"Krieg beginnt hier"? – Die Region galt als Hochburg der Anti-Atom-Bewegung. Jetzt wird dort eine antimilitaristische Tradition der 1980er-Jahre wiederbelebt.

Störaktionen bei Nato-Manöver im Wendland

Ein wichtiger Teil der antimilitaristischen Arbeit besteht für die Beteiligten in der genauen Beobachtung der Aktivitäten der Bewegungen der Militär. Dazu hat das Bündnis "Manöver Nö" einen Aktionsticker eingerichtet, auf dem detailliert die Geschehnisse auf dem fiktiven Schlachtfeld eingetragen werden. Am Donnerstag startete der Ticker mit der launigen Meldung: "Guten Morgen! Das Militärlager bei Middefeitz auf dem Hohen Mechtin ist leergeräumt."

Seit dem 3. November findet im Wendland ein Militärmanöver der Nato statt, das nach Angaben des Ordnungsamtes Lüchow-Dannenberg bis zum 1. Dezember andauern soll. Neben auch 2.500 Soldatinnen und Soldaten der niederländischen Streitkräfte sollen dabei 350 Rad- und 32 Kettenfahrzeuge zum Einsatz kommen. Auch der Einsatz von scharfer Munition ist vorgesehen. Der Hauptteil der Gesamtübung findet auf den Truppenübungsplätzen Bergen und Munster als Schieß- und Gefechtsübung statt, heißt es in der Mitteilung der Stadtverwaltung. Nun finden solche Militärmanöver in Deutschland selten überregionale Beachtung. Anders beim aktuellen Manöver im Wendland. Unter dem Motto …

… „Manöver Nö“ haben antimilitaristische Gruppen aus der Region dazu aufgerufen, die Militärübung zu stören. Die Palette der Aktionsformen reicht vom Aufhängen von Transparenten und Plakaten bis zum Abmontieren von Schildern, an denen sich die Soldaten im Gelände orientieren.

Der Protest richtet sich gegen das Manöver als Teil der Strategie zur Stärkung der Kriegsfähigkeit der Bundeswehr und ihrer verbündeten Truppen, die auch Verteidigungsministerium Boris Pistorius in letzter Zeit immer wieder propagiert.

„Ein wichtiger Schritt ist zunächst, die Manöver genau zu beobachten“, sagte eine Aktivistin gegenüber Telepolis. Ihren Namen will sie nicht in der Zeitung oder im Netz lesen. Schließlich werden Aktivitäten gegen Manöver auch von der Justiz beobachtet und sind kriminalisierbar.

Ein wichtiger Teil der antimilitaristischen Arbeit besteht für die Beteiligten in der genauen Beobachtung der Aktivitäten der Bewegungen der Militär. Dazu hat das Bündnis „Manöver Nö“ einen Aktionsticker eingerichtet, auf dem detailliert die Geschehnisse auf dem fiktiven Schlachtfeld eingetragen werden. Am Donnerstag startete der Ticker mit der launigen Meldung: „Guten Morgen! Das Militärlager bei Middefeitz auf dem Hohen Mechtin ist leergeräumt.“

Bewegungen von Militär- und Polizeifahrzeugen wurden detailliert beschrieben. Doch bei der Beobachtung blieb es nicht.

„Manöver erfolgreich gestört“

Die Antimilitaristen zogen in einer Pressemitteilung eine positive Bilanz ihrer Aktionen. „Mit einem Banner wurde sich gegen Krieg und Aufrüstung positioniert. Nach dem Eintreffen der Polizeikräfte aus Hannover kam es dort zur Vollsperrung der B493. Zuvor konnte der Verkehr noch einspurig die Blockade passieren. Nach zwei Stunden traten die niederländischen LKWs dann zur Freude der Blockierenden den Rückzug an.“

Zudem gaben sie an, ein militärisches Nachtlager an der Radioantenne auf dem Pampower Berg bei Middefeitz entdeckt zu haben. Dort wurde eine bunte Spontandemonstration angemeldet, um ein deutliches Zeichen gegen die Kriegsmaschinerie der Nato zu setzten. Laute Musik habe für gute Stimmung gesorgt, wenn auch nicht bei den Soldatinnen und Soldaten, denen der Schlaf geraubt worden sei.

„Krieg beginnt hier – es gibt kein ruhiges Hinterland“, lautet das übergeordnete Motto der Proteste.

Dabei nehmen die Aktivisten auf die aktuellen Kriege Bezug. „Täglich erreichen uns schreckliche Bilder von Tod und Zerstörung aus diversen Kriegsgebieten. Wir wollen uns nicht an diese Bilder gewöhnen und protestieren dagegen, dass vor unserer Haustür das Töten von Menschen geprobt wird“, erklärt die Aktivistin aus dem Wendland gegenüber Telepolis.

Historische Bezüge

Damit greifen die Antimilitaristen auf eine Aktionsform zurück, die eine lange Tradition in der Antikriegsbewegung hatte. Schon in den 1950er Jahre wurde im Kampf die Remilitarisierung der BRD auch Aktionen gegen Manöver organisiert. Einen Höhepunkt dieser Aktionsform gab es im Herbst 1984 mit bundesweiten Aufrufen zur Manöverbehinderung in Osthessen. Damals war bekannt geworden, dass der sogenannte Fulda Gap im Kriegsfall zwischen Nato und Warschauer Pakt eine zentrale Rolle spielen sollte.

Im Herbst 1984 verbündeten sich empörte Bewohnerinnen und Bewohner der osthessischen Region mit linken Antimilitaristen, die aus der gesamten Bundesrepublik nach Osthessen gereist waren.

Die Aktion war auch ein Nachhall der großen deutschen Friedensbewegung der frühen 1980er-Jahre. Ihr Hauptziel, die Stationierung von neuen Mittelstreckenraketen in Westeuropa zu verhindern, hatte sie nicht erreicht. 1983 waren sie stationiert worden.

Es war eine Niederlage vor allem des reformistischen Flügels der Friedensbewegung, der sich für Verhandlungen zwischen Nato und Warschauer Pakt einsetze. Die Aktion der Manöverbehinderung in Osthessen wurde vor allem vom undogmatischen Flügel der Antikriegsbewegung organisiert, der nicht auf Appelle an Staaten, sondern auf gewaltfreien Widerstand gegen Kriegsvorbereitungen setzte.

Es ist kein Zufall, dass an diese Tradition ausgerechnet im Wendland angeknüpft wird. Schließlich stand die Region über viele Jahre als Hochburg der Anti-Atom-Bewegung für den Widerstand gegen die Castortransporte.

Seit dieser Zeit existiert dort eine außerparlamentarische Linke, die sich auch gegen Krieg und Militarismus einsetzt. In Zeiten, in denen die Bundeswehr wieder für kriegsfähig erklärt wird, könnte die Manöverbehinderung wieder zu einer häufigeren Aktionsform werden.

Statt sich geopolitische Erwägungen von Staatenlenkern zu eigen zu machen, lassen sich die Beteiligten von dem Grundsatz leiten: Krieg beginnt hier – nämlich überall, wo er vorbereitet wird – und hier muss er auch verhindert werden. (Peter Nowak)