anti-AKW-Bewegung sowie die neuen sozialen Bewegungen insgesamt.

Doch sie irrten sich über den Charakter dieser Bewegungen. Obwohl die noch in der zweiten Hälfe der 1980er in der BRD an den Bauzäunen von Wackersdorf und anderswo eine erstaunliche Massenmilitanz produzierten und damit auch einige Atomkraftwerke verhinderten, wurden sie nicht zur Avantgarde einer dauerhaften kapitalismus- und staatskritischen Bewegung in Deutschland.

Vielmehr wurden sie zur Schwungmasse eines erneuerten Kapitalismus und gaben ihre staats- und kapitalismuskritischen Positionen auf. Diese Entwicklung wurde durch die Umbrüche von 1989 verstärkt, diese waren aber nicht die Ursache. In aller Welt waren die Erben von 1968 und da vor allem die Ökologie die Pioniere des modernen Kapitalismus, der in Deutschland mit der Phrase von der „ökosozialen Erneuerung“ im Taz-Kommentator Peter Unfried seinen besten Propagandisten gefunden hat.

Die Parteilinke stand bald ohne Basis da und wurde seit Mitte der 1980er Jahre parteiintern immer mehr unter Beschuss genommen und schließlich verdrängt.

Grüner Etikettenschwindel

Was dann ab Anfang der 1990er Jahre als linker Flügel der Grünen reüssierte, war eigentlich ein Etikettenschwindel. So wurden zunehmend jene bezeichnet, die nur mit der SPD, aber nicht auch mit der Union und der FDP koalieren wollten. Da aber, wie die Sondierungsgespräche gezeigt haben, alle mit allen regieren wollen, ist es nur konsequent, wenn jetzt auf dem Parteitag mit der Wahl die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.

Wenn nun Christian Ströbele öffentlich dementiert und erklärt, es gebe den linken Flügel bei den Grünen noch, dann erfüllt er nur eine Funktion, die er seit 25 Jahren ausgeübt hat. Er simuliert einen linken Flügel, den es schon lange nicht mehr gibt.

Damit konnte er noch einige Gefühlslinke bei der Stange halten. Ob das auch Ströbeles Nachfolger Canan Bayram gelingt, ist fraglich. Schließlich war sie massiver innerparteilicher Kritik ausgesetzt, nachdem sie erklärte, eine Koalition aus Union und FDP nicht mitwählen zu wollen. Dass sie den „grünen Sarrazin“, den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (http://www.borispalmer.de), gar empfahl, mal den Mund zu halten, wurde noch ungnädiger aufgenommen.

Da nahm man Bayram vor allem übel, dass sie tatsächlich noch inhaltliche Debatten führen wollte und Fragen nach einer Gesellschaftstransformation nicht für obsolet hielt.


Phrase von der Überwindung der Spaltung der Gesellschaft

Dabei stehen die meisten Grünen völlig hinter Habeck, wenn der erklärt, er wolle etwas gegen die Spaltung der Gesellschaft tun. Das ist seit der Wahl von Trump eine ständig wiederholte Phrase im grünen Milieu. Dabei wird ausgeblendet, dass es reale Spaltungen in der Gesellschaft gibt. Neben der Klassenspaltung sind es rassistische und patriarchale Unterdrückungsformen.

Nun kann man diese Spaltungen durch eine Transformation überwinden. Klassenkampf sowie antipatriarchale und antirassistische Kämpfe sind Mittel dazu. Das war die Linie der Parteilinken bei den Grünen in den 1980er Jahren. Da wäre es nie darum gegangen, die Spaltung der Gesellschaft zuzukleistern, was nur eine weitere Variante von volksgemeinschaftlichen Denkens und Mitte-Mythos ist.

Es wäre vielmehr darum gegangen, die Risse, die sich durch die kapitalistische Gesellschaft ziehen, offenzulegen, zu vertiefen und durch die Transformation in eine nichtkapitalistische Gesellschaft zu überwinden.

Darum geht es den Grünen schon lange nicht mehr. Vielmehr soll gar nicht mehr über die realen Spaltungslinien in den modernen kapitalistischen Gesellschaften geredet werden. Die Wahl des neuen Parteivorstands ist so auch ein Triumpf des volksgemeinschaftlichen Denkens unter grüner Ägide.

Ökologismus versus Zivilisation

Hier kommt der Ökologismus zu sich, der immer schon keine Klassen, sondern nur eine Menschheit, die Mutter Natur, den blauen Planeten und ähnliche Phantasmen gekannt hat. Längst schon ist im Ökologismus die menschliche Zivilisation selber das Feindbild.

Nirgends wird dies besser deutlich, an der Denunziation der menschlichen Fußspuren, die die Zivilisation hinterlassen hat und die durchweg negativ bewertet werden. So geht es konsequenterweise dabei immer nur um die Verringerung dieser menschlichen Fußspuren. Konsequenten Ökologen wäre es nur recht, wenn der Mensch oder mindestens die menschliche Zivilisation ganz verschwinden und keine weiteren Spuren mehr hinterlassen würden.

