Debatten auf dem Chemnitzer Festival »Kantine Sabot«

Was kann Anarchismus?

Das Chemnitzer Zentrum Sabotnik stellte vom 31. Juli bis 6. August den Anarchismus ins Zentrum. Insbesondere Wohnungskämpfe nehmen darauf Bezug.

In der DDR diente das Gebäude am Rande des Chemnitzer Innenstadt als Schulkantine. Seit vielen Jahren hat dort das soziokulturelle Zentrum Sabotnik sein Domizil. Und hier fand in der vergangenen Woche die »Kantine Sabot« statt, ein Bildungsfestival mit Workshops, Diskussionen, Lesungen und Filmen zur Geschichte des Anarchismus. »Es ist ein Festival, das so nur in Chemnitz stattfinden kann«, erzählt Julian, der von Anfang an dabei war.Entstanden ist es 2018, als …

… die Verantwortlichen der Stadt Chemnitz, die den Namen Karl Marx schon lange getilgt hat, von dem Hype um den Philosophen profitieren wollten. Schließlich ist der Kopf von Karl Marx mittlerweile eine touristische Attraktion. »Da überlegten sich einige theorieinteressierte Linke, dass an Karl Marx nicht nur eine Biersorte erinnern soll, und luden Referent*innen ein, mit denen sie über die Theorie von Karl Marx diskutieren wollten«, erzählt Julian.Anfangs dachte niemand daran, dass man das Theoriefestival in den nächsten Jahren wiederholen wollte. »Doch es hat uns allen viel Spaß gemacht, der Zuspruch war groß und so machten wir weiter«, erzählt Jonathan, der ebenfalls seit sechs Jahren dabei ist. In den folgenden Jahren waren Rosa Luxemburg, Walter Benjamin, Antonio Gramsci und Christine de Pizan Themen der linken Bildungswochen.In diesem Jahr wurden die Veranstaltungen erstmals nicht um eine Person herum organisiert. Stattdessen war der Anarchismus als Strömung Thema. Er »ist Bezugspunkt in den Platzbesetzungsbewegungen, in der Klimabewegung, in Mietkämpfen, in autonomen Jugendzentren oder Hausprojekten und in Versuchen der Stadtteilvernetzung«, begründen das die Macher*innen.Den Einstieg machte Jonathan Eibisch mit einer Bestandsaufnahme des «real-existierenden Anarchismus«. Immer wieder interessierten sich vor allem junge Menschen für den Anarchismus, trotzdem werde er genauso regelmäßig totgesagt, resümierte er. Auch auf dem Festival selbst: Zwei Redakteur*innen der Theoriezeitschrift »Tsveyfl« kritisierten, der Anarchismus habe sich auf Theorie-Ebene seit 1945 nicht mehr weiterentwickelt. »Der Anarchismus ist tot, es lebe der Anarchosyndikalismus«, lautete ihr Fazit. Die anarchosyndikalistische Basisgewerkschaft FAU bot auf dem Festival Informationen über aktuelle Arbeitskämpfe an.Das Thema Anarchismus zog auch Interessierte aus anderen Städten an, die auf dem Gelände des Sabotnik zelteten. »Es war die bestbesuchte ›Kantine Sabot‹«, meint Julian. Das wachsende Interesse sehen die Organisator*innen als Herausforderung, weil damit der Arbeitsaufwand wächst. Auch die Frage, wie sich die Organisator*innen des Bildungsfestivals zu der europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 positionieren werden, ist noch offen. Die Bandbreite der möglichen Reaktionen reicht von der kritischen Begleitung bis hin zum gänzlichen Ignorieren. Vielleicht wird das auch das Thema für die nächste Kantine. Das soll im Oktober entschieden werden.Ein Teil der Veranstaltungen der »Kantine Sabot« kann auf der Website nachgehört werden: https://kantine-festival.org/#ueber-uns Peter Nowak

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