Drastische Schilderungen der Klimakatastrophe führen teils zu Abwehr und Verdrängung. Oder zu Selbstvorwürfen und individuellen Strategien. Dabei könnten sie zum Hinterfragen der kapitalistischen Produktionsweise führen

Das Klima und „wir“ – zwischen Anpassung und Aktivismus

Dabei müsste sich die Diskussion darum drehen, wie eine Gesellschaft so gestaltet werden kann, dass alle Menschen ohne große Einschränkungen überleben können. Das heißt, es muss auch über den Kapitalismus geredet werden. Vielleicht wäre es schon ein Fortschritt, wenn statt von der Klimakatastrophe im Anthropozän vom Kapitalozän geredet würde – über den vom Kapitalismus verursachten Klimawandel.

Die dominierende Redewendung vom menschengemachten Klimawandel hingegen ist ebenso pure Ideologie wie der von Ölkonzernen verbreitete Begriff vom "ökologischen Fußabdruck", der aber mittlerweile auch in der Klimabewegung kritisch hinterfragt wird. Hier wird suggeriert, alle Menschen seien irgendwie am Klimawandel schuld.


„Die Bäume verdorren. Pflanzen können nicht mehr reifen.“ So berichtet Qabale aus Kenia, wie der Klimawandel konkret ihr Leben als Bäuerin in dem ostafrikanischen Land beeinflusst und dazu führt, dass sie und viele ihrer Nachbarn verarmen. Ihre Lebensgrundlage wird vernichtet. Qabale ist eine von vier Personen, deren Stimmen im Rahmen der Klima-Monologe im Theater Heimathafen Neukölln in Berlin zu hören sind. Neben ihr ist da der junge Klimaaktivist Daniyal aus Pakistan, der mit ansehen musste, wie …

… sein Dorf von einem ausbrechenden Gletscher bedroht und dann tatsächlich überschwemmt wurde. Da ist Ayla aus Pakistan, die sehr berührend berichtet, wie ein Zyklon ihr bisheriges Leben zerstörte. Viele ihrer Freunde und Nachbarn überlebten nicht.

Die durch den Klimawandel befeuerten Extremwetterereignisse, über die sie sprechen, haben in den letzten Jahren in den hiesigen Medien nur kurz Schlagzeilen gemacht und waren dann schnell wieder vergessen. Die Folgen der Klimakatastrophe in Pakistan schafften es zumindest in der taz einmal auf der Titelseite. Im Anschluss gab es mehrere Reportagen über das Sterben und schwierige Überleben der Menschen in Pakistan.

In den Artikeln wurde betont, dass riesige Landstriche von den Überschwemmungen betroffen waren. Danach verschwanden der Zyklon und seine Folgen aus der Berichterstattung der Medien in unseren Breiten. Durch die sehr eindringlichen Berichte in Form der Klima-Monologe wird wieder daran erinnert.

Klimakolonialismus

Hier wird noch einmal ein Phänomen verdeutlicht, das in der Klimabewegung auch als Klimakolonialismus bezeichnet wird. Es ist eben immer noch ein Unterschied, ob Menschen im Globalen Norden leben oder im Globalen Süden von Tod und Zerstörung betroffen sind. Das liegt auch daran, dass der Globale Süden schnell als Ort betrachtet wird, wo Tod, Gewalt und Zerstörung Alltag seien. Ein solches Denken ist ein Erbe des Kolonialismus.

Denn damit wird auch verdrängt, welchen Anteil die europäischen Eroberer daran hatten und noch immer haben, Tod und Terror in alle Welt zu tragen. Hier soll aber nicht das Bild einer harmonischen, idyllischen vorkolonialen Gesellschaft im Globalen Süden gezeichnet werden. Es waren ebenfalls Klassengesellschaften, in denen patriarchale und rassistische Unterdrückung herrschten. Doch die europäischen Eroberungen brachten noch weitere Gewalt und weiteren Terror über die kolonisierten Länder.

Ein Erbe des Kolonialismus besteht eben darin, dass die Folgen des vor allem von den Ländern des Globalen Nordens verantworteten Klimawandels für die Menschen im Globalen Süden noch immer unterschätzt und ignoriert werden. Umso verdienstvoller, dass die Klima-Monologe in 120 Minuten vor allem die Positionen der Menschen aus dem Globalen Süden zu Gehör bringen. Nur eine beteiligte Person, Leigh-Ann, eine Krankenschwester aus Kalifornien, ist im Globalen Norden situiert.