Eine linke Erzählung müsste aber gerade die Befreiung der Menschen aus den reinen Naturverhältnissen, also die Zivilisation und ihre Spuren, begrüßen. Dabei dürfte sie natürlich nicht blind sein, von den Fährnissen und Sackgassen dieser Zivilisation unter den Bedingungen der kapitalistischen Verwertung, wozu auch eine Vernutzung von Mensch, Tier und der Vernichtung von Natur gehört.

Die Orientierung müsste dabei auf ein schönes Leben für alle Menschen liegen. Doch das ist nicht der Diskurs der Grünen. Ihr Programm kann mit dem Titel eines gerade populären Films als Downsizing beschrieben werden.

Alle sollen den Gürtel enger schnallen, alles soll geschrumpft werden für den modernen energetischen Kapitalismus. Das ist kein linkes Programm und war es auch nie. Deshalb ist es nur konsequent, wenn die Grünen jetzt auch keinen linken Flügel mehr im Vorstand haben.

Peter Nowak
https://www.heise.de/tp/features/Partei-ohne-linken-Fluegel-3952731.html

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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-waehlen-annalena-baerbock-zur-parteichefin-a-1190127.html
[2] https://www.acast.com/deutschlandfunk/deutschland-1988-24-zaune-uberall-wackersdorf-ein-lehrstuck
[3] http://www.taz.de/!5299015/
[4] http://www.stroebele-online.de/show/10517075.html
[5] http://bayram-gruene.de
[6] https://www.randomhouse.de/Buch/Wir-koennen-nicht-allen-helfen/Boris-Palmer/Siedler/e526754.rhd
[7] http://www.bertz-fischer.de/mythosmitte.html
[8] http://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/kapitalistische-naturverhaeltnisse/
[9] https://www.rottentomatoes.com/m/downsizing/

Kretschmann, der Mann, mit dem Grüne Staat machen

Eine Koalition mit der CDU? Nicht wenige Grüne, die heute noch mit der Union fremdeln, werden ihre Bedenken hintanstellen

Winfried Kretschmann hat schon im letzten Jahr bekundet, dass er jeden Tag für Kanzlerin Merkel betet. Aber auch ein bekennender Katholik weiß, dass wir heute nicht mehr im Feudalismus leben, wo ein solches Bekenntnis eines Landesvaters den Untertanen deutlich machte, dass sie sich treu und ohne Murren unter die Herrschaft beugen sollen. Daher hat jetzt noch einmal kundgetan, was alle wissen. Kretschmann sieht die Zeit reif, für eine schwarz-grüne Koalition unter Merkels Führung.

Er kenne niemand, der den Job besser als Merkel mache, betonte er. Das ist wirklich nicht überraschend. Kretschmann war schon Anhänger einem Bündnis mit der Union, als man deren Anhänger noch als Ökolibertäre bezeichnete. Kretschmanns Hofjournalist Peter Unfried, der immer in der Wochenend-Taz eine Eloge auf den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg verfasst, hat für ein schwarz-grünes Bündnis denn auch schon den Begriff „ökosozial“ geprägt.

Es macht sich natürlich gut für die „grüne Seele“, wenn eine Umweltvorsilbe dabei ist. Denn manche an der Grünen Basis fremdeln noch etwas mit dieser Koalition. Das hat aber kaum inhaltliche Gründe und kaum jemand schließt ein Bündnis mit der Union grundsätzlich aus, wenn sich die Möglichkeit ergeben sollte.

Mit Robert Zion ist vielleicht der letzte Grüne aus der Partei ausgetreten, der noch ein überzeugter Anhänger eines Bündnisses mit der SPD und notfalls auch der Linken. Dafür hatte Zion den Ruf eines Linksgrünen.

Linksgrüne wurden vor zwei Jahrzehnten mit dem Begriff der Fundamentalisten belegt, weil sie keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen SPD und Union sehen wollten und daher für eine systemkritische Alternative eintraten. Es waren Namen wie Jutta Ditfurth, Thomas Ebermann, Rainer Trampert, von denen heute kaum noch jemand für möglich hält, dass sie je bei den Grünen waren.

Doch nicht alle aus dem linken Flügel sind ausgetreten, nicht wenige sind auch heute Teil der Grünen. Angelika Beer, die noch 1990 in Frankfurt/Main auf einer „Nie wieder Deutschland-Demonstration“ in der ersten Reihe ging, änderte die Parole später etwas ab: „Nie wieder Nato-Krieg ohne uns.“

In diesem Zeiten waren die Ökolibertären noch eine kleine Minderheit bei den Grünen, die zwischen Fundis und Realos ein unbeachtetes Randdasein fristeten und von der FAZ manchmal erwähnt wurden, wenn sie ihrem Klientel in den späten 1980er Jahren zeigen wollten, dass es bei den Grünen auch noch welche gibt, mit denen man Staat machen und den Kapitalismus so modernisieren kann, dass die Profitmarge weitersteigt und mögliche Proteste marginal bleiben. Tatsächlich waren manche Ökolibertäre auch von ihrer Marginalität überzeugt und verließen die Partei.

