Gefangenengewerkschaft mobilisiert fürTeilschließung der JVA Tegel wegen Baumängeln
Kundgebungen  vor  Gefängnissen  sind  in  Berlin  nicht  selten.  Doch am kommenden Samstag  um 15 Uhr wird es eine Premiere geben. Dann wird nicht für Solidarität mit inen oder allen Gefangenen, sondern vor der Justizvollzugsanstalt    (JVA)    Tegel    für deren Teilschließung mobilisiert.Organisiert  wird  die  Aktion von der Gefangenengewerkschaft/bundesweite Organisation (GG/BO), die vor drei Jahren in der JVA Tegel von Gefangenen gegründet wurde. Mit der Kundgebung am Samstag startet die
Knastgewerkschaft   ihre   Kampagne  für  die  Schließung  von  Gefängnissen  wegen  baulicher Mängel.
„Museum oder Filmkulisse“
Davon sind nach Ansicht des Sprechers der GG/BO Oliver Rast mehrere Gebäude der JVA Tegel betroffen. Die Mauern seien porös, es gäbe zu wenige Duschen und sanitäre Anlagen. „Die Gebäude  könnten  vielleicht  noch  als  Museum  oder  als  Filmkulisse  verwendet  werden.  Aber  Menschen   dürfen   dort   nicht   mehr   untergebracht   werden“,   so Rast gegenüber der Taz. Dass dies realpolitische Forderungen sind,  untermauert  Rast  mit  einer   Auflistung   von   Maßnahmen,  nach  denen  300  bis  400  Plätze im Gefängnis eingespart werden  können.  So  schlägt  die  GG/BO  den  Ausbau  des  Offenen  Vollzugs  und  die  Freilassung  von  Gefangenen  vor,  die
eine   Ersatzfreiheitsstrafe   verbüßen. Das seien Maßnahmen, die der jetzige Justizsenator Dirk Behrendt  (Grüne)  als  Oppositionspolitiker als Teil einer liberalen Gefängnispolitik selber vertreten hat, betont Rast. Dass  die  Gefangenengewerkschaft  drei  Jahre  nach  ihrer  Gründung  durchaus  nicht  isoliert ist, zeigt der volle Terminkalender  von  Rast.  Kommende  Woche spricht er bei der Vorstellung   des   Grundrechtsreports   in  Karlsruhe  zur  Situation  der  Menschenrechte  von  Gefangenen,  Donnerstag  diskutiert  er mit  dem  ehemaligen  Gefängnisleiter   und   heutigen   Strafvollzugskritiker   Thomas   Galli   auf  dem  Kirchentag  über  die
Zukunft der Knäste. Doch   Beachtung   bekommt   die GG/BO vor allem außerhalb
der Gefängnisse. Bisher war kein Bundesland bereit, mit ihr über einen  Mindestlohn  für  Knastarbeit und den Einbezug in die Rentenversicherung zu verhandeln.  Rast  sieht  hier  besonders  Berlin in der Pflicht: Schließlich hätten sich die Grünen stets für esozialisierung ausgesprochen und  die  LINKE  sich  im  letzten  Jahr  sogar  ausdrücklich  hinter  die Forderungen der GG/BO gestellt.
aus: Taz, Freitag, 19 Mai
Peter Nowak
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