Sie beschreibt eindringlich die Folgen der Feuer, die 2018 in einer mittelständischen Idylle, die auch noch Paradise hieß, Tod und Verderben brachten. Über diese Feuerkatastrophe in den USA berichteten die internationalen Medien ausführlich.

Wir bekamen herzzerreißende Bilder von Menschen, die nicht aus ihren von den Flammen bedrohten Häusern fliehen wollten, weil sie ihre Haustiere nicht zurücklassen wollten. Gerade, weil die Klima-Monologe auch eine Position des Globalen Nordens einbeziehen, wird besonders eindringlich deutlich, wie das kolonialistische Denken bis heute wirkungsmächtig ist, auch in der Klimadebatte.

Dokumentarisches Theater

Mit den Klima-Monologen setzt der Regisseur Michael Ruf die Serie seines dokumentarischen Theaters fort, um Stimmen der Ausgegrenzten, der Unterdrückten hörbar zu machen. In den Mittelmeer-Monologen erzählen Migranten, die die Überfahrt überlebt haben, von brutalen Küstenwachen und erinnern an Mitreisende, die die Fahrt durch die Todeszone Mittelmeer vor der Festung Europa nicht überlebt haben.

In den NSU-Monologen kamen die Angehörigen der Opfer des Neonaziterrors, die von Anfang wussten, woher die Täter kamen, aber nicht gehört, sondern vielmehr selbst unter Verdacht gestellt worden waren, zu Wort. Mit den Klima-Monologen wird nun ein globales Problem in den Mittelpunkt gerückt. Vielleicht hören wir dann genauer hin, wenn im Radio wieder mal die kurze Meldung kommt, dass in Kenia erneut der Regen ausbleibt – oder dass in Pakistan der Monsunregen besonders heftig ist.

Vom Kapitalismus verursacht

Daher ist solch ein engagiertes Theater zu begrüßen. Doch die Frage bleibt: Was ist die Konsequenz, wenn die Aufmerksamkeit wächst? Nach den Aufführungen gibt es immer ein Gespräch mit Aktivistinnen und Aktivisten. Aber hier wird ein Problem deutlich. Denn auch sehr eindringliche Schilderungen der Folgen der Klimakrise lassen die Frage offen, was darauf folgt.

Schon längst hat auch der moderne Kapitalismus die Erzählungen über die Klimakatastrophe und ihre Folgen in seine Diskurse eingespeist. Da wird dann der breiten Masse der Bevölkerung eine Ideologie des Verzichts und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ans Herz gelegt. Doch Reiche hoffen mit einer Art Luxus-Arche-Noah den Folgen des Klimawandels zu entkommen. So gibt es Luxusprojekte beispielsweise in Österreich, die genau darauf abzielen.

Dabei müsste sich die Diskussion darum drehen, wie eine Gesellschaft so gestaltet werden kann, dass alle Menschen ohne große Einschränkungen überleben können. Das heißt, es muss auch über den Kapitalismus geredet werden. Vielleicht wäre es schon ein Fortschritt, wenn statt von der Klimakatastrophe im Anthropozän vom Kapitalozän geredet würde – über den vom Kapitalismus verursachten Klimawandel.

Die dominierende Redewendung vom menschengemachten Klimawandel hingegen ist ebenso pure Ideologie wie der von Ölkonzernen verbreitete Begriff vom „ökologischen Fußabdruck“, der aber mittlerweile auch in der Klimabewegung kritisch hinterfragt wird. Hier wird suggeriert, alle Menschen seien irgendwie am Klimawandel schuld.

So sollte auch die Ideologie, dass individuelles Handeln und individuelle Konsumentscheidungen angeblich das Klima retten, als kapitalkonform erkannt und kritisiert werden. Welche Folgen das hat, wird in den Klima-Monologen sehr gut deutlich: Der pakistanische Aktivist Daniyal hat schon in der Schule eine Umweltgruppe gegründet und macht sich dann Vorwürfe, weil er nicht noch aktiver gewesen ist, weil er und seine Freunde sich mit ihren Aktivitäten auf ihre Schule konzentriert und nicht das gesamte Land mobilisiert haben.

Statt solcher Selbstvorwürfe sollte der Kampf gegen die Verantwortlichen gerichtet werden, die Menschen und Natur zerstören – gegen die kapitalistische Produktionsweise. Die Klima-Monologe bieten hierfür eine hervorragende Grundlage, weil sie das Maß der Zerstörung und der Gewalt, die Menschen und Natur angetan werden, sehr konkret beschreiben. Es stellt sich nur die Frage nach wirksamen Handlungsmöglichkeiten, die möglichst viele Menschen einbeziehen. (Peter Nowak)