Das dubiose Verbot der Pegida-Demonstration war der größte Erfolg für diese Bewegung
Für Geflüchtete, die in Dresden leben, war der letzte Montag vielleicht ein Tag zum Durchatmen. Schließlich war erstmals seit Wochen in der Dresdner Innenstadt kein deutsches Fahnenmeer zu finden. Die Pegida-Demonstration war abgesagt worden. Der sächsische Flüchtlingsrat [1] hat heute deutlich gemacht, dass diese Demonstrationen vielen Flüchtlingen in Dresden Angst bereitet [2]. Sie trauen sich montags nicht mehr auf die Straße [3] . Die Verunsicherung unter den Geflüchteten hat noch zugenommen, nachdem Khlaed Idris Baray [4] vor einer Woche erstochen [5] in der Nähe seiner Wohnung aufgefunden wurde.
Noch steht nicht fest, wer für den Tod des jungen Mannes aus Eritrea verantwortlich ist. Viele der Geflüchteten sind dadurch noch mehr verunsichert. Hätten die Pegida-Verantwortlichen nach Idris Barays Tod erklärt, wir setzen die Demonstration aus, weil wir nicht sicher sind, ob er doch mit den Pegida-Demonstrationen in Verbindung steht, wäre das ein beachtlicher Schritt gewesen. Doch dann wäre es nicht mehr jene von Ressentiments geprägte Bewegung, die sie nun mal ist.
So spielt für die Pegida-Organisatoren der Tod von Idris Baray genau so wenig eine Rolle wie der Tod der Pharmakologin Marwin El Sherbini, die 2008 im Gerichtssaal von einem Rassisten ermordet wurde [6], den sie wegen Beleidigung angezeigt hatte. Weder Sherbini noch Baray spielen aktuell in der öffentlichen Diskussion eine große Rolle.
Stattessen hat man das Gefühl, die Parole „Wir sind alle Charlie“ werde durch „Wir sind alle Pegida“ ersetzt. Selbst Abgeordnete der Linken werden nicht müde zu betonen, dass sie Pegida nicht mögen, aber es ginge nicht an, dass sie nicht demonstrieren können. Dabei werden allerdings zwei unterschiedliche Debatten vermischt.
Jeder Tag ohne Pegida – ein guter Tag
Wenn die Einschätzung richtig ist, dass der Grundtenor der Pegida-Demonstrationen zumindest von Ressentiments gegenüber Geflüchteten geleitet wird und dass er Menschen, die nicht in das Klischee der „Biodeutschen“ passen, Angst macht, dann ist jeder Montag ohne Pegida zu begrüßen.
Denn dann steht das Grundrecht der Pegida-Demonstranten, ihr Ressentiment auf die Straße zu tragen, gegen das Recht von Geflüchteten und nicht „biodeutsch“ aussehenden Menschen, sich angstfrei durch Dresden bewegen zu können. Aus dieser Perspektive kann man sagen, dass jeder pegida-freie Tag zu begrüßen ist.
Unabhängig davon muss die Debatte über die Demonstrationsverbote vom letzten Montag geführt werden. Da steht die von vielen Seiten geforderte Aufklärung [7] über die Verbotsgründe an erster Stelle. Es kann nicht sein, dass eine anonyme Drohung gegen einen Pegida-Organisator ausreicht, um die Grundrechte in einer ganzen Stadt außer Kraft zu setzen.
Dabei geht es nicht vordergründig um das Demonstrationsrecht für Pegida, auf die die Diskussion schnell zusammenschnurrt. Tatsächlich waren am vergangenen Montag sämtliche Demonstrationen in Dresden untersagt. Nicht nur die Pegida-Gegner auch Freunde von Idris Baray hätten eine Woche nach seinem Tod keine Gedenkdemonstration an diesen Tag durchführen können. Die Pegida-Demonstrationen, die immer für das Verbot herhalten müssen, war von dem Verbot nicht betroffen, Die Organisatoren hatten sie bereits Stunden vor dem Erlass des allgemeinen Demonstrationsverbots in Dresden abgesagt.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Demonstrationsrecht mit der Begründung außer Kraft gesetzt ist, dass es eine Attentatsgefahr gibt. Im Jahr 2000 führte eine Bombendrohung zum Verbot [8] der alljährlichen Gedenkdemonstration zu den Gräbern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Aus dem Kreis der Demonstranten wurde eine Demonstration gegen das Verbot angemeldet und durchgeführt und der Umgang mit dem Verbot sorgte in der damaligen PDS für heftige Debatten [9].
