Kommentar: Egal, wie das Verfahren ausgeht, Verlierer sind die, die auf einen Politik- und nicht nur auf einen Politikerwechsel setzen

Impeachmentstreit statt Diskussionen über politische Alternativen

Mit dem Impeachment hofft die Führung der Demokratische Partei nun die Auseinandersetzung auf ein anderes Terrain bewegen zu können. Wenn nicht mehr über eine sozialökologische Transformation oder einen effektiven Krankenversicherungsschutz geredet wird, können diese Themen die Partei nicht mehr spalten.

Fast täglich werden wir jetzt via Medien über die Feinheiten des Impeachment-Verfahrens gegen Präsident Trump unterhalten. Welche Winkelzüge das Trumplager macht, und wie die die Demokraten darauf reagieren, sind dann der tägliche Stoff von Interviews. Wieder kommen im Deutschlandfunk die Interviewpartner zu Wort, die vor der letzten Wahl immer im Brustton der Überzeugung bekundeten, dass Trump überhaupt keine Chance hat. Erst waren sie sicher, dass er nie ….

…. Kandidat der Republikaner werden kann. Als sich das als offensichtlich falsche Prognose erwies, waren diese US-Experten ganz sicher, dass diese Partei nun überhaupt keine Chance mehr hat, die Wahlen zu gewinnen. Und bei jeder Trump-Äußerung schien sich die Partei mit den Kandidaten Trump weiter zu isolieren.

Nach der Wahlnacht herrschte im Lager dieser Experten Katzenjammer, aber bald erklärten sie, nun könnten die Wahlmänner noch immer verhindern, dass Trump Präsident würde. Auch hier lagen sie falsch und kaum war Trump Präsident, gab es Spekulationen, wie lange er im Amt bleiben würde. Der Begriff Impeachment kam bereits nach wenigen Wochen der Trump-Administration auf und bezog sich zunächst auf die angebliche Russland-Connection. Doch mag der Muller-Bericht auch Trump nicht entlasten – für ein Impeachment reichten die Ergebnisse nicht aus.

Warum Linke bei den Demokraten gegen ein Impeachment waren

Damals sprachen sich Politiker eher vom rechten Flügel der Demokraten für ein Impeachment aus. Politiker und Politikerinnen des linken Flügels standen auf der Bremse. Ihre Argumente waren einleuchtend und sind eigentlich heute noch genau so aktuell wie nach der Bekanntgabe des Muller-Berichts: Ein Impeachment würde Trump eher nutzen als schaden.

Schließlich ist ziemlich sicher, dass es scheitern wird, weil es im Senat nicht die nötige Mehrheit gibt. Trump kann aber wieder von einer Hexenjagd und von einer Kampagne der Opposition sprechen und damit seine Anhänger hinter sich bringen. Vor allem aber würde die Auseinandersetzung über ein Impeachment die Debatte vom Inhalt einer gemäßigt reformistischen Politik ablenken. Hierin aber sahen die Linken bei den Demokraten die Strategie, die Wahlen zu gewinnen.

Das sind Themen wie der New Green Deal, für den die sozialdemokratische Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez bekannt wurde, die auch von Linken in Deutschland schon als hoffnungsvolle reformerische Alternative zu Trump vorgestellt wurde. Da gibt es das Konzept einer allgemeinen Krankenversicherung für Alle, das vor allem Bernie Sanders, das sozialdemokratische Urgestein unter den Bewerbern für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, propagiert hat. Da wären natürlich die Verschärfung der Waffengesetze, eine humanere Flüchtlingspolitik und viele andere Alternativen zur ultrarechten Politik der Trump-Administration.

Es ist auffällig, dass auch einige der Linken, die lange dafür eintraten, die Regierung besser mit politischen Alternativen zu besiegen, als sich auf das langwierige und ineffektive Prozedere eines Impeachmentverfahrens einzulassen, jetzt zu den Befürwortern einer Amtsenthebung gehören. Dazu zählt auch Alexandria Ocasio-Cortez. Hierzulande sekundierten ihnen Journalisten, die noch vor Monaten warnten, die Demokraten würden in die Trump-Falle tappen, wenn sie sich auf ein Impeachment einließen.

Nun wird auch in deutschsprachigen Medien argumentiert, dass es zu einem solchen Verfahren keine Alternative gebe. Das wird aber nicht substantiell begründet. Der Wortlaut des Trump-Gesprächs mit dem ukrainischen Präsidenten ist längst nicht so skandalträchtig wie die Ausschmückungen drum herum. Zudem ist die Rolle des sogenannten Whistleblowers ungeklärt.

