Stolz auf die Reform der Bertelsmann-Stiftung

Zum 10. Jubiläum der Präsentation der Hartz IV-Reform wird kaum diskutiert, dass damit auch die Grundlagen der Krise der Eurozone begann

Länger hat man von dem SPD-Politiker Franz Müntefering nichts mehr gehört. Aber rechtzeitig zum 10. Jubiläum der Hartz IV-Reformen meldete er sich zurück. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau bekannte er kurz und bündig:

„Ich zumindest bin stolz darauf.“ Wie zahlreiche andere Politiker von FDP, Union, und SPD sang er das hohe Lied auf die Hartz IV-Reformen, die angeblich die Arbeitslosigkeit beseitigt haben.

„2002 war der Arbeitsmarkt in einem schlechten Zustand. Die Arbeitslosigkeit war viel höher, als die offiziellen Statistiken sagten. Arbeitsämter waren – anders als heute – Behörden, die Arbeitslose verwalteten. Von dort gab es keine Impulse. Deswegen haben wir genau zugehört, als die Ideen von Hartz kamen. Wir haben sie praktikabel gemacht und in vier Reformschritten umgesetzt“, so Müntefering.

Ideen von der Bertelsmannstiftung

Nun kam die Journalistin nicht auf die Idee, genauer nachzufragen, wer denn die Ideen ausgearbeitet hat, die angeblich von Peter Hartz kamen. Hätte sie selber etwas recherchiert, wäre sie schnell auf die von den von der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Bertelsmann Stiftung initiierten Arbeitskreis Sozialhilfe/Arbeitslosenhilfe als die eigentliche Ideengeberin der Hartz IV-Reformen gestoßen.

Unter der Überschrift „Reformmodelle in Deutschland“ listet die Bertelsmann Stiftung neben der Gemeindefinanzierung in Deutschland die Hartz IV-Reform auf. Im Bericht der Stiftung heißt es in nüchterner Technokratensprache:

„Die Arbeitsgruppe Arbeitslosenhilfe/Sozialhilfe richtete ihren Fokus auf die effizientere Gestaltung der steuerfinanzierten Transfersysteme für Erwerbstätige. Vorrangiges Ziel war es, die öffentlichen Haushalte durch eine schnellere und passgenauere Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu entlasten… Die Bundesregierung folgte in ihrem Gesetzesvorhaben dem Vorschlag der Arbeitsgruppe.“

Der Bericht hat den Vorteil, dass er ohne allzu viele rhetorische Schnörkel auf den Punkt brachte, welchen Zweck die Hartz IV-Reform hatte und wie sie konzipiert wurde. Es ging um die Kostensenkungen sowohl bei den kommunalen Haushalten als auch um die Senkung der Kosten der Ware Arbeitskraft insgesamt. Es bleibt dann Politikern wie dem Ex-Kanzler Gerhard Schröder vorbehalten, daraus dann die Aussage zu formulieren: „Hartz IV ist ein Gewinn für die Gesellschaft.“

Natürlich wird dann sowohl von Müntefering als auch von Schröder eingeräumt, dass es dabei auch einige Schattenseiten gebe, die aber könnten an dem insgesamt positiven Eindruck der Hartz IV-Reformen nicht trüben. Von den Erwerbslosengruppen gab es wenige Reaktionen auf das Hartz IV-Jubiläum. Schließlich stehen sie in den alltäglichen Auseinandersetzungen gegen die verschiedenen Formen der Sanktionierung, gegen das Prinzip, Erwerbsarbeit um jeden Preis annehmen zu müssen und sei es auch ein unbezahltes Praktikum, dass sie solche Jubiläum nicht unbedingt zu Mobilisierungszwecken benötigen.

Von den politischen Parteien hat lediglich die Linke die Hartz IV-Reform ein Verarmungsprogramm genannt und eine Totalreform gefordert. Nur fehlen zur Zeit die sozialen Bewegungen, die eine solche Forderung durchsetzen können. Ein Grund besteht darin, dass ein Teil der Lohnabhängigen in Krisenzeiten eher auf den heimischen Standort als auf transnationale Solidarität setzt. Dabei hat die Hartz IV-Reform eine internationale Dimension auch zum Jubiläum kaum angesprochen.

Man könnte auch davon sprechen, dass vor 10 Jahren die Grundlage für die Krise der Eurozone gelegt wurde. Durch die Hartz IV-Reform wurde der Lohn der Ware Arbeitskraft so verbilligt, dass die deutsche Wirtschaft gegen die Ökonomien anderer Länder leichter konkurrieren kann. Das wesentlich von Deutschland gestützte Sparprogramm für die Eurozone soll im Grunde das Prinzip hinter Hartz IV auf die gesamte Eurozone übertragen werden.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152600
Peter Nowak


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