Das Bündnis „Dresden nazifrei [10]„, das ganz konkret vom Demoverbot am letzten Montag betroffen war, weil es die Kundgebungen anders als Pegida nicht vorher abgesagt hatte, erinnerte in einer Stellungnahme an verschiedene Beispiele, bei denen linke Gruppen mit solchen Demonstrationsverboten kreativ umgegangen sind.
„Wir sind Dresden“
Doch die Taktik der Pegida-Organisatoren war eine andere. Sie konnte in der vermeintlichen Märtyrerrolle auf Zuspruch und Sympathie hoffen. Dieses Kalkül geht auf. Unter der Überschrift „Wir sind Dresden“ war in der FAZ ein Kommentar [11] zu finden, der gleich im ersten Satz betonte, keine Sympathiebekundung für Pegida zu sein, um dann das Aber folgen zu lassen.
Als hätten sich nicht nach den Anschlägen von Paris zahlreiche mit den Ermordeten befreundete Karikaturisten gegen deren Vereinnahmung durch Pegida ausgesprochen [12]:
Diese Sätze bleiben auch gültig, nachdem Pegida am Montag die Demonstration in Dresden abgesagt hatte. Es ist kein Zufall, dass jetzt die Forderung nach einem Dialog mit Pegida von den Unionsparteien besonders laut erhoben wird. Schließlich wollen sie die Pegida-Basis nicht der AfD und noch rechteren Gruppen überlassen.
Die Dialogbereitschaft gab es bereits im Dezember, nur jetzt scheint es auch führenden Unionspolitikern politisch opportun, Pegida wieder in der demokratischen Mitte einzuordnen. Wer sich diesen Dialog noch verweigert, wie die SPD-Generalsekretärin, gilt dann schnell als arrogant und überheblich. Nun wird es schon als Erfolg verkauft, dass Pegida-Organisatoren in Talkshows sitzen und die Medien nicht mehr pauschal als „Lügenpresse“ ablehnen. Diese taktische Nutzung der Medien schließt allerdings die Aversion gegen den Teil, der weiter kritisch berichtet, überhaupt nicht aus.
„Wir müssen reden“
Die sächsische Landeszentrale für politische Bildung [13] ist seit Wochen um einen Dialog mit den Pegida-Demonstranten bemüht, die sehr verständnisvoll auf die Politcouch gelegt werden:
Bei soviel Problemstau und Vertrauensdefiziten kommen Begriffe wie Ressentiment und Rassismus überhaupt nicht vor. Wenn dann über den Text das Foto von Demonstranten mit dem Schild „Für freie Meinungsäußerung“ zu sehen ist, fragt man sich, ob auch in der sächsischen Landeszentrale manche der Meinung sind, ein neues schwarz-rot-goldenes 89er Revival stünde auf der Agenda.
Nachdem Pegida-Organisatoren ihre Pressekonferenz in den Räumen der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung abhalten [14] konnten, scheint endgültig klar, dass diese Institution sich nicht mit der Rolle als Vermittlerin begnügt, sondern Pegida fördert.
Ist es vorstellbar, dass die Organisatoren von „Dresden nazifrei“, die durch ihre beharrliche Arbeit dafür gesorgt hat, dass Dresden am 14. Februar, dem Jahrestag der alliierten Bombardierung, nicht mehr zum Wallfahrtsort von Rechten aus ganz Europa wird, ihre Pressekonferenz je im Büro der Landeszentrale hätten abhalten können? Oder aktuell die Freunde von Idris Baray, der in Dresden umgekommen ist?
Hier wird eben deutlich, dass Pegida für manche Konservative als Bündnispartner angesehen wird, mit dem man sich gegen die Einwanderungsgesellschaft und die angebliche linke Hegemonie durchaus kooperieren kann. Die abgesagte Demo vom letzten Montag hat diese Annäherung auf jeden Fall gefördert.
Reibungslos wird sie nicht werden, denn die verschiedenen Anhänger rechter Kleinstparteien [15] wollen natürlich verhindern, dass die Pegida-Basis von der Union eingefangen wird. Doch bei soviel Protektion seitens der staatlichen Institutionen in Sachsen muss man sich um die Demonstrationsfreiheit für Pegida keine Sorgen machen, um die Angstfreiheit von Geflüchteten in Dresden umso mehr.
http://www.heise.de/tp/news/Sind-wir-jetzt-alle-Pegida-2522478.html
Peter Nowak
Links:
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]