Aktivisten der israelkritischen BDS-Bewegung sind wegen eines Bundestagsbeschlusses vor das Berliner Verwaltungsgericht gezogen

Kampf um die Meinungsfreiheit

Der Boykott-Bewegung BDS wird wegen ihrer Haltung zu Israel immer wieder Antisemitismus vorgeworfen, zuletzt auch von der Mehrheit im Bundestag. Dagegen wehren sich Aktivisten nun vor Gericht.

Am Donnerstag wird sich das Berliner Verwaltungsgericht mit einem auch in der Linken umstrittenen Beschluss befassen. Es geht um den Antrag »Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen«. Er wurde von den Bundestagsfraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen gemeinsam getragen und am 17. Mai 2019 verabschiedet. Der Beschluss richtet sich gegen die »Boycott, Divestment and Sanctions«-Bewegung (BDS). Sie ruft zum Boykott gegen Israel, israelische Waren und Dienstleistungen, israelische Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Sportler*innen auf. »Der allumfassende Boykottaufruf führt in seiner Radikalität zur Brandmarkung israelischer Staatsbürger*innen jüdischen Glaubens. Dies ist inakzeptabel und scharf zu verurteilen«, heißt es in dem Beschluss. Die den Antrag tragenden Parteien bezeichnen die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung als …

…. antisemitisch. Sie vergleichen die Boykottaufrufe mit der NS-Parole »Kauft nicht bei Juden!«. Die AfD forderte in ihren Antrag das Verbot der BDS-Bewegung über das Vereinsrecht. Die Linke stellte einen eigenen Antrag unter dem Titel »BDS-Bewegung ablehnen – friedliche Lösungen im Nahen Osten befördern« zu Abstimmung, der allerdings nur die Stimmen der Antragssteller*innen bekam.
Dass sich jetzt das Verwaltungsgericht mit dem Beschluss befassen muss, liegt an einer Klage der deutsch-palästinensisch-israelischen BDS-Befürworter*innen Judith Bernstein, Amir Ali und Christoph Glanz. »Gemeinsam setzen wir uns für Menschenrechte in Palästina und Israel ein. Was uns Kläger*innen als politisch denkende und handelnde Menschen vereint, ist unsere bedingungslose Verpflichtung gegenüber den Menschenrechten.« Bernstein, Ali und Glanz fühlen sich in ihren Grund- und Menschenrechten in Deutschland verletzt. Gegenüber »nd« verwies Glanz auf Raum- und Veranstaltungsverbote, die mit dem BDS-Beschluss begründet werden. Nicht nur politische Parteien, auch private Unternehmen würden den Beschluss anwenden.
Die Kläger*innen wenden sich nicht nur gegen die Konsequenzen des BDS-Beschlusses, sondern greifen die politische Begründung an, die ihm zugrunde liegt. Sie sprechen von haltlosen Behauptungen gegen BDS-Unterstützer*innen. Damit beziehen sie sich vor allem auf die Klassifizierung der Israel-Boykott-Bewegung als antisemitisch. »Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages konnte keinen Antisemitismus feststellen«, betonte das Kläger*innen-Trio. Es betont, sich »ausnahmslos gegen alle Formen des Rassismus (einschließlich Antisemitismus und Islamophobie)« einzusetzen«.
Doch die Bezeichnung von Antisemitismus als eine Form von Rassismus stößt auf begründete Kritik. So erklärte der Politologe und Ansprechpartner für den Komplex Antisemitismus der Stadt Berlin, Samuel Salzborn, in einem Interview, dass Antisemitismus und Rassismus historisch eng verbunden sind. Er betonte aber die Differenzen. Im Unterschied zum Rassismus, der auf punktuellen Vorurteilen aufbaut, ist Antisemitismus ein umfassendes Weltbild. Das heißt, dass Antisemiten alles, was sie an der modernen Welt nicht verstehen oder ablehnen, antisemitisch deuten.
Im Unterschied zu anderen Diskriminierungsformen erscheinen Juden im Antisemitismus zudem immer als schwach und mächtig zugleich. Kritisch betrachtet wird von vielen Linken auch der Vergleich zwischen Antisemitismus und Islamophobie. Zumal islamistische Bewegungen und Regime jede Kritik am Islam unter den Stichwort Islamophobie tabuisieren wollen. Der Kläger*innenanwalt Ahmed Abed sieht zudem keine rechtliche Grundlage für den BDS-Beschluss. Hier werde auch internationales Recht untergraben. Er benennt als Ziel der Klage, dass das Berliner Verwaltungsgericht den BDS-Beschluss für nichtig erklärt. Wann das Berliner Verwaltungsgericht entscheidet, ist offen. Am Donnerstag findet ab 12 Uhr die mündliche Anhörung der Kläger*innen und ihrer Anwält*innen statt. Eine Frist für eine Entscheidung gibt es nicht. »Wir werden nicht aufhören, gegen das Sprechverbot zu palästinensischen Menschenrechten durch den Bundestag vorzugehen. Wer die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur BDS-Bewegung vom Juli 2020 kennt, weiß, dass wir gute Chancen in der Berufung haben würden«, erklärten die Kläger*innen gegenüber dem »nd«. Peter Nowak

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