Es scheint eher, als ginge mit dem Impeachment die Auseinandersetzung zwischen dem tiefen Staat, also den Geheimdiensten und staatlichen Instanzen, die beständiger als die jeweiligen US-Regierungen sind, und der Trump-Administration in eine neue entscheidende Runde. Das abgehörte Telefonat wäre dann die Fortsetzung der Überwachungsmaßnahmen, die das Trumplager dem FBI bereits im letzten Wahlkampf unterstellt.

Man fragt sich also, welchen Sinn hat das Prozedere eines Impeachment ohne Aussicht auf Erfolg überhaupt in einer Zeit, in dem sich alle Seiten auf den nächsten Präsidentschaftswahlkampf vorbereiten?

Impeachment – Verzweiflungsschritt der Demokraten?

Nun wird gerade mit dem Verfahren der Wahlkampf vorfristig eingeleitet. Der Grund könnte gerade eine besondere Schwäche der Demokraten sein. Ihnen scheint in den letzten Monaten bewusst geworden sein, dass sie dabei sind, auch die nächsten Wahlen zu verlieren. Innenpolitisch gab es keine Wechselstimmung. Viele höchst umstrittene Maßnahmen beispielsweise zur Flüchtlingsabwehr, die von unteren juristischen Instanzen gestoppt wurden, konnte Trump mit Hilfe der höheren Instanzen durchsetzen.

In der Iranfrage gilt Trump allgemein als Gewinner, weil es die EU nicht geschafft hat, ein Instrumentarium zu schaffen, mit dem sie nicht nur verbal, sondern real das US-Embargo und die Aufkündigung des Vertrags ausgleichen konnte. Nachdem die EU beim Angriff auf Ölanlagen in Saudi-Arabien auf die Rhetorik der US-Regierung eingeschwenkt war und die iranische Regierung verantwortlich machte, wurde das allgemein als Beleg interpretiert, dass die EU die Iran-Politik der Trump-Administration nicht begrüßt, aber als gegeben hinnimmt und keinen Widerstand mehr leistet.

Zudem hat Trump auch deutlich gemacht, dass die Politik der rechten Isolationisten nicht bedeutet, überall gleich mit eigenen Truppen einzugreifen. Im Gegenteil, die direkten militärischen Eingriffe werden minimiert, dafür wird mit dem Mittel von Embargos etc. versucht, renitente Staaten unter Druck zu setzen. Es ist gut möglich, dass es unter einer Präsidentin Clinton schon eine militärische Auseinandersetzung mit dem Iran gegeben hätte.

Das sind alles Indizien, die den Demokraten gezeigt haben, dass der Weg zurück ins Weiße Haus kein Spaziergang sein würde. Der linke Flügel wollte, wie oben dargelegt auf Inhalte setzen und stand für eine Politik, die man grob als sozialdemokratisch definieren kann. Doch sie haben schnell registriert, dass sich die Demokraten als Gesamtpartei auf einen solchen Kurs nicht einigen werden.

Es gibt auch unter den Demokraten bedingungslose Unterstützer des Rechts darauf, eine Waffe zu tragen. Es gibt bei den Demokraten entschiedene Gegner jeglicher noch so kleinen sozialen Reform. Für diese Kräfte der Beharrung stand der Kandidat Biden, der auch als aussichtsreich gehandelt wird. Die Demokraten standen nun aber vor dem Dilemma, dass der Kandidat Biden zu einer Demobilisierung gerade der jüngeren aktivistischen Basis beitragen würde, die sich für Sanders oder Alexandria Ocasio-Cortez begeistern ließ, nicht aber für einen Südstaaten-Demokraten, der sich nicht inhaltlich kaum von der Politik der gegenwärtigen Regierung unterscheidet. Höchstens beim Einsatz von US-Militär wäre er vielleicht weniger zurückhaltend.

Mit dem Impeachment hofft die Führung der Demokratische Partei nun die Auseinandersetzung auf ein anderes Terrain bewegen zu können. Wenn nicht mehr über eine sozialökologische Transformation oder einen effektiven Krankenversicherungsschutz geredet wird, können diese Themen die Partei nicht mehr spalten. Auch den Impeachment-Befürworter ist das hohe Risiko ihres Vorgehens klar.