Kretschmann aber blieb bei den Grünen und machte aus ihnen genau das, was die FAZ und die dahinter stehenden Köpfe so schützen: eben eine Partei, mit der man Staat machen und den Kapitalismus modernisieren kann. Sein Meisterstück lieferte Kretschmann als erster grüner Ministerpräsident, als er die Bewegung Stuttgart 21 beerdigte.

Gerade als diese Bewegung scheinbar am Zenit ihrer Macht war und es absehbar war, dass das Projekt kippen könnte, wenn die CDU weiterhin den Ministerpräsidenten stellen sollte, sorgte er dafür, dass es doch noch realisiert wurde. Die Union, in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten ans Regieren gewöhnt, versteht bis heute nicht wie ihr geschah, als sie auf einmal auf der Oppositionsbank landete.

Schließlich sind auch die meisten Unionspolitiker keine besseren Staats- und Kapitalismustheoretiker als die Linken, und sie lassen dabei auch außer Acht, dass die Union ebenso wie alle Parteien an der Regierung, nicht aber an der Macht ist. Wenn aber das gesamtkapitalistische Interesse besser von einem Ministerpräsidenten von den Grünen durchgesetzt werden kann, als von einer diskreditierten Union, dann werden eben die Plätze zwischen Regierung und Opposition getauscht. So geht das Spiel namens bürgerliche Demokratie.

Kretschmann mag es vielleicht nicht theoretisch verstanden haben, aber er hat in seiner bisherigen Regierungszeit danach gehandelt und sich damit auch für weitere Posten im Staat qualifiziert. So hat er im Bundesrat stets dafür gesorgt, dass die Verschärfungen im Flüchtlingsrecht nicht blockiert werden. Trotzdem gelten die Grünen immer noch als migrantenfreundlich. Bei der Erbschaftssteuer kann der Kretschmann-Flügel bei den Grünen leicht mit dem Wirtschaftsflügel der Union kooperieren. Beide eint die Sorge, dass die Millionäre bloß nicht etwas abgeben müssen.

Immer mal wieder wird Kretschmann in seiner Partei kritisiert. Doch das kann er wegstecken. Nicht wenige Grüne, die heute noch mit der Union fremdeln, werden ihre Bedenken hintanstellen, wenn es funktioniert. So war es in Hessen, wo manche vor 20 Jahren noch gegen die besonders konservative Dregger-CDU auf den Barrikaden gestanden haben.

So wird es auch in anderen Bundesländern und letztlich auch im Bund sein, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt. Vor allem weil mittlerweile bei den Grünen eine Generation in den Führungsebenen Platz genommen hat, die nie auf den Barrikaden gekämpft hat, sondern neben ihren RCDS-Kommilitonen Gremien-Politik an der Universität gemacht haben. Bei ihnen fallen sogar die geschmäcklerisch-kulturellen Bedenken gegen den Kretschmann-Kurs weg.

Nur manchmal siegt der grüne Bauch über den Kopf. So gab es aus der Partei ablehnende Reaktionen als Bild-Chefredakteur Julian Reichelt begründete, warum er die Grünen wählen will. Eine derart direkte Unterstützung aus dem ehemaligen Reich des Bösen war manchen Grünen doch zu peinlich.

Dass Reichelt seine Wahlentscheidung mit der außenpolitischen Orientierung führender Grüner wie Cem Özdemir begründete, der in seiner Nato-Unterstützung und seiner Frontstellung gegen Russland durchaus die Union in den Schatten stellt, wollte dagegen niemand berücksichtigen. Sollte sich Özdemir bei der Wahl der Grünen-Spitze bei den nächsten Bundestagswahlen durchsetzen, wäre das ein direkter Erfolg für Kretschmann.

Aber auch alle anderen möglichen Kandidaten würden ihm nicht im Wege stehen. Sie würden aber etwas mehr konstruktive Kritik üben und dass könnte für sie den Ausschlag geben. Denn die Grünen als reine Kretschmann-Partei das würde der Linkspartei mehr Wahlchancen eröffnen und das will man ja verhindern. Zudem könnte jemand, der sich so an die Union ranschmeißt wie Kretschmann, bei den Umworbenen den Preis senken.

Wo kann man bei der Union noch auf Zugeständnisse hoffen, wenn sich jemand schon vor jeglicher Verhandlung bedingungslos ergibt? Kretschmann will mit seiner Initiative die Diskussion über einen von Grünen und Union akzeptierten Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl voranbringen. Damit soll der Weg für ein schwarz-grünes Bündnis geebnet werden.

Nun muss sich zeigen, ob seine Avancen in der Union auf Zustimmung stoßen. Denn mehr als in seiner Partei muss Kretschmann bei der Union mit Widerstand rechnen. Dort will man sich die Grünen als allerletzte Reserve warm halten, aber bevorzugt doch das Original von der FDP.

http://www.heise.de/tp/features/Kretschmann-der-Mann-mit-dem-Gruene-Staat-machen-3457076.html

Peter Nowak