Auf dem Höhepunkt der Klima-Aktionstage wurde die Logistik des Hamburger Hafens erheblich gestört.

Lieferketten sprengen für das Klima?

Da stellt sich natürlich die Frage, ob es realistische Szenarien für eine Blockade des Hamburger Hafens in Kooperation mit Beschäftigten gibt. Da erinnert man sich sofort an den Warnstreik der Hafenarbeiter in verschiedenen Städten in Deutschland im vergangenen Juli, der Vertreter des Unternehmerlagers wie Rainer Dulger über Notstandsmaßnahmen zur Einschränkung des Streikrechts nachdenken ließ. Die Polizei ging mit Pfefferspray gegen Streikende vor. Hier wäre also durchaus ein Potential, um eine Hafenblockade gemeinsam mit den Beschäftigten zu organisieren.

Am Samstag war der Höhepunkt der Klima-Aktionstage in Hamburg. Über mehrere Stunden blockierten Aktive der Bewegung mehrere Schienenabschnitte und Zufahrtsstraßen zum Hamburger Hafen. Dabei kam es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Das Bündnis „Ums Ganze“, das wesentlich an der Aktion beteiligt war, sprach von einer erfolgreichen Blockade, wies aber auf Polizeigewalt bei der Räumung hin. „Anstatt Appelle an den Staat zu richten, geht die Klimagerechtigkeitsbewegung jetzt geschlossen an die Orte, wo der Normalbetrieb des Kapitalismus unterbrochen werden kann“, erklärte eine Sprecherin des Bündnisses. Allerdings sind auch andere Teile der Klimabewegung dafür bekannt, dass sie seit Monaten immer wieder Autobahnen blockieren. Allerdings geht es dort meistens darum, vom Staat zugesagt zu bekommen, dass die Klimaziele, die die Staatsapparate selber unterschrieben hat, auch eingehalten werden. Dagegen soll die Hafenblockade um die Unterbrechung …

… kapitalistischer Lieferketten, wie das „Ums Ganze“-Bündnis in der Tageszeitung Neues Deutschland ausführt.

Dort heißt es:

Der deutsche Industrieverband verkündete jüngst, die Lieferketten seien „zum Zerreißen gespannt“, die Springer Presse warnte angesichts der Streiks in deutschen Seehäfen vor dem „Super-GAU“ für den deutschen Standort. Aktivist:innen der italienischen Basisgewerkschaften USB und SI Cobas wird aktuell die Gründung einer kriminellen Vereinigung und Erpressung vorgeworfen, weil sie effektive Streiks im Logistik-Sektor organisiert hatten. Die Beispiele zeigen: Die Logistik ist für die Macht des Kapitals entscheidend.


Ums Ganze, Neues Deutschland

Wer blockiert die Lieferketten?

Tatsächlich wird hier aufgegriffen, was seit Jahren auch in linken Gewerkschaftskreisen diskutiert wird. Es geht um die Frage, wo Arbeitende in Zeiten, in denen vor allem im Globalen Norden die Zahl der fordistischen Fabriken abnimmt, noch Macht- und Druckmittel haben. Da richtet sich das Augenmerk schon länger auf die Logistik, auf den Bereich, in dem Waren und Rohstoffe transportiert werden.

Es ist richtig, wenn „Ums Ganze“ schreibt, die logistische Organisation sei durch ihre minutiöse Taktung „ebenso fragil wie effektiv, und gerade diese Eigenschaft macht sie zu einem geeigneten Instrument für antikapitalistische Kämpfe und Klimagerechtigkeit“. Das Bündnis stellt korrekt fest, dass es vor allem Arbeitskämpfe waren, die die Logistikkette störten.

Die Beschäftigten haben eben erkannt, dass sie hier ihre Macht ausspielen können. Darüber diskutieren beispielsweise die Angry Workers, eine Gruppe von kämpferischen Arbeitern aus dem operaistischen Spektrum, in ihrem aktuellen Buch Class Power, das im Unrast-Verlag auf Deutsch erschienen ist.

Dort haben sie sich die Lieferketten in Bezug auf die Lebensmittelllieferungen angesehen und gut begründet, dass dort tatsächlich Druckmittel für die Beschäftigten liegen.

