
1960 hatte sich der Kongo wie zahlreiche andere afrikanische Staaten die Unabhängigkeit erkämpft. Die Vertreter:innen der jungen Nationalstaaten traten selbstbewusst auf UNO-Versammlungen auf, wo sie nun auf Augenhöhe mit den ehemaligen Kolonialstaaten saßen, die auch nur eine Stimme hatten. Im Kongo übernahm der charismatische Patrice Lumumba die Regierung. Er hatte sich Politiker der ehemaligen Kolonialmacht Belgien zum Feind gemacht, weil er klar den Terror benannte, mit dem die belgische Armee im Kongo herrschte. Doch die alten Kolonialmächte schlugen zurück. Nur wenige Monate nach der Unabhängigkeit wurde Patrice Lumumba …
… aus der Regierung herausgedrängt, entführt und schließlich ermordet.
Das alles und noch viel mehr erfahren wir in dem kürzlich angelaufenen Film Soundtrack to a Coup d’Etat. Der Regisseur Johan Grimonprez verwebt gekonnt globale Machtstrukturen und antikoloniale Kämpfe mit viel Jazz und Blues. Wir sehen und hören Musiker:innen wie Louis Armstrong, Nina Simone und Miriam Makeba, die den Soundtrack zum Aufbruch des globalen Südens liefern.
Dabei verwendet der Regisseur seltene Originaldokumente über die heute weitgehend vergessene Zeit des antikolonialen Aufbruchs vor 65 Jahren. Wir hören Vertreter des globalen Südens bei ihren Reden in der UNO. Wir sehen den ägyptischen Präsidenten Nasser und seinen ghanaischen Amtskollegen Kwame Nkruhmah, die damals bei den Menschen im globalen Süden große Popularität genossen.
In den bisherigen Rezensionen wird nicht erwähnt, dass in dem Film auch ein Ausschnitt aus Der lachende Mann. Bekenntnisse eines Mörders zu finden ist. Es ist ein Film der DDR-Regisseure Walter Heynowski und Gerhard Scheumann, die in einem Münchner Filmstudio den als »Kongo-Müller« bekannten Söldner Siegfried Müller interviewten. Der Ex-Nazi plauderte offenherzig über seine blutigen Pläne im Kongo und seine Unterstützer in der BRD.
Besonders interessant sind die Szenen im Film, die dokumentieren, wie sich die Schwarzen in den USA in den Auseinandersetzungen politisierten. So sorgte Malcolm X dafür, dass die Vertreter der afrikanischen Staaten während der UNO-Sitzungen in Harlem, dem Viertel der Schwarzen in New York, wohnen konnten. Daraus entwickelte sich während der Dauer des Aufenthalts der Delegation ein antiimperialistisches Selbstbewusstsein, das sich nicht identitär auf die Hautfarbe bezog.
Fidel Castro, kaum ein Jahr kubanischer Regent, wurde ebenfalls in Harlem aufgenommen, und am Ende kam sogar der sowjetische Staatschef Chruschtschow zu Besuch in den Stadtteil und fraternisierte mit den Vertretern der jungen afrikanischen Nationalstaaten und der kubanischen Revolution.
Wir sehen hier einen erstaunlich unbürokratischen Chruschtschow, der durch sein offenes Auftreten Sympathien bekommt, zumal er auch bei den UNO-Versammlungen die Belange der Staaten des globalen Südens nicht nur mit Worten unterstützte. Berühmt wurde die Szene, in der der sowjetische Staatschef seinen Schuh auszieht und damit auf das Konferenzpult klopft. Das kam bei den Vertretern des globalen Südens gut an. Im Film schwärmt ein Augenzeuge, Chruschtschow habe im Takt der Musik mit dem Schuh geklopft.
Als Lumumba mit Unterstützung der Kolonialmächte ermordet wurde, stürmten Antiimperalisten eine UN-Sitzung. Doch damit war der Aufbruch nicht beendet. Hier begann eine Kooperation zwischen Staaten des globalen Südens und dem nominalsozialistischen Lager. In den USA begann in dieser Zeit Malcolm X, sich von der antisemitischen Nation of Islam (NOI) zu lösen und schwenkte auf einen antiimperialistischen Kampf jenseits der Hautfarbe ein.
Soundtrack ist ein informativer und bewegender Film über den antikolonialen Kampf. Das Fehlen von Klassenkämpfen ist kein Manko des Films, sondern ein Kritikpunkt an der antikolonialen Bewegung. Denn nicht wenige der damals gefeierten Politiker haben mit ihrer antiwestlichen Rhetorik die kapitalistische Unterdrückung in den neuen Nationalstaaten verschleiert. Peter Nowak
https://www.sozonline.de/2025/03/soundtrack-zum-antikolonialismus/