Eine Trauerfeier erinnert an den linken Aktivisten Thomas Gerd Gabler

Im Sinne des Anarchisten Durruti

Es war anscheinend die geringe Resonanz der linken Kulturarbeit, die Gerd Gabler veranlasste, sich der Bildungsarbeit von Prekären und Erwerbslosen zu widmen. Nach seiner Beerdigung tranken die Freund*innen von Thomas Gabler alias Gerd Wein aus einer Karaffe, die sich der Verstorbene Mitte der 1990er Jahre von dem anarchistischen Schriftsteller und Kupferschmied Georg K. Glaser in Paris nach der Form seiner rechten Hand anfertigen ließ

»Dauerregen wie 1936 bei der Bestattung des spanischen Anarchisten Durruti. Das hätte Gerd gefallen«, sagt ein junger Mann aus der Trauergemeinde. Neben ihm trotzen am Mittwochnachmittag knapp 30 weitere Menschen auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof dem ungemütlichen Wetter. Schweigend stehen sie im Kreis, nachdem der Bestatter an der Urne die Tafel zu den Angaben des Toten befestigt hat: »Gerd Thomas Gabler 1951–2021«. Über der Gruppe weht die schwarz-rote Fahne, das Symbol des Anarchosyndikalismus. Viele der Trauernden hatten Gerd Gabler in verschiedenen linken Zusammenhängen …

… der Hauptstadt kennen- und schätzen gelernt. »Er hat die Arbeit unserer Gruppe über Jahre geprägt«, sagt Claudia von der Erwerbslosengruppe Basta bei der säkularen Gedenkveranstaltung in der Friedhofskapelle. Diese berät und begleitet Erwerbslose bei ihren Jobcenterterminen, um sie gegenüber der Behörde zu unterstützen.
»Das war Gerd ein wichtiges Anliegen«, erzählt eine andere Frau. Seit 2005 habe er regelmäßig Informationsflyer vor Jobcentern verteilt und innerhalb der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union eine Erwerbslosengruppe aufgebaut. »Ihm war innerlinker Dogmatismus zuwider, egal in welchen Organisationen er auftrat«, beschreibt ihn ein Freund. Zuletzt hat Gabler im Neuköllner Stadtteilladen Lunte ein umfangreiches Bildungsprogramm mit einer breiten Themenpalette angeboten. Da ging es um Fragen der Selbstermächtigung im Jobcenter oder im Stadtteil, aber auch um die blutige Geschichte des Neoliberalismus in Chile oder die Biografie des antifaschistischen Staatsanwalts und Anklägers bei den Auschwitz-Prozessen Fritz Bauer.
Am Ende der Gedenkveranstaltung richtet ein ehemaliger Studienfreund von Thomas Gabler einige Worte an die Trauernden. Viele der Jüngeren, die ihren Genossen nur als Gerd kannten, erfuhren hier zum ersten Mal, dass er 1986 zu den Mitbegründern des Instituts für Heuristik (IfH) gehörte, das in den frühen 1990er Jahren seinen Sitz in der Mulackstraße in Mitte hatte. Gemäß dem Konzept der Situationist*innen versuchte die kleine Gruppe, Kunst und widerständige Aktionen zusammenzubringen. Gabler und seine Mitstreiter, es waren nur Männer, gaben Anfang der 1990er Jahre die Zeitschrift »Schattenlinien« heraus, die nach wenigen Ausgaben eingestellt wurde und heute nur noch antiquarisch erhältlich ist. 1992 erhielt die vom IfH konzipierte Ausstellung »Grenzfall« zum 100. Geburtstag von Walter Benjamin einige mediale Aufmerksamkeit.
Es war anscheinend die geringe Resonanz der linken Kulturarbeit, die Gerd Gabler veranlasste, sich der Bildungsarbeit von Prekären und Erwerbslosen zu widmen.
Nach seiner Beerdigung tranken die Freund*innen von Thomas Gabler alias Gerd Wein aus einer Karaffe, die sich der Verstorbene Mitte der 1990er Jahre von dem anarchistischen Schriftsteller und Kupferschmied Georg K. Glaser in Paris nach der Form seiner rechten Hand anfertigen ließ. Peter Nowak