Sie wissen, dass Trump im Angriffsmodus in seinem Element ist. Sie wissen auch, dass die Beschuldigungen gegen Biden und seinen Sohn nicht von Trump erfunden wurden und sich mittlerweile auch Journalisten genauer um diese Angelegenheiten kümmern werden. Doch sie halten den Weg, den sie jetzt gehen, für das kleinere Übel. Die Chancen stehen nicht gut. Doch, wenn sich die Partei über eine sozialdemokratische Reformpolitik zerlegt hätte, stünden sie noch schlechter, so die Logik der Parteiführung.

Alternativen jenseits der Parteienfalle

Es wird sich zeigen, ob ein Teil der jungen Linken, die sich in den letzten Monaten sehr für die Wahl von sozialdemokratischen Demokraten wie Alexandria Ocasio-Cortez eingesetzt haben, auch diesen Schwenk nach rechts mitgehen oder ob zumindest einige sehen, dass sie in eine Falle getappt sind, wenn sie sich keine Alternative jenseits von Republikanern und Demokraten vorstellen können.

Diese Alternative wäre die Stärkung von außerparlamentarischen gesellschaftlichen Protesten wie die Bewegung Black Lives Matter, die ihre größte Ausstrahlungskraft hatte, als Obama noch Präsident war. Mit dem Antritt von Trump verlor sie ihre Stärke. Das liegt auch daran, dass jetzt manche wieder in Parteien eine Lösung oder wenigstens ein kleineres Übel sahen. Dabei hat Black Lives Matter in der Hochzeit der Bewegung mehr als die meisten linken Parteien erreicht.

Die Schriftstellerin und Aktivistin Keeanga Yamahttta Taylor gehört zu denen, die sich nicht auf die Scheinalternative Demokraten versus Republikaner einlassen. Ihr Buch mit dem Titel „Von Blacklivesmatter zu Black Liberation“ ist in deutscher Sprache im Unrast-Verlag erschienen. In einem Interview mit der Wochenzeitung Freitag äußerte sie auch einige unbequeme Wahrheiten für die Obama-Bewunderer:

Die ärmsten Menschen in den USA waren auch unter Obama Afro-Amerikaner. Es gab tödliche Polizeigewalt gegen Schwarze, die Gefängnisse waren auch vor drei Jahren voll mit schwarzen Männern …. Jahrzehntelang hieß es, dass es einfach nur mehr schwarze Menschen in den Parlamenten bräuchte, um die Situation der Afro-Amerikaner zu verbessern. Die acht Jahre unter Obama haben gezeigt, dass dem nicht so ist.

Keeanga Yamahttta Taylor, Wochenzeitung Freitag

Die Schriftstellerin zeigt auch auf, wie sich Rassismus in den USA auf dem Wohnungsmarkt mit kapitalistischen Verwertungsinteressen vermischt.

Bei vielen rassistischen Mobilisierungen in der Vergangenheit ging es darum, dass weiße Hausbesitzer schwarze daran hindern wollten, sich dort niederzulassen, weil dann der Wert ihres Hauses steigt. 67 Prozent der Amerikaner besitzen ein Eigenheim, das heißt Millionen Amerikaner checken ständig, wie viel ihr Haus noch wert ist.

Keeanga Yamahttta Taylor, Wochenzeitung Freitag

Hier wird deutlich, wie bei der Ausprägung des Rassismus in letzter Instanz kapitalistische Vorstellungen dominierend sind. Auch in der Umweltpolitik war die Obama-Regierung längst nicht so progressiv wie ihr Ruf. So begann die Kriminalisierung der gewaltfreien Umweltschützerin Helen Yost durch das FBI bereits unter Obama.

Menschen, denen es um mehr als einen Austausch von Politikern geht, müssten gerade darüber reden, warum unter der Ägide der Demokraten Repression, Rassismus und Drohnenkrieg viel weniger Empörung auslösen, als wenn diese Politik von Trump und Co. praktiziert wird. Durch das Impeachment-Prozedere wird aber die Debatte davon abgelenkt.

Es wäre schon ein Fortschritt, wenn manche der Linken, die so viel von den Demokraten erhoffen, erkennen, dass grundlegende Alternativen nur jenseits eines Parteiensystems möglich sind, dass mit Johannes Agnoli als „kapitalistische Einheitspartei mit zwei Flügel und Namen“ begriffen werden kann.

Peter Nowak