Rechte in aller Welt bejubeln die Taliban, weil sie viele Gemeinsamkeiten haben

„Dragqueens, Homoparaden und Menschenrechtsideologie haben dort Sendepause“

Schon lange werden auch in eher linken Medien immer wieder angebliche Historienerzählungen herangezogen, um zu erklären, dass erst Briten, dann die Sowjets und jetzt auch die Nato aus Afghanistan vertrieben wurden. Hier wird eine ethnopluralistische Erzählung vom "Afghanen an und für sich" bedient, ohne die jeweilige politische Konstellation zu analysieren und zu erklären, warum beispielsweise die Rote Armee und die afghanische Linke in den 1980er-Jahren geschlagen wurden.

Es ist nur den ersten Blick überraschend, dass ausgerechnet die antiislamische AfD als eine der ersten Parteien in Deutschland eine Anerkennung der Taliban-Herrschaft in Afghanistan forderte. Schließlich wurde auf rechten Internetseiten Schreckensszenarien aufgebaut, nach denen auch in den europäischen Staaten ein durch Islamisten entfachter Bürgerkrieg möglich wäre. Auf den zweiten Blick ist die Forderung nach einer Anerkennung der Taliban durch die AfD so überraschend nicht. Schließlich hat deren Parteispitze selbst erklärt, dass es um die …

… rasche Abschiebung Geflüchteter nach Afghanistan geht; und da solle man die Taliban-Herrschaft unabhängig von der Weltanschauung anerkennen. Schließlich hatten auch AfD-Politiker Syrien besucht und sich dort für die Rückkehr der Flüchtlinge starkgemacht. Übrigens ist die Rechtspartei mit ihrer Postion nicht sehr weit von der konservativ-grünen Regierung aus Österreich entfernt, die trotz Taliban-Herrschaft Abschiebungen nach Afghanistan nicht ausgeschlossen hat.

Nicht in deutschem Interesse

Doch es ist nicht nur die Abschiebepolitik, die AfD-Politiker für eine schnelle Anerkennung der Taliban motiviert. Wenn AfD-Rechtsaußen Björn Höcke moniert, dass der Afghanistan-Einsatz „ein Vasallendienst für die USA“ gewesen sei, dann wird ist das eine nationalistische Position, die eben erklärt, ein Militäreinsatz der Bundeswehr am Hindukusch sei nicht im deutschen Interesse gewesen. Das ist klar von einer antimilitaristischen Position zu unterscheiden, die Militäreinsätze generell ablehnt.

Zudem macht es die „ethnopluralistische“ Haltung vieler Rechter möglich, Frieden mit den Taliban zu schließen. Nach dieser Lesart gehören sie zur Tradition und Kultur der Afghanen, nur soll die eben nicht auf Europa übergreifen. Deshalb hat man dann auch keine Probleme mit Menschenrechtsverletzungen der Taliban. Doch die Position, dass es eben die spezifische Kultur in Afghanistan sei, die auch den schnellen Erfolg der Taliban möglich gemacht hat, geht weit über rechte Kreise hinaus. Der konservative Publizist Peter Scholl-Latour, der posthum noch viel Anerkennung erfährt, weil er schon vor sieben Jahren Afghanistan für „verloren“ erklärte, hatte schon immer von „den Afghanen“ geredet, die noch jede europäische Armee vertrieben hätten.

Das Schweigen über die afghanische Linke

Schon lange werden auch in eher linken Medien immer wieder angebliche Historienerzählungen herangezogen, um zu erklären, dass erst Briten, dann die Sowjets und jetzt auch die Nato aus Afghanistan vertrieben wurden. Hier wird eine ethnopluralistische Erzählung vom „Afghanen an und für sich“ bedient, ohne die jeweilige politische Konstellation zu analysieren und zu erklären, warum beispielsweise die Rote Armee und die afghanische Linke in den 1980er-Jahren geschlagen wurden.

Dann müsste nicht ethnopluralistisch von „den Afghanen“ geredet werden, sondern von der gezielten Förderung der islamistischen Rechten, die schon Ende der 1970er-Jahre Lehrerinnen und Ärzte ermordeten durch die sogenannten westlichen Staaten. Selbst ein Publizist wie Oliver M. Piecha, der sehr gut die Historienerzählungen über „die Afghanen“ kritisiert und sich über die posthume Wiederkehr von Peter Scholl-Latour mokiert, findet in der Jungle World kein kritisches Wort über den sogenannten Westen und lässt deshalb die massive Unterstützung dieser Länder für die Islamisten einfach weg. Die afghanischen Linken, die Ende der 1970er-Jahre versuchten, eine säkulare Gesellschaft aufzubauen, erwähnt er gar nicht erst.

So findet sich auch bei kein Hinweis auf die afghanische Feministin und Sozialistin Anahita Ratebzad, die unter den linken Regierungen der späten 1970er-Jahre eine zentrale Rolle spielte und für die Gleichberechtigung der Frauen kämpfte. Sie erklärte in einer Rede 1978:

Die Privilegien, Die Frauen Von Rechts wegen haben müssen, sind gleiche Bildung, Arbeitsplatzsicherheit, Gesundheitsdienste und freie Zeit, um eine gesunde Generation für den Aufbau der Zukunft des Landes heranzuziehen. (…) Die Bildung und Aufklärung von Frauen ist jetzt Gegenstand der Aufmerksamkeit der Regierung.

Dafür gab es vom sogenannten Westen nicht etwa Unterstützung. Von dort kam die Bewaffnung der islamistischen Konterrevolution, die auch Anahita Ratebzad ins Exil getrieben hat. Sie starb übrigens unbeachtet 2014 in Deutschland. Es ist das Verschweigen oder sogar Diffamieren dieser afghanischen Linken, dass der Renaissance eines Scholl-Latour und den ethnopluralistischen Erzählungen von der afghanischen Tradition und Kultur den Weg bereitet.

Taliban extremste Form der afghanischen Rechten

Dabei sind die Taliban nur die extremste Form der afghanischen Rechten. So ist es nicht verwunderlich, wenn Rechte in aller Welt deren Machtübernahme bejubeln. So bezeichnen rechte Blogger in den USA die Taliban als „konservative und religiöse Macht“. Ein Blogger, der der Identitären Bewegung in Österreich nahesteht, hat die rechte Taliban-Bewunderung kurz und bündig so ausgedrückt:

Der Sieg der #Taliban in #Afghanistan bedeutet eine krachende Niederlage für den #Globalismus. Dragqueens, Homoparaden und Menschenrechtsideologie haben dort Sendepause. Wird Zeit, dass auch #Europa sich aus seinem Zustand als amerikanischer Kolonie befreit!

Hier wird deutlich, warum viele Rechte sich in den Taliban wiedererkennen. Sie wünschen sich natürlich, dass auch in Europa „Dragqueens, Homoparaden und Menschenrechtsideologie“ Sendepause haben. Bisher hatten sie Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán als Vorbild, aber der Erfolg der Taliban zeigt, dass diese rechte Politik sich radikalisieren lässt. Die Rechten wissen, dass sie jenseits der religiösen Unterschiede viele Gemeinsamkeiten mit den Taliban haben.

Die Linken hingegen betonen auch im Fall Afghanistan noch immer in erster Linie die Unterschiede. So kämpft der in der aktuellen Politik durchaus fortschrittliche Emran Feroz in der Ablehnung der afghanischen Linken die Schlachten seiner afghanischen Vorfahren und sieht nicht, dass die Rechten den unterschiedlichen linken Fraktionen in Afghanistan die vernichtende Niederlage schon vor 40 Jahren zugefügt haben. (Peter Nowak)