Boom der Containersiedlungen

In Polen regt sich Widerstand gegen Vermieterwillkür
Wohnungsmangel, steigende Mieten und Verdrängung sind nicht nur in Deutschland bekannt. In vielen Ländern der Welt sind die Probleme ähnlich, regt sich aber auch Widerstand. Eine Veranstaltungsreihe in Berlin wirft einen Blick auf die Situation außerhalb Deutschlands.

In den letzten Monaten ist in Berlin eine Mieterbewegung entstanden, die einige Zwangsräumungen verhindert hat und mit der »Kotti-Hütte« mitten in Kreuzberg ein sichtbares Zeichen setzt. In mehreren Veranstaltungen unter dem Titel „Krise – Neoliberalismus – Kämpfe – Perspektiven“ wollen sich die Aktivisten über Mieterkämpfe in anderen Ländern informieren. Vor einigen Tagen berichteten die Poznaer Mieteraktivisten Katarzyna Czarnota und Magdalena Łuczak über das Anwachsen der Containersiedlungen am Rande von Polens Städten. Dort müssen Menschen leben, die aus ihren Wohnungen vertrieben wurden. Oft werde von den Hauseigentümern nicht der juristische Weg beschritten, weil er ihnen zu lang erscheint. „Da kommen drei kräftige Männer und fordern die Mieter im Auftrag des Vermieters zum schnellen Verlassen der Wohnungen auf und bieten eine kleine Entschädigung an“, berichtet Czarnota über eine Praxis der Entmietung. Bei vielen Menschen habe dieser Druck erfolgt. Dazu habe auch die allgemeine Entpolitisierung beigetragen. Nach 1989 sei die Marktwirtschaft zum Inbegriff der neuen Freiheit erklärt worden. Solidarität und Widerstand dagegen seien verpönt gewesen. Erst in den letzten Jahren haben die Proteste gegen die Vermieterwillkür zugenommen. Dabei hätten anarchistische Gruppen Unterstützung geleistet und die Mieter ermutigt, sich nicht in die Containerstädte vertreiben zu lassen. Berichte über die dortigen Wohnverhältnisse haben zur Gegenwehr beigetragen. Die Klagen über mangelnde Wärmeisolierung, verschimmelte Teppiche und Räume, die trotz voll aufgedrehter Heizung nicht wärmer als 15 Grad werden, machten die Runde. „Von der Zimmerdecke tropft Wasser. Ich kann hier kein normales Leben gewährleisten“, berichtet eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern über das Leben in der Containersiedlung.
Angesichts solcher Zustände wächst die Zahl der Mieter, die sich trotz Drohungen und Druck von Seiten der Vermieter nicht aus ihren Wohnungen vertreiben lassen. Magdalena Łuczak aus der Stolarska Straße gehört zu ihnen. Die Stolarska, das Haus, in dem sie wohnt, ist mittlerweile über Poznan hinaus zum Symbol des Mieterwiderstands geworden. „Wir lassen uns von den Vermietern und ihren Räumungsspezialisten nicht mehr einschüchtern“, diese Botschaft wird auch in anderen polnischen Städten gerne aufgegriffen. Dass ein solcher Widerstand lebensgefährlich sein kann, zeigt der bis heute unaufgeklärte Tod der Warschauer Mieteraktivistin Jola Brzeska. Sie stellte sich den Entmietungsplänen ihres Hauseigentümers entgegen und wurde am 7. März 2011 verbrannt in einem Wald bei Warschau aufgefunden. Weil die polnische Justiz die Ermittlungen beenden will, haben Warschauer Aktivisten eine Kampagne gestartet. Sie fordern die Aufklärung über die Hintergründe ihrer Ermordung. Jetzt könnte es auch aus Deutschland Unterstützung für diese Forderungen geben. Unter http://www.youtube.com/user/WohneninderKrise sind Filme über den polnischen Mieterwiderstand zu finden. Am 18. April wird es in de Veranstaltungsreihe um Spanien gehen, das mit der Bewegung gegen Zwangsräumungen auch den Aktivisten in Deutschland Impulse gegeben hat.
http://www.bmgev.de/

https://www.neues-deutschland.de/artikel/815628.boom-der-containersiedlungen.html
Peter Nowak