»Kunst gegen rechts«, werkraum Vilnius Passagen, Mainzer Straße 36/37, Erfurt-Rieth, Mi-Sa 15-19 Uhr, bis zum 3.11.

Mahnmale für Opfer rechten Terrors

Es ist sehr positiv, dass die Exposition nicht den Erfurter Wohlfühlzonen der kunstaffinen, linksliberalen Öffentlichkeit, sondern im Arbeiter*innenstadtteil Rieth« gezeigt werde. In den Vilnius-Passagen bestehe die Chance, dass sich Menschen, die eigentlich zum Einkaufen dort sind, durch die gezeigten Werke »irritieren« lassen.

Angela Merkel im Gespräch mit zwei jungen Neonazis: Das Foto hat eine Geschichte. Aufgenommen wurde es im August 1992 im Jugendzentrum Groß-Klein in unmittelbarer Nähe des Rostocker Sonnenblumenhauses. Wenige Tage vorher hatte dort ein Mob aus Neonazis und applaudierenden Anwohner*innen Menschen ohne deutschen Pass bedroht und schließlich aus Rostock vertrieben. Die damalige Bundesfamilienministerin Merkel ….

….. wollte sich danach vor Ort ein Bild von der Situation machen. Das Foto ist jetzt in der Ausstellung »Kunst gegen rechts« im Erfurter »Werkraum« noch bis zum 3. November zu sehen. Kurz vor der Landtagswahl in Thüringen beschäftigen sich knapp 50 Künstler*innen mit den Themen Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus. Viele der Exponate erzählen wie das Merkel-Foto eine Geschichte.

Leider fehlen Hinweise auf die Zusammenhänge und Hintergründe der Exponate. Dabei würden sie interessante Einblicke auch in die Geschichte des rechten Terrors bieten.

So verweist die Aufnahme eines herbstlichen Gartens von Michael Weise mit dem Titel »Sandros letzter Weg« auf einen weitgehend vergessenen Neonazimord vor 25 Jahren: 1993 wurde in Sondershausen der Schüler Sandro B. von Mitschüler*innen gequält und ermordet. Der Fall sorgte damals für Aufsehen, weil sich viele aus der Clique der Täter*innen im Umfeld von Satanismus und Neonazismus bewegten.

Auch das wohl am meisten verbreitete Motiv eines Bauhauskünstlers ist Teil der Ausstellung: das Symbol der Antifaschistischen Aktion mit der Unterzeile »Her zu uns«. Entworfen wurde es 1932 von Max Gebhard, der später in der DDR als Grafiker für den Dietz Verlag arbeitete.

In einem kurzen Video wird der Plan für ein Mahnmal für die migrantischen Opfer des Anschlags des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in der Kölner Keupstraße vorgestellt. Doch das Projekt des Berliner Künstlers Ulf Aminde konnte bis heute nicht realisiert werden, weil die Eigentümer der Grundstücke die Zustimmung verweigern.

Die von Monique Förster und Dirk Teschner kuratierte Schau versteht sich als politische Intervention im Vorfeld der Landtagswahl. Die gezeigten Arbeiten stammten von Künstler*innen, »die sich nicht abfinden wollen mit dem Erstarken rechter Kräfte«, schreiben die Kurator*innen. Erfurt ist die zweite Station der Wanderausstellung, die im August in den Berliner Uferhallen Premiere hatte. »Wir haben im Werkraum mehr Platz als in Berlin und hoffen, dass die Ausstellung eine öffentliche Debatte auslöst«, sagte Teschner dem »nd«.

Die meisten Besucher*innen seien »überrascht über die präsentierte Kunst«, sagt einer der beiden jungen Männer, die die Ausstellung betreuen. Sie glauben, dass diese auch Menschen anzieht, die sonst eher keine Ausstellungsbesucher sind. Es ist daher »sehr positiv, dass die Exposition nicht den Erfurter Wohlfühlzonen der kunstaffinen, linksliberalen Öffentlichkeit, sondern im Arbeiter*innenstadtteil Rieth« gezeigt werde. In den Vilnius-Passagen bestehe die Chance, dass sich Menschen, die eigentlich zum Einkaufen dort sind, durch die gezeigten Werke »irritieren« lassen.

Peter Nowak