Auch die heute schon legendäre Hafenblockade in Oakland im Jahr 2011 hatte einen klassenkämpferischen Hintergrund. Der Aufruf ging nicht von den Gewerkschaften, sondern von Occupy Oakland aus.

Die Aktion wurde auch deshalb weltweit von vielen begrüßt und von der Herrschaft gefürchtet, weil hier die sehr heterogene Occupy-Bewegung den Kampf der Hafenarbeiter gegen ihre Entlassung und Prekarisierung unterstützte.

Im Oakland-Streik zeigte sich in Keimformen, wie eine selbstorganisierte Massenbewegung entstehen und an Dynamik gewinnen kann, und wie dabei eine tatsächlich wichtige Lebensader des Kapitalismus, eben die Logistik lahmgelegt werden kann.

Auch wenn es sich nur um wenige Tage handelte, in denen Hafenarbeiter und Unterstützer gemeinsam agierten, wurde hier ein Funke entzündet, der weiter glimmt. Ein weiteres Beispiel sind die von Johanna Schellhagen in ihren Film „Die Angst wegschmeißen“ dokumentierten Arbeitskämpfe in Norditalien und Streiks in der Logistikindustrie.

Es ist dabei keineswegs unwichtig, wer die Träger dieser Kämpfe sind. Dabei geht es nicht darum, wer die Logistik blockieren darf, wie „Ums Ganze“ in dem Debattenbeitrag schreibt. Denn wer sollte denn darüber befinden, wer das darf, außer den staatlichen Repressionsorganen natürlich? Es geht vielmehr um die Frage, wann solche Blockaden erfolgreich sind. Und das ist zweifellos dann der Fall, wenn sie von den Beschäftigten zumindest mitgetragen werden, wie in Oakland.

Kann sich Oakland in Hamburg wiederholen?

Da stellt sich natürlich die Frage, ob es realistische Szenarien für eine Blockade des Hamburger Hafens in Kooperation mit Beschäftigten gibt. Da erinnert man sich sofort an den Warnstreik der Hafenarbeiter in verschiedenen Städten in Deutschland im vergangenen Juli, der Vertreter des Unternehmerlagers wie Rainer Dulger über Notstandsmaßnahmen zur Einschränkung des Streikrechts nachdenken ließ. Die Polizei ging mit Pfefferspray gegen Streikende vor.

Letztlich hat ein Arbeitsgericht die Dynamik des Arbeitskampfes vorerst ausgebremst, in dem es weitere Verhandlungen verordnete. Dagegen gab es Proteste an der Gewerkschaftsbasis, wie eine Petition zeigt.

Hier wäre also durchaus ein Potential, um eine Hafenblockade gemeinsam mit den Beschäftigten zu organisieren. Auf der Auftaktdemonstration zu den Klima-Aktionstagen in Hamburg wurde auf Transparenten und in Redebeiträge solidarisch Bezug auf diese Arbeitskämpfe genommen. Eine solche Kooperation ist natürlich kein Selbstläufer, sie braucht eine lange und geduldige Vorarbeit.

Aber ein Szenario wie in Oakland ist in Hamburg durchaus nicht unmöglich. Was sich hier für Möglichkeiten auftun könnten, zeigt das Autonome Hafenarbeiterkollektiv CALP in Genua, das auch Waffentransporte zu den verschiedenen Kriegsschauplätzen vom Jemen bis zur Ukraine blockiert hat.

Auch der Hamburger Hafen ist ein Ausgangspunkt für Waffenlieferungen in alle Welt, dagegen gibt es schon länger Aktionen mit Unterstützung aus den Reihen der Gewerkschaft ver.di. Auch hier gäbe es also Kooperationsmöglichkeiten.

Wenn es die Organisatoren der Hafenblockade vom Samstag ernst meinen und dies keine einmalige Aktion bleiben soll, die man dann vielleicht in einigen Jahren wiederholt, würde der Kontakt zu solchen und ähnlichen Initiativen auf der Agenda stehen.

Dann würde das optimistische Szenario in Schellhagens Film „Der laute Frühling“ vielleicht in Hamburg Realität. Arbeiter und Klima-Aktivisten besetzen gemeinsam die zentralen Logistikketten und stellen die Machtfrage an Orten, wo es dem Kapital wehtut, wie es das „Ums Ganze“-Bündnis es ja propagiert. (Peter